Die ersten Schritte zu einer Ideenfabrik

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Ein Bericht des Rechnungshofes stellt den Technischen Universitäten Wien und Graz ein schlechtes Zeugnis über die Verwertung von Forschungsresultaten aus. Das ist ein Urteil, das der Sache nicht gerecht wird. Doch vor dem Hintergrund bildungspolitischer Weichenstellungen erfüllt der Bericht einen positiven Zweck.

Die Hörsäle sind leer, die Bibliotheken gehören den Büchern. Ungebremst von wissbegierigen Kommilitonen zieht warme Luft durch die entvölkerten Gänge der heimischen Almae Matres. Just in dieses – auch akademische – Sommerloch platzierte der Rechnungshof vorvergangene Woche die Veröffentlichung seines Prüfberichtes über die Verwertung von Forschungsergebnissen an den beiden Technischen Universitäten in Wien und Graz. Auf eine griffige Formel gebracht, lautet die unangenehme Botschaft: Da besteht noch jede Menge Verbesserungsbedarf. Österreichs Medien griffen den Happen dankbar auf und titelten mit „Schwächen“ und „Millionenverlusten“. Deutlich weniger erfreut zeigen sich demgegenüber die Adressaten der Kritik.

Neue Abteilung für Verwertung

Seit Anfang 2004 ist das Universitätsgesetz 2002 in Kraft. Mit dem Kodex erhielten die heimischen Hochschulen Autonomie und Vollrechtsfähigkeit. Gleichzeitig erlegt es ihnen auch die implizite Verpflichtung auf, sich künftig um die wirtschaftliche Verwertung der Erfindungen und Entwicklungen ihres Forschungspersonals zu kümmern.

Wissenschaftliche Mitarbeiter sind demnach zur Meldung von Erfindungen an das Rektorat verpflichtet. Dieses hat danach drei Monate Zeit, die Erfindung aufzugreifen und konkrete Aktivitäten zur Verwertung einzuleiten. Werden diese Schritte nicht gesetzt, verbleiben die Rechte beim Forscher.

Erster Schritt der Verwertung ist stets die Patentierung, anschließend werden Partner aus der Wirtschaft gesucht. Typische Vertragsszenarien sind eine Lizenzierung oder der Verkauf des Schutzrechtes.

Mit der Umsetzung dieser Aufgaben wurden an den Universitäten neu geschaffene Abteilungen für Technologieverwertung betraut. Zwei von ihnen, jene der TU Graz und der TU Wien, nahm der Rechnungshof unter dem Gesichtspunkt des „wirtschaftlichen Erfolgs“ unter die Lupe. Dabei ortete das Team der Prüfbeamten nicht nur „unzureichende strategische Zielsetzungen sowie Schwächen bei der Abwicklung der Verwertungsprozesse von geistigen Eigentumsrechten“. Zusätzlich quantifizierte es daraus entstandene Verluste zwischen 2004 und 2008 auf zwei Millionen (Wien) beziehungsweise 1,24 Millionen Euro (Graz). Diese Summen mussten aus Fördermitteln des Patent-Förderprogramms uni:invent gedeckt werden.

Die Prüfung setzte vor Erträgen an

„Mit dieser Behauptung interpretiert der Rechnungshof öffentliche Fördermittel als Summen zur Kompensation von Verlusten“, moniert der Rektor der TU Graz, Hans Sünkel, die semantische Eigenmächtigkeit. „Ohne dieses Geld hätten wir eben drei Leute weniger angestellt, punktum.“ Thomas Bereuter, Leiter der Technologieverwertung an der TU Graz, merkt zusätzlich an, dass die Prüfung – wiewohl erst jetzt veröffentlicht – bereits vor mehr als einem Jahr stattgefunden hat. Damit liefert der Bericht lediglich eine historische Momentaufnahme. Die meisten der Empfehlungen des Rechnungshofes seien in der Zwischenzeit bereits umgesetzt worden. So etwa der Aufbau einer Datenbank, in der sämtliche Erfindungsmeldungen erfasst sind. Oder eine exakte Finanzplanung, die mögliche Erträge berücksichtigt. „Zum jetzigen Zeitpunkt würde die Prüfung ganz anders ausfallen“, so Bereuter. Er betont, der Aufbau seiner Abteilung zu einer sich selbst tragenden Organisationseinheit sei ein mehrjähriges Projekt.

Die Idee, dass Unis mit der Verwertung ihrer Erfindungen finanziellen Mehrwert lukrieren können, trägt prima facie zwar eine gewisse Plausibilität in sich. Wo sonst, wenn nicht an den Zentren geistigen Schaffens, sollten Keimzellen für profitable High-Tech-Produkte zu finden sein? Übersehen darf man dabei allerdings nicht, dass nur ein kleiner Teil der gemeldeten Diensterfindungen das Potenzial in sich birgt, auf dem freien Markt zu reüssieren. Und wiederum nur ein Prozentsatz von diesen spielt vielleicht eines Tages das große Geld ein. Die Cashcows rechtzeitig zu erkennen und zu filtern, setzt eine kritische Größe voraus, sowohl seitens der entsprechenden Verwertungsabteilungen als auch hinsichtlich der Anzahl von Erfindungen. Bereuter schätzt, dass es mindestens sieben bis zehn Jahre dauert, ehe ein relevanter Rückfluss von Investitionen in Personal, Patentanwälte und Schutzrechtskosten zu erwarten sei. Zieht man diese Überlegungen ins Kalkül, dann ist die Kritik des Rechnungshofes zwar nicht inhaltlich falsch, kommt aber deutlich verfrüht. Warum man den Geprüften nicht ein wenig mehr Schonfrist gegönnt hat, konnte seitens des Rechnungshofes nicht schlüssig beantwortet werden.

Grundlegender repliziert Peter Skalicky, Rektor der TU Wien, auf den Bericht. Für ihn ist es ein grundsätzliches Missverständnis, Universitäten nach wirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen. Die Analyse des Rechnungshofes sei in der Sache zwar richtig. Universitäre Erfindungsverwertung stellt derzeit noch kein gutes Geschäft dar. „Aber was veranlasst den Rechnungshof zu glauben, das könnte ein gutes Geschäft sein?“, fragt er zurück. Den Nutzen der Erfindungsverwertung sieht er vielmehr in einer Umwegrentabilität gegeben.

Eine Universität, die patentierbare Entwicklungen generiert, präsentiert sich durch diese als potenter Partner für Kooperationen mit der Wirtschaft, erläutert Skalicky. Das schärft das eigene Profil, steigert die Qualität von Forschung und Lehre und macht den Standort attraktiv. Naturgemäß sind das schwer bis gar nicht in betriebswirtschaftlich üblichem Detailgrad erfassbare Parameter. Ein Umstand, dem der Rechnungshof in seinem Bericht keine Beachtung schenkt. Dass die Aktivitäten um die Erfindungsverwertung ein Zuschussgeschäft darstellen, lässt Skalicky nicht als Kritik gelten: „Als Non-Profit-Organisationen sind Universitäten ja per definitionem ein Zuschussgeschäft.“

Sorge um Programm uni:invent

Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kommt deshalb die Ankündigung aus dem Wissenschaftsministerium, das Patentförderprogramm uni:invent demnächst einzustellen. Abgewickelt durch das Austria Wirtschaftsservice (aws) glänzte es zwar niemals durch schlanke, unbürokratische Strukturen. Doch ermöglichte es bislang den Aufbau der Verwertungsabteilungen.

An den Supergau des totalen Wegfalls der Förderung wollen die betroffenen Unis gar nicht denken. Bevorzugtes Szenario ist hingegen, die Technologieverwertung in die Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium aufzunehmen – übrigens ebenfalls eine Empfehlung des Rechnungshofes.

Die Positionen der Universitäten

Betrachtet man den aktuellen Prüfbericht vor diesem Hintergrund bildungspolitischer Weichenstellungen, erfüllt er durchaus einen positiven Zweck. Er ist dann nämlich geeignet, den Blick auf einen sensiblen Katalog an Fragen zu richten, der im Zusammenhang mit dem österreichischen Universitätswesen gestellt werden darf und soll: Wo sind die Universitäten zwischen reinen Bildungseinrichtungen und Unternehmen positioniert? Sind Akademien nach klassischem Verständnis als Stätten der Forschung und Lehre zu betrachten? Oder als Ideenkonzerne unternehmerischer Prägung?

Die Diskussion zu diesen Themen und Aspekten hat auf der politischen Ebene bislang das Niveau apodiktischer Statements auf der einen und vager Formulierungen in Positionspapieren auf der anderen Seite noch nicht verlassen. Man wird aber nicht umhinkommen, sie bald zu führen und die Fragen zu beantworten.

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