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Rechnungshof und Unternehmer

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Die laufende Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes ist aus seiner öffentlichen Berichterstattung hinreichend bekannt. Im folgenden sollen Grenzprobleme erörtert werden, die bisher schwierig oder gar nicht lösbar waren, deren Bedeutung für das Prüfungsergebnis jedoch als wesentlich anzusehen ist.

Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit — dem Rechnungshof gesetzlich vorgegebene Prüfungskriterien — hängen selbst begriffsinhaltlich von Zielsetzungen ab. Dies ergibt sich aus dem ökonomischen Prinzip („ … ein gegebenes Ziel mit geringstem Aufwand zu erreichen…”), wie aucth aus der sprachlichen Wurzel des Begriffes Zweckmäßigkeit. Der Zweck erwerbswirtschaftlicher Unternehmungen ist satzungsmäßig festgelegt, das Ziel wirtschaftlicher Gebarung ergibt sich aus dem Untemehmungscharakter.

Genaue Definitionen fehlen

Sieht man von bestimmten Sonderfällen ab, in denen Aufgaben verstaatlichter Unternehmungen gesetzlich festgelegt sind (Energiewirtschaft), so fehlen genaue Definitionen der nicht oder nicht ausschließlich erwerbswirt- echaftlich orientierten Zielsetzungen. Es besteht kein Zweifel, daß besagter Mangel den Rechnungshof nicht der Pflicht enthebt, sie bei seinen Prüfungshandlungen mit zu berücksichtigen, schon weil er als Organ des Nationalrates dessen Wünsche zu respektieren und als Maßstab anzulegen hat.

Diese Wünsche wurden aber bisher selten in Gesetzen oder Entschließungen direkt kundgetan; vielmehr können und müssen sie aus der vom Parlament gebilligten faktischen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung (bei den Ländern oder Gemeinden gehörigen Unternehmungen der entsprechenden Gremien) abgeleitet werden. Schließt schon diese indirekte Methode Auffassungsunterschiede nicht aus, können Meinungsverschiedenheiten auch darüber entstehen, in welchem Maße eine Vorstandsentscheidung solchen übergeordneten Zielsetzungen noch entspricht, ob sie — bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung — mit den rechtlich begründeten Un- temehmungsinteressen in Einklang zu bringen ist, und in welchem Grade der einen oder anderen Einflußkomponente der Vorrang zu geben war. Dies mündet zwangsläufig auch in eine Fragestellung nach den staats- (landės-, gemeinde-,) politischen, volkswirtschaftlichen, gemeinwirtschaftlichen oder sonstigen Aufgaben der Unternehmung.

Daß solche Auflagen gegeben sind, darf als bekannt vorausgesetzt werden und wurde auch fernab politischer Wertung wissenschaftlich festgestellt. Dem wohnt auch insofeme eine Logik inne, als der Gesetzgeber die Verstaatlichung nicht in erster Linie deshalb beschlossen hat, weil er eine höhere Rendite erwartete. Die maßgeblichen Ziele — staatspolitische, volkswirtschaftliche, infrastrukturelle, soziale usw. — sollten allerdings unter weitestgehender Beachtung erwerbs wirtschaftlicher Grundsätze angestrebt werden.

Die Gesamtnutzenwirkung der Erfüllung solcher überbetrieblicher Aufgaben entzieht sich nun weitgehend einer rechenhaften Darstellung; der Rechnungshof verfügte auch weder über die sachlich-organisatorischen noch die personellen Möglichkeiten für diesbezüglich anzustellende Untersuchungen. Überdies sind besagte außerbetriebliche Ziele durch wirtschaftliche oder politische Entwicklungen einem gewissen Wandel unterworfen und können bedauerlicherweise nicht aus der Tagespolitik herausgehalten werden.

Mit dieser grundsätzlichen Schwierigkeit eines weitgehenden Fehlens genauer und stabiler Maßstäbe für seine Prüfung, hat sich der Rechnungshof seit Jahren auseinanderzusetzen. Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, daß eine Beurteilung ausschließlich nach Gewinn oder Kapitalrendite weder wirtschaftlich gerecht wäre noch den Wünschen der gesetzgebenden Körperschaften entsprechen würde. So versucht der Rechnungshof die Ursachen solcher erfolgsbeeinflussender Entscheidungen, die auf andere als betriebswirtschaftliche Gründe zurückgehen, mit zu erfassen und darzustellen, sowie nach Tunlichkeit auch deren Auswirkungen aufzuzeigen.

Eine vielleicht noch schwieriger gültig zu behandelnde Problemstellung ergibt sich bei betriebswirtschaftlich richtigem Verhalten der Unternehmungsleitung unter nachteiligen Folgen auf volkswirtschaftlicher, vielleicht auch staatspolitischer Ebene, Gewiß besteht für verstaatlichte Unternehmungen eine starke Verpflichtung zu „volkswirtschaftlichem Wohlverhalten”, aber ist dieses nicht schon in dem Streben nach bestmöglichem Geschäftserfolg eingeschlossen, und kann einem Vorstand optimale Wahrung kaufmännischer Chancen zum Vorwurf gemacht werden?

Hiezu gehört etwa auch, daß die — betriebswirtschaftlich richtigen — fallweise unter Preisopfern getätigten Exporte die Deviseneingänge in einer Zeit erhöhen, da vom Zahlungsbilanzübenschuß inflationäre Impulse ausgehen. Vorteile und Nachteile für den •aat können im Wirkungsbereich des Rechnungshofes kaum zahlenmäßig darge- stellt und abgewogen werden.

Schwierige Personalfragen

Welche Anforderungen die Erfüllung solcher Aufgaben hinsichtlich theoretischer Ausbildung, Berufspraxis, wirtschaftlichem Einfühlungsvermögens und allgemeinem Überblick an die mit Prüfungsarbeiten betrauten Beamten stellt, ist unschwer zu erkennen. Dazu kommt, daß einem guten Prüfer eine Vielzahl besonderer Begabungen zu eigen sein sollte, von denen nur Beobachtungsgabe, Gedächtnis, Kombinations- und Abstraktionsvermögen hervorgehoben seien. Wenn es bisher noch gelungen ist, den Personalbedarf des Rechnungshofes qualitativ (nicht aber quantitativ) ausreichend zu decken, ist dies in erster Linie der in vergangenen Jahren noch wirksamen Anziehungskraft des Beamtenstandes im allgemeinen und der obersten Kontroll- behörde im besonderen zu danken. Beide sind geschwunden, es wird angesichts der eine negative Auslese geradezu provozierenden Besöldungsverhältnisse immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu ‘ gewinnen. Auch wenn man diese Frage nicht aus amerikanischer Sicht betrachtet ( ein 7000-Schilling-

Mann prüft einen 50.000-Schilling-Mann…”), tritt die bestehende Problematik zutage. Das für Rechnungshofbeamte geltende Verbot einer Betätigung in auf Gewinn gerichteten Unternehmungen verschärft diese noch. So liegen die Verdienstmöglichkeiten beim Rechnungshof erheblich unter jenen in der Wirtschaft, was zum Rücktritt geeigneter Postenbewerber geführt hat. In letzter Zeit mehren sich auch die Fälle, in denen der Rechnungshof gegenüber Bundesdienststellen den Kürzeren zieht, was wohl zu Schlüssen auf Unterschiede hinsichtlich der Einkommen oder der — beim Rechnungshof gelegentlich harten — Arbeitsbedingungen berechtigt. Allen zuständigen Stellen, darüber hinaus allen einflußreichen Persönlichkeiten der für den Rechnungshof maßgeblichen Kreise ist das Problem bekannt; es fehlt nicht an Einsicht und Unterstützung, doch konnte bisher noch kein erfolgversprechender Ausweg gefunden werden.

Angesichts des großen Interesses, das die Arbeit des Rechnungshofes, insbesondere seine Prüfung wirtschaftlicher Unternehmungen, stets in der Öffentlichkeit gefunden hat, und im Vertrauen auf die mehrfache parlamentarische Würdigung seiner Leistungen auf diesem Gebiet erscheint die Hoffnung wohl berechtigt, daß eine Lösung dieses Problems ermöglicht wird, ehe ernste Folgen ein- treten und zum Nachteil des Staates wirken.

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