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Gesellschaftspolitik dezent verpackt

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„Bittu selbständig? Muttu zu Fuß gehen.” Dieser Häschenwitz kursiert bereits seit längerer Zeit unter den verärgerten Gewerbetreibenden, seit des ideenreichen Hannes neueste Steuerpointen bekannt wurden: Abschaffung bzw. Reduktion der

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„Bittu selbständig? Muttu zu Fuß gehen.” Dieser Häschenwitz kursiert bereits seit längerer Zeit unter den verärgerten Gewerbetreibenden, seit des ideenreichen Hannes neueste Steuerpointen bekannt wurden: Abschaffung bzw. Reduktion der

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Abschreibungsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge; Limitierung der Steuerbegünstigungen bei der Bildung von Pensionsrückstellungen und Abfertigungsrücklagen; Restriktion der steuerlichen Erleichterungen im Strukturverbesserungsgesetz.

Die Raffinesse der neuen Maßnahmen ist, daß sie Zwecken dienen sollen - und zwar gleich mehreren auf einmal deren Notwendigkeit niemand negieren kann, so daß jede Ablehnung sofort als „sterile Obstruktion” disqualifiziert erscheint:

• Das Budgetdefizit soll reduziert werden.

• Das Steuersystem soll durch Abschaffung von Sonderbestimmungen vereinfacht werden.

• Die Mineralöl-und Kfz-Importe sollen auf diese Weise eingeschränkt und das Außenhandelspassivum verringert werden.

• Die Verkehrslawine soll gebremst werden.

Zweifellos liegen die neuen Maßnahmen tendenziell tatsächlich richtig. Was sie trotzdem problematisch macht, ist das Wie ihrer Durchführung, ihre Dosierung und ihr fragmentarischer Charakter, das Fehlen der unerläßlichen kompensatorischen Maßnahmen.

Als Beitrag zur Budgetsanierung sind sie irrelevant, sie dienen allenfalls als Alibi. Zu punktuellen Steuererhöhungen und -abgaben soll nunmehr offenbar auch die Reduktion von Steuererleichterungen kommen, um weiterhin noch einige Zeit die Fiktion aufrechtzuerhalten, man könne das Budget von der Einnahmenseite her sanieren, obwohl allen Experten klar ist, daß dies angesichts des nunmehr erreichten Ausmaßes der Defizite - selbst im unwahrscheinlichen Fall einer spektakulären Konjunkturbesserung - nur durch drastische Reduktion der Ausgaben möglich sein wird.

Als Komponenten einer generellen Steuerreform wären die geplanten Maßnahmen sicherlich diskutabel, isoliert sind sie mehr als problematisch. Die unzähligen Sonderbestimmungen sind ja die zwangsläufige Konsequenz aus den überhöhten Steuersätzen, welche ohne derartige Ausnahmeregelung jede wirtschaftliche Aktivität - auch in der verstaatlichten Industrie - paralysieren würden. Man kann sie daher vernünftigerweise nicht ohne

Milderung der gesamten Steuerprogression beseitigen - aber davon ist nicht die Rede.

Ein typisches Beispiel sind Pensionsrückstellungen und Abfertigungsrücklagen, welche aus den normalen Rücklagen oder gar aus dem versteuerten Gewinn nicht zu decken sind - nicht zuletzt infolge der hohen Steuerlasten. Restriktionen auf diesem Gebiet können sehr leicht entweder die erworbenen Ansprüche der Arbeitnehmer oder aber die Liquidität der Firmen in Frage stellen. Die Unternehmen werden daher in Zukunft mit freiwilligen Pensionszusagen sicherlich zurückhaltender als bisher operieren.

Möglicherweise ist aber gerade dies beabsichtigt: Die Gewerkschaften nehmen zu den freiwilligen Sozialleistungen der Betriebe bereits seit langem eine ambivalente Haltung ein, ist ihnen doch alles, was nicht staatlich geregelt oder kollektivvertraglich „erkämpft” und von den Gewerkschaften direkt kontrolliert ist, suspekt. Darüber hinaus,liegt es auf der Linie der Regierung, einerseits die Kapitalbildungsmöglichkeiten in den Unternehmen selbst zu reduzieren, anderseits dann mit staatlichen Kapitalbeteiligungen einzuspringen und auf diese Weise den direkten Einfluß auf die Wirtschaft noch zu intensivieren.

Statt Budget und Steuersystem zu sanieren, werden hier unter neuem Prätext weitere gesellschaftspolitische Initiativen gesetzt - ohne Rücksicht auf die hohen Kosten, welche die diesbezügliche Aktivität der Regierung schon bisher der Bevölkerung aufgebürdet hat.

180-Grad-Wendung-

Symptomatisch sind auch die steuerlichen Maßnahmen auf dem Kfz- Sektor: Zunächst wollte Androsch das Kfz-Pauschale für die Unselbständigen stornieren, für die Selbständigen hingegen nur die vorzeitige Abschreibung bei Kombis beseitigen - Maßnahmen, welche zugegebenermaßen sozial „asymmetrisch” waren.

Auf Grund des Protestes der Gewerkschaften drehte sich der Finanzminister um 180 Grad: Vom Kfz-Pauschale ist nicht mehr die Rede, dafür sollen in Zukunft für Selbständige die

Anschaffüngskosten von Pkw und Kombis überhaupt nicht mehr absetzbar sein, während für Lkw die vorzeitige Abschreibung halbiert wird und die Aufwendung für Miet- und Arbeitnehmerwagen nur mehr zur Hälfte absetzbar sein sollen.

Soziale Asymmetrie

Es entsteht dadurch abermals eine soziale Asymmetrie, lediglich nunmehr in die umgekehrte Richtung. Da aber das Gros der Pkw heutzutage längst den Arbeitnehmern gehört, kann eine fiskal- und verkehrspolitische objektive Maßnahme nicht ohne deren Einbeziehung gesetzt werden. Propagandistisch hat Androsch natürlich den G roßunternehmer mit seinem BMW oder Mercedes im Visier. Am meisten getroffen sind aber die kleinen Kaufleute oder Gewerbetreibenden bzw. die Freiberufler, die alle ihre Pkw tatsächlich der Hauptsache nach beruflich benützen. Sicherlich, dessen Nichtabschreibbarkeit bedroht nicht ihre Existenz, reduziert aber ihren oft jetzt schon relativ unzulänglichen Lebensstandard neuerdings und forciert den Trend zur Unselbständigkeit. Aber wahrscheinlich ist auch dieser Effekt beabsichtigt - als ein Stück

dezent verpackter Gesellschaftspolitik.

Auseinandersetzungen zwischen dem Rechnungshof und den von ihm kontrollierten Gebietskörperschaften bzw. Unternehmungen sind in den letzten Jahren gewissermaßen in Mode gekommen. So war auch die Enthüllung der überbordenden Repräsentationsausgaben einzelner Bundesminister durch den Rechnungshof Anlaß zur Erörterung grundsätzlicher Fragen: Wieweit kann und darf der Rechnungshof die vielen Tausend Geldtaschen, Handkassen, Tresore und vor allem Konten sowie finanzielle Beteiligungen in den weiten Gefilden des Verwaltungsstaates Österreich kontrollieren? Wo gibt es ungerechte Unterscheidungen in der Kontrollbefugnis des Rechnungshofes, wie können sie beseitigt werden?

Was die sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen in der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes (insbesondere zwischen Unternehmungen des Bundes und solcher der Länder oder Gemeinden) betrifft, haben kurz vor der parlamentarischen Sommerpause die beiden Klubchefs Heinz Fischer (SPÖ) und Friedrich Peter (FPÖ) einen gemeinsamen Antrag eingebracht, der auch der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre Rechnung tragen soll. Jene Unternehmungen etwa der Gemeinde Wien, die sich recht erfolgreich durch vielfache Verschachtelungen der Rechnungshof-Kontrolle derzeit entziehen, sollen in Hinkunft auch überprüft werden können.

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