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Es geht um mehr Kontrolle

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Mit dem Einlangen des von Rechnungshofpräsident Jörg Kandutsch verfaßten Rücktrittsschreibens im Nationalrat werden Entscheidungen der parlamentarischen Fraktionen unaufschiebbar. Seit Bekanntwerden der Rücktrittsabsichten des derzeitigen Rechnungshofpräsidenten schwelt ja vor allem zwischen den beiden großen Parteien eine lebhafte Auseinandersetzung, die weit über die bloße Nachfolgefrage für das Amt des Präsidenten hinausgeht.

Wenn auch die Einbeziehung des Vizepräsidenten in diese Kontroverse durch die Regierungspartei eine entscheidende Rolle gespielt hat, ist erfreulicherweise die Debatte über die - im allgemeinen stets peinlich wirkenden -Personalfragen in eine Phase gelangt, die durchaus Anlaß zu einer großen Lösung für den Rechnungshof bieten könnte.

Dem wohlgesinnten Staatsbürger zeigt sich hier bei aufmerksamer Beobachtung, daß Demokratie tatsächlich Diskussion ist, die nicht einfach als Parteiengezänk diskreditiert werden sollte. Daß hinter den meisten der vorgebrachten Argumente auch handfeste Machtinteressen stehen, tut der Sache nicht von vornherein einen Abbruch.

Was sind nun die wichtigsten Anregungen der bisherigen Diskussion? Zunächst hat die von der SPÖ willkürlich herbeigeführte Verknüpfung des Ersatzes des rücktrittswilligen Rechnungshofpräsidenten Kandutsch mit jenem des amtsfreudigen Vizepräsidenten Josef Marschall Anlaß zu einer Art Gewissenserforschung darüber geboten, wie unbefriedigend die Stellung des letzteren eigentlich ist.

Er wurde sozusagen als „Aufpasser” in den Rechnungshof entsandt, ohne daß sich die Parteien die Mühe gemacht hätten, ihm Kompetenzen und Aufgaben zuzuweisen. So heißt es im Artikel 124 der Bundesverfassung: „Der Präsident des Rechnungshofes wird im Falle seiner Verhinderung vom Vizepräsidenten und, wenn auch dieser verhindert ist, von dem rangältesten Beamten des Rechnungshofes vertreten ...” Fürwahr keine Formulierung, die einem politischen Vizepräsidenten besonderes Glücksgefühl verleihen kann.

Beobachter der Szenerie, die ebenso informiert wie zynisch sind, meinten denn auch schon vor Jahren, als im Wahlkampf die Indiskretion über den Bundesrechnungsabschluß 1974 eine zwar laute, aber - wie sich nachher herausstellte - wenig entscheidende Rolle spielte, daß der Vizepräsident des Rechnungshofes ohnedies für nichts anderes gut sei, als Indiskretionen zu „kanalisieren”.

Seine bzw. der großen Oppositionspartei staatspolitische Verantwortung hätten sich darin erwiesen, daß „nur” jene Dinge vorzeitig an die Öffentlichkeit gebracht wurden, bei denen man dem Rechnungshof und insbesondere dessen Präsidenten gewissermaßen den Rückzug abschneiden wollte. Seit dem Bekanntwerden eines Rohentwurfes des Kontrollamtsberichtes der Stadt Wien hat diese Schau der Dinge allerdings einiges an Plausibilität eingebüßt.

Steht also das Amt des Vizepräsidenten durch die Aktualisierung seiner Nachfolgefrage im, Vordergrund, so hat die bisherige Auseinandersetzung doch auch viel grundsätzlichere Aspekte aufgezeigt: Nach den geltenden Bestimmungen der Bundesverfassung werden der Präsident und der Vizepräsident des Rechnungshofes auf

Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat gewählt. Sie leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung (Art. 122 Abs. 4).

Mit Recht wird nunmehr darauf hingewiesen, daß dies nicht ganz mit einer anderen Bestimmung unserer Verfassung zusammenpaßt, nach welcher der Rechnungshof in Angelegenheiten der Bundesgebarung als Organ des Nationalrates, in Angelegenheiten der Länder- und Gemeindegebarung aber als Organ des betreffenden Landtages tätig ist.

Wenn sich die Zuständigkeit des Rechnungshofes nicht nur auf den Bund, sondern auch auf die Länder erstreckt, dann erschiene es wirklich zweckmäßig, nicht nur den Nationalrat, sondern auch den Bundesrat - also die Länderkammer an der Bestellung von dessen Organen zu beteiligen. Dies könnte am besten in der Weise vor sich gehen, daß die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten durch die Bundesversammlung zu erfolgen hätte.

Gleichzeitig erschiene es sinnvoll -um die Verfassungsbestimmung, daß der Rechnungshof dem Nationalrat unmittelbar untersteht, zu unterstreichen -, den Präsidenten und Vizepräsidenten des Rechnungshofes durch den Präsidenten des Nationalrates angeloben zu lassen.

Ein nicht unerhebliches Problem stellt schließlich die Personalhoheit im Rechnungshof dar. Nach der derzeitigen Regelung werden nämlich die Beamten des Rechnungshofes auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Präsidenten des Rechnungshofes so wie die Beamten der allgemeinen Verwaltung vom Bundespräsidenten ernannt.

Da aber der Rechnungshof die gesamte Staatsverwaltung auf ihre „Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit” zu überprüfen hat, gegebenenfalls also auch einschließlich des Bundespräsidenten, der ja nach der Verfassung gemeinsam mit der Bundesregierung die Verwaltung des Bundes besorgt, ergibt sich hier eine gewisse Abhängigkeit der Prüfer von den allenfalls zu Prüfenden. Während es dem

Parlament gelungen ist, sich diesbezüglich eine verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit zu sichern, besteht hinsichtlich des Rechnungshofes sozusagen ein Nachholbedarf.

Uberblickt man die Fülle der Kritiken und Anregungen, die im Zusammenhang mit der Rücktrittsabsicht des derzeitigen Rechnungshofpräsidenten vorgebracht wurden und von denen hier nicht im entferntesten alle behandelt werden konnten, dann zeigt sich eines deutlich: Die bloße Nachbesetzung des Präsidentenpostens, ja sogar eine Einigung über die Abberufung des derzeitigen Vizepräsidenten wären eine zu kleine, in Wirklichkeit also keine Lösung der anstehenden Probleme dieser wichtigen Einrichtung unseres Staates.

Andererseits bietet die gegenwärtige Situation den maßgeblichen politischen Kräften eine einmalige Gelegenheit.

Mag sein, daß eine gehörige Portion Selbstüberwindung dazu gehört, wenn Politiker ihre eigene Kontrolle noch effizienter gestalten sollen. Aber andererseits rühmte man sich gerade bei den jüngst vergangenen Feiern des Staatsvertragsjubiläums, daß es das historische Verdienst der damaligen Politiker war, die Gunst des Augenblicks ausgenützt und neue Wege beschritten zu haben. Paul Erit.uh

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