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„Weiche Welle“ ohne CVer

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Eine umfassende Ablöse steht mit Jahresende bei den höchsten Beamtenstellen des Rechnungshofes bevor. Alle drei Sektionschefs treten mit 31. Dezember 1970 in den dauernden Ruhestand, wobei auffällt, daß nur einer das 65. Lebensjahr überschritten hat, während sich zwei vorzeitig pensionieren lassen. Mit der Bestellung der Nachfolger werden auch drei wichtige Abteilungen des Rechnungshofes frei. Eingeleitet wurde die Generalablöse bereits im Vorjahr, als Rechnungshofpräsident Dr. Kandutsch Stellvertreter für die drei Sektionschefs nominierte. Es liegt die Vermutung nahe, daß damit ein Nachfolger prä-judiziert werden sollte, wenn es im Gefolge der Nationalratswahl vom 1. März einen Wechsel an der Spitze des Rechnungshofes gegeben hätte. Ob es sich bei den stellvertretenden Ressortleiter nur um eine taktische Maßnahme oder um eine ständige Einrichtung handelt wird spätestens bei Amtsantritt der neuen Sektions-ahefs offenkundig werden.

Bei der Nachfolge hält sich der Rechnungshof Präsident an die von ihm im Vorjahr geschaffene Rangordnung, die mit dem Dienstrang nicht im Einklang steht Die drei rangältesten Ministerialräte, an der Spitze Ministerialrat Dr. Eberl, wurden bei der Bestellung der neuen Sektionschefs übergangen. Dem Vernehmen nach sucht man im Rechnungshof aber ein „Trostpflaster“ für den ranghöchsten Ministerialrat. Das Revirement wird in eingeweihten Kreisen als Ubergang zu einer weicheren Welle des Rechnungshofes gewertet. Die neuen Sektionschefs gelten mehr als gute Theoretiker, denn als „harte Praktiker“. Sicher handelt es sich dabei nur um Nuan-cierumgen, doch dürfte dahinter die Absicht Dr. Kandutschs stecken, den Rechnungshof wieder ein wenig aus der Schußlinie zurückzuziehen. Vielleicht liegt darin auch der Grund, daß der als besonders streng bekannte Ministerialrat Dr. Vogler, der „Vater des Autobahn-Skandals“, ebenfalls zu den Übergangenen zählt.

Auffallend ist, daß kein CVer an die Spitze einer Sektion berufen wurde, obwohl sich unter den potentiellen Nachfolgern solche befunden haben. Bisher wurden zwei Sektionen von CVern geleitet.

Zu den Leidtragenden zählt auch die ÖVP, der in Hinkunft nur mehr ein Sektionschef nahesteht. Besonders schmerzlich ist für sie der Abgang des Leiters der Sektion III, der auch die Geschäfte des Präsidialvorstandes besorgte.

Folgende personelle Veränderungen gehen auf Sektionsleiterebene vor sich:

Wegen Erreichung der Altersgrenze scheidet Sektionschef Dr. Wunderer (Sektion I — Kontrolle der Hoheitsverwaltung) aus dem Dienst. Dem SP-nahen Beamten folgt Ministerialrat Dr. Kohl, Lehrbeauftragter für Staatsrechnungswissenschaft an der Universität Wien, Vertreter des Rechnungshofes in der Verwaltungsreformkommission und einer Reihe weiterer interministerieller Kome-tees. Dr. Kohl, der der ÖVP nahestehen soll, ist ein brillanter Redner und Vortragender und zählt seit langem zu den engsten Vertrauten des Präsidenten Dr. Kandutsch. Der erst 50jährige leitete bisher die Grundsatzabteilung. Er ist seit 1953 im Rechnungshof und liegt im Rang an 9. Stelle.

Dem fachlich unbestrittenen Beamten wird lediglich angekreidet, daß er einen jungen Lochkartenfachmann in den Rechnungshof geholt hat, der mit Sondervertrag eine Ministerialratsentlohnung zugesichert erhielt. Sollte der neue Sek-tionschef diesen Mann nicht in der Grundsatzabteüung belassen und — worüber gemunkelt wird — sich ihn direkt unterstellen, muß Dr. Kohl auf den Widerstand der Beamtenschaft gefaßt sein.

Aus der Sektion II (Kontrolle der Verstaatlichten Industrie) scheidet auf eigenen Wunsch der erst 62jährige Sektionschef abs. jur. Zappe, der dem CV angehört, aus. Sein designierter Nachfolger ist der ebenfalls erst 50jährige Dr. Fuchs, der erstmals auf Sektionsleiterebene das Juristenmonopol durchbricht. Der Doktor der Handelswissenschaften arbeitet seit 1949 im Rechnungshof und leitet seit 1961 eine zentrale Abteilung seiner Sektion. In seinen Aufgabenbereich fällt die Zuständigkeit für die ÖIAG sowie für die Unternehmungen des Erzbaues und des Hüttenwesens, darunter die VÖESt. Er ist der Vertreter des Rechnungshofes im Aufsichtsrat der ÖIAG und dem Parlament aus zahlreichen Hearings kein Unbekannter. Er liegt im Dienstrang an 11. Stelle und überspringt somit zehn Vordermänner, davon zwei in seiner Sektion. Dr. Fuchs gilt als SP-nahe-stehend.

Ebenfalls vorzeitig — mit 64 Jahren — scheidet Sektionschef Dr. Mayer aus der Sektion III (Kontrolle der Bundesländer, Gemeindeverbände und Gemeinden) aus der aktiven Laufbahn. Dr. Mayer bekleidete in Personalunion auch den Posten des Präsidialvorstandes. Als Vorsitzender der ÖCV-Verbandsführung, in der er Sektionschef Chaloupka nachfolgte, besaß er auch außerhalb des Rechnungshofes gehöriges Gewicht. An seine Stelle tritt der 59jährige, an 4. Rangstelle liegende Ministerialrat Dr. Gruber, der dem Rechnungshof seit 1949 angehört. Er leitete die Abteilung für die Kontrolle der Banken und Geldinstitute. Seine Umgebung schildert ihn als verschlossenen Mann einsamer Entscheidungen Man sagt ihm außerordentliche Gründlichkeit nach, die mitunter kleinlich wirkt. Seine national-liberale Haltung läßt sich parteipolitisch schwer profilieren. Jedenfalls werden mit der Generalablöse im Rechnungshof die Weichen für viele Jähre neu gestellt, was in der labiler gewordenen innenpolitischen Situation Österreichs Konsequenzen von noch nicht durchschaubarer Tragweite haben wird.

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