Plagiatsproblem - © Foto: iStock/wakila (Fotomontage: Rainer Messerklinger)

Affäre Aschbacher: Doktorhut im Ausverkauf

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Wissenschaftlicher Betrug ist kein Kavaliersdelikt. Er vergiftet das akademische Leben und unterminiert die Grundlagen der Gesellschaft. Überlegungen zur Causa Aschbacher.

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Wissenschaftlicher Betrug ist kein Kavaliersdelikt. Er vergiftet das akademische Leben und unterminiert die Grundlagen der Gesellschaft. Überlegungen zur Causa Aschbacher.

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Effizienz zählt zu den obersten Geboten unserer Zeit – auch im Hochschulbetrieb. Doch es gibt Menschen, die wie aus der Zeit gefallen erscheinen: Der Autor dieses Beitrags kennt einen davon persönlich. Die besagte Person arbeitet als Psychotherapeut und verfolgte neben dieser Vollzeittätigkeit ein Doktorat, das sich über 19 Jahre(!) erstreckte. Die lange Studienzeit, früher oft ein Merkmal unseriöser „Bummelstudenten“, war hier der Zeitknappheit und den hohen persönlichen Ansprüchen geschuldet. Das ambitionierte Projekt an einer österreichischen Privatuniversität wurde in den Ferien und an den Wochenenden verfasst, sowie in den Nachtstunden nach einem langen Arbeitstag. Dieser außergewöhnliche Einsatz für eine Dissertation ist nur dadurch zu erklären, dass es sich um so etwas wie ein „Lebensthema“, ein „Herzensprojekt“ handelte. Und der besagte Psychotherapeut erforschte Zusammenhänge, die sonst noch niemand sichtbar gemacht hatte. Umso schwieriger war der methodische Zugang, der erst im zweiten Anlauf richtig funktionierte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: eine ausgefeilte Arbeit, die völlig neue Horizonte eröffnet – und darauf wartet, von der globalen Fachwelt entdeckt zu werden.

„Kauderwelsch-Dissertation“

Auch Christine Aschbacher war Vollzeit berufstätig, als sie ihre Dissertation an der Technischen Universität Bratislava absolvierte. Acht Jahre hat das gedauert; das Vorgehen war zweifellos effizienter. Als sie die Arbeit im Mai 2020 – mitten in der Coronakrise – an der Technischen Universität Bratislava einreichte und im August zur Abschlussprüfung antrat, war sie die österreichische Arbeits- und Familien­ministerin (ÖVP). Und auch ihre Arbeit wartete darauf, entdeckt zu werden: Die Doktorarbeit basiert nicht nur auf massiven Plagiaten, also übernommenen, aber nicht ausgewiesenen Passagen aus anderen Arbeiten, sondern missachtet generell die Regeln der deutschen Sprache und glänzt mit sinnfreien Aussagen, wie man sie in einer akademischen Arbeit niemals vermutet hätte. In seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“ spricht Plagiatsprüfer Stefan Weber von einer „weltweit einmaligen Kauderwelsch-Dissertation“. Ähnlich verfasst ist Aschbachers Diplomarbeit, die 2006 an der Fachhochschule (FH) Wiener Neustadt eingereicht wurde. Aber auch Fachartikel, an denen Asch­bacher als Autorin beteiligt war, weisen zu wesentlichen Teilen „plagiatsinfizierte“ Passagen auf, wie Weber berichtete. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe ist die Ministerin am 11. Jänner rasch zurückgetreten; die Verfahren zur Prüfung des Sachverhalts sind derzeit im Laufen. Etliche Fragen stehen nun im Raum.

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