7214780-1992_45_07.jpg
Digital In Arbeit

Sozialpartner-Kritik: Ja, dürfen s' denn das?

Werbung
Werbung
Werbung

Vizekanzler Erhard Busek hat den Sozialpartnern vorgeworfen, daß sie nichts mehr zusammenbringen, und unangenehme und schwierige Entscheidungen „nach oben", also an die Regierung delegieren. Kanzler Franz Vranitzky hat darauf mit bei ihm ungewohnter Geschwindigkeit entschieden, sich dieser Kritik anzuschließen.

Ich wette, daß in der Ära Benya-Sallinger Busek maximal noch eine Woche Vizekanzler, Vranitzky höchstens noch ein paar Monate Kanzler sein hätte können, nein: dürfen. Bei Busek wäre strafverschärfend hinzugekommen, daß er aus eben diesem Nest gekommen war, das er da beschmutzt: Er war

Jahre Generalsekretär, dann Vizepräsident des ÖVP-Wirtschaftsbundes, dessen Präsident traditionellerweise auch Präsident des einen mächtigen Sozialpartners, der Bundeswirtschaftskammer ist.

In der Ära Verzetnitsch-Madertha-ner löst eine derart harsche Kritik höchstens eine Diskussion über die Ablöse von Bundeskammerchef Leopold Maderthaner aus. Wie kraft-, vor allem aber machtlos die Sozialpartner im Vergleich zu den sechziger, siebziger, aber auch noch achtziger Jahren geworden sind, zeigt auch, wie weit sich heute Kritiker ohne Folgen für sich mit sehr persönlichen Bemerkungen vorwagen können: Da wird immer wieder gefragt, ob ein Penthouse über den Dächern Wiens denn für einen ÖGB-Präsidenten nicht eine entrückte Sicht der Arbeitnehmeranliegen schaffe. Und über Leopold Maderthaner wird genüßlich das Gerücht verbreitet, daß er nach Dienstschluß mehr Lebe- denn Kaufmann sei.

Der sich seit Jahren abzeichnende Bedeutungsverlust der Sozialpartner in der realen Politik Österreichs mag auch eine Folge der handelnden Personen sein, zum überwiegenden Teil ist er eine Folge des Zeitgeistes, dem die Sozialpartner nicht rasch genug durch Reformen Rechnung getragen haben.

Was immer der Grund sein mag: Die Schwäche der Sozialpartner könnte in den sich abzeichnenden gesellschaftlichen, politisch und wirtschaftlich instabileren Zeiten fatale Folgen auch für die sie tragenden beiden großen Parteien haben. Eine Studie des Lois Weinberger-Instituts im Auftrag des ÖVP-Abgeordneten Walter Schwimmer kommt zu folgendem Ergebnis:

Behält die Sozialpartnerschaft ihren Status quo bei, wird die FPÖ ihren Kampf gegen die „Altparteien" fortsetzen und damit Stimmengewinne erzielen. Am Ende der Entwicklung stünde dann ein System von vier Mittelparteien.

Insoferne kann der Wissende die Sorgen Buseks und Vranitzkys verstehen. Dem politisch durchschnittlich Interessierten wird die Regierung freilich erklären müssen, warum sie jetzt unter dem Ende dessen leidet, was sie früher wortreich beklagt hat: Der Einmischung der Sozialpartner ins Regieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung