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DR. JÖRG KANDUTSCH BECKMESSER ODER GRALSRITTER?

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Wie die Wellen eines Bebens scheucht in Österreich eine Institution Manager, Beamte und Politiker Jahr für Jahr neuerlich auf; dann nämlich, wenn der österr. Rechnungshof dem Parlament über die Verwaltung des Staates berichtet.

Der Rechnungshof sei wie weiland Beckmesser, der Rezensent der „Meistersinger“, so urteilen jene, die Ziel von Prüfung, Einschau und Bericht sind. Zum Gralsritter der Rechtsstaatlichkeit machen ihn alle jene, die ein Interesse an der Kritik der Verwaltung haben.

Dr. Jörg Kandutsch ist seit dem 22. April 1964 Chef der Behörde in der Wiener Annagasse, in der zuweilen zu später Abendstunde gewerbsmäßige Damen auf Kunden warten und Beatschuppen für heiße Nächte sorgen. Kandutsch ist das (vorläufig) einzige Kind einer kurzen Liaison zwischen SPÖ und den (einstmals verteufelten) Freiheitlichen Österreichs. Denn als der Sozialist Dr. Frenzei 1964 aus dem Amt schied, bot Pittermann der FPÖ den wichtigen Sessel in der Annagasse an. Damals, 1964, war über den Fall Habsburg die kleine Koalition zwischen Rot und Blau (oder Braun?) zum innenpolitischen Menetekel geworden. Als Josef Klaus im März 1964 dann aber doch Chef einer schwarzroten Koalition wurde, kam er nicht umhin, dem Freiheitlichen Kandutsch zum höchsten politischen Posten zu verhelfen, den ein Freiheitlicher bis dato in Österreich ausübt.

Kandutsch, 1920 geboren, fand wie viele der Zwischenkriegsgeneration als Jungmann seinen Weg zu den nationalen Fahnen: 15jährig bei einer schlagenden Mittelschulverbindung, noch vor der Matura zur NSDAP.

1945 stand der Oberleutnant der Gebirgsjäger mit Parteibuch schließlich aber armselig da: Bauarbeiter, Hilfsarbeiter, Laborant.

Wie viele Ex-PG’s wanderte er 1949 zum VDU, wurde Bezirkssekretär in der Steiermark und Landtagsabgeordneter. Daneben studierte er Staatswissenschaften und zog mit Doktorat in den Nationalrat ein; vom VDU ging es geradewegs zur FPÖ, in der Kandutsch zu einer Säule der Fraktion wurde.

Der Leobner Eisenbahnersohn gehört seither zu den umstrittensten Funktionären des öffentlichen Lebens. Mit seinem Ministergehalt steht er zirka 150 Beamten vor, die auf die öffentlichen Unternehmungen und die staatliche Verwaltung losgelassen werden und dort Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit analysieren.

Maria Theresia begründete 1761 in einem Handschreiben die „Hofrechenkammer“. Heute ist der Rechnungshof zwar eine Verwaltungsbehörde, untersteht aber politisch als verlängerter Arm dem Parlament: „Wenn nur eine Fraktion im Parlament den begründeten Wunsch äußert, dieses oder jenes Unternehmen zu prüfen, so hat der Rechnungshof seinem Verfassungsauftrag gemäß diesen Wunsch zu erfüllen“ (Kandutsch).

Früher, in Koalitionszeiten, verteilte sich, die Kritik des Rechnungshofes nach dem „Proporz“ auf SPÖ und ÖVP gleichmäßig. Seit die ÖVP allein regiert, lädt sich ein Teil des Ungewitters auf ihren Kopf ab, manche scharfe Bö bekommen aber jeweils auch die vielen roten Manager in der Verstaatlichten Industrie und in den Ländern zu spüren.

Auch die jüngsten Berichte des Rechnungshofes haben für beide große Parteien nichts Schmeichelhaftes parat; und was die Kritik am Brenner — Autobahnbau — betrifft, sind sich. Tiroler Volksparteiler und Sozialisten wieder einmal einig, daß die Kritik natürlich nicht zutreffe. Bei den Krankenkassen wehrt sich, dann nur die SPÖ, beim Bundesheer die ÖVP …

Aber nicht nur die Parteien fragen sich, ob die Methoden des Rechnungshofes tatsächlich sinnvoll sind: denn die Beamten, die Kandutsch an der Seite hat, sind zum Teil nur mangelhaft qualifiziert, Wirtschaftsgiganten zu durchleuchten. So fallen ihnen manchmal zwar überhöhte Benzinkosten für Direktionswagen, nicht aber Millionenverluste bei Fehlinvestitionen auf. Dazu kommt ein grundsätzlicher Einwand: bei vielen bundeseigenen Unternehmen handelt es sich um privatwirtschaftliche Organisationsformen. In einer AG. oder G. m. b. H. aber prüfen sowieso schon Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer. Der Rechnungshof lähme durch Beckmesserei aber sehr stark Privatwirtschaftsinitiative und Eigenverantwortlichkeit. So sagt etwa Univ.-Professor Dr. Nußbaumer, daß der Stein des Weisen noch nicht gefunden ist: „Soll die öffentliche Unternehmung im Wettbewerb bestehen können, so muß eine Verbindung zwischen möglichst großer Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit der Unternehmenleitung und ihrer wirksamen Kontrolle durch den Staat gefunden werden.“

Kandutsch sollte, meinen daher seine Kritiker, zuerst wirklich garantieren, daß sein Amt auch wirklich zweckmäßig arbeitet und mehr Nutzen als Schaden stiftet. Und schließlich solle Kandutsch zuerst einmal die lecken Stellen des Rechnungshofes dichten, aus denen den Parteien und der Presse Ergebnisse von Prüfungen bekannt werden, noch bevor auch nur ein Parlamentarier die Berichte zu sehen bekommt…

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