6867296-1978_08_18.jpg

Gefräßiger Fetisch Automobil

19451960198020002020

Über notwendige Einsparungen beim Automobilverkehr.

19451960198020002020

Über notwendige Einsparungen beim Automobilverkehr.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Österreicher hören es nicht gern, und die Politiker reden deshalb nicht gern davon, aber: Energiesparen muß auch und ganz besonders die Motorisierung erfassen, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Die Importabhängigkeit ist speziell bei Erdöl außerordentlich groß, und das Inlandsaufkommen - bereits bisher bei weitem nicht bedarfsdeckend - geht konstant zurück, wird bis 1985 um 25 bis 30 Prozent geringer als gegenwärtig sein.
  • Eine Substitution von Erdöl durch andere - reichlicher vorhandene -Energiesorten ist nach dem gegenwärtigen Stand der Technik praktisch unmöglich.
  • Die Energieverluste - derzeit noch überall enorm - sind im Verkehr besonders hoch. Während diese in der Industrie - welche den günstigsten Nutzungsgrad aufweist - immerhin „nur“ zirka 45 Prozent der eingesetzten Energiemenge ausmachen, betragen sie bei Verbrennungsmotoren seit Jahren konstant 80 Prozent.
  • Zu den konstruktionstechnischen kommen noch die verkehrstechnischen Verluste, welche mit steigender Motorisierung progressiv zunehmen. Tests haben ergeben, daß der Benzinverbrauch eines Mittelwagens auf 100 Kilometer auf manchen Wiener Straßen in den Stoßzeiten infolge der Verkehrsstauungen 80 Liter und mehr ausmacht. Je dichter der Verkehr, um so größer die Benzinverschwendung.
  • Der einzelne fährt - sowohl privat als auch beruflich - zu viel, und er hat zumeist einen für seinen echten Bedarf viel zu großen Wagen.

Die Motorisierung nimmt aber immer weiter zu und mit ihr die Energieverschwendung. So unsympathisch uns das auch sein mag, wir werden um Restriktionsmaßnahmen nicht herumkommen - allerdings sollten diese auch zielführend sein, was bei den bisherigen österreichischen „Modellen“ nicht der Fall ist. Diese sind das, was die Systemanalytiker als „systemimmanent“ bezeichnen, das heißt, es wird an den Symptomen herumgedoktert, was entweder wirkungslos ist oder sogar die falschen Tendenzen noch verstärkt

Ein Musterbeispiel dafür ist das „Androsch-Modell“ zum Energiesparen, welches auf „mehr zahlen“ - nämlich auf die Streichung von diversen Steuerbegünstigungen für Kraftfahrzeuge und auf die Einhebung der Luxussteuer auf Neuwagen mit 1. Jänner dieses Jahres - hinausläuft und pünktlich den konträren Effekt zeitigte: Statt Eindämmung des Wagenkaufs eine wahre Kaufflut gegen Ende des Vorjahres, welche auch durch einen gewissen Verkaufsrückgang in diesem Jahr nicht mehr kompensiert werden wird - es sei denn, die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtern sich rasant. Aber diese Art der Motorisierungsrestriktion wünschen wir uns alle ganz sicher nicht.

Zweifellos werden sich steuerliche Maßnahmen nicht vermeiden lassen, aber sie müssen sachorientiert sein und nicht fiskal-, währungs- und gesellschaftspolitisch. Streichung von Steuerbegünstigungen für Kfz ist sicherlich richtig, beim gegenwärtigen Stand der Motorisierung darf nicht auch noch die Steuer Impulse erteilen.

Aber man darf nicht ausgerechnet Berufsgruppen treffen, die ihren Pkw tatsächlich vorwiegend beruflich -noch dazu im Interesse der Allgemeinheit - verwenden wie beispielsweise praktische Ärzte.

Statt jedoch gezielte Ausnahmen zu machen, wird das Prinzip generell auf die falsche Manier durchlöchert - durch die absurde Fiktion des „fiska-len Pkw“.

Nicht abgeschafft wurde hingegen der den Unselbständigen generell gewährte Absetzbetrag für Kfz, welcher die Kfz-Besitzer gegenüber den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel privilegiert, was in der gegenwärtigen Situation als total verkehrt angesehen werden muß. Eine Steuerbegünstigung für den Nichtbesitz eines Kfz wäre heutzutage situationskonformer, wenn man schon derartige Maßnahmen ergreift.

Richtig wäre es hingegen, benzin-fressende Luxuswagen generell von Steuerbegünstigungen auszuschließen - ausgenommen beispielsweise Geländefahrzeuge für diejenigen, welche diese nachweislich beruflich benötigen. Wer aus Prestigegründen einen Benzinfresser anschafft, soll dies gefälligst aus der eigenen Tasche finanzieren - ein Prinzip, welchem allerdings auch die öffentliche Hand in ihrem Bereich entsprechen sollte.

Das gleiche Prinzip könnte auch beim Kilometergeld angewendet werden, welches vereinheitlicht statt nach Hubraum gestaffelt werden könnte -wobei für Beamte die gleichen Konditionen wie für Privatangestellte zu gelten hätten.

  • Wenn schon Luxussteuer auf Neuwagen, dann energiepolitisch richtig - nämlich beschränkt auf Benzinfresser.

Neben dem Androsch-Modell existiert noch das Staribacher-Modell, welches auf Reglementieren hinausläuft - nämlich auf die Einführung eines autofreien Tages - oder in Zukunft vielleicht sogar mehrerer Tage - pro Woche, wie wir das bereits kurzfristig zur Zeit der Erdölkrise kennenlernten.

Derartige Maßnahmen können zwar kurzfristig gewisse Einsparungen bringen, sind aber langfristig ineffektiv, da sie nach einer Übergangs Periode nur zur Umschichtung des Verkehrsaufkommens führen.

Darüber hinaus sind sie besonders unsozial, weil sie die Besitzer von Zweitwagen begünstigen, sie sind auch handelspolitisch falsch, weil sie den Zweitwagenkauf ankurbeln. Symptomkuren haben eben immer bloß den gegenteiligen Effekt. Die Experten müssen sich da schon etwas Besseres einfallen lassen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung