6965018-1985_10_15.jpg
Digital In Arbeit

Wider das Geläufige

19451960198020002020

Seit 14 Jahren laden Studenten der Hochschule St. Gallen Unternehmer zu Diskussionen ein. Hier das Problem der Verantwortung der Wirtschaft für die Zukunft aus ihrer Sicht.

19451960198020002020

Seit 14 Jahren laden Studenten der Hochschule St. Gallen Unternehmer zu Diskussionen ein. Hier das Problem der Verantwortung der Wirtschaft für die Zukunft aus ihrer Sicht.

Werbung
Werbung
Werbung

Angesichts pessimistischer Zukunftsbilder für unsere Wirtschaft — seien es Katalysatorfragen oder Dioxinprobleme, die im Kleinkrieg der Meinungen zerredet, aber nicht gelöst werden, Visionen einer zunehmenden Zahl von Arbeitslosen oder Minderwertigkeitskomplexen gegenüber japanischer und amerikanischer Technologie, stellt sich uns als Wirtschaftsstudenten die Frage, mit welcher Realität wir konfrontiert werden, wenn wir ins Berufsleben einsteigen.

Was wollen wir von unseren Vorgängern übernehmen, fortführen, verändern, vielleicht auch verbessern?

Zuerst, was wir nicht wollen:

• Unternehmungen, die die Verantwortung für alle sozialen Probleme und Streitfragen aufgebürdet bekommen, die für alle Probleme der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden;

• Superinstitution Management, die als unpersönlicher Problem-löser in allen Lebenslagen und für alle Lebensfragen installiert wird.

Was wir hingegen wollen:

• Unternehmer und Manager, die bereit sind, Verantwortung für ihre Handlungen zu tragen, auch und gerade im Hinblick auf das gesellschaftliche Umfeld. Sie sollen Anerkennung für positives Wirken erwarten dürfen, genauso wie sie zur Rechenschaft gezogen werden für die negativen Folgen ihres Handelns;

• eine Unternehmensführung, die sich die Frage der Legitimität ihrer Strategien und ihres Handelns stellt und bereit ist, ihr Wertsystem so zu orientieren, daß es dem Plädoyer von Festvorträgen standhält;

• eine Unternehmensführung, die anerkennt, daß Wirtschaften eine gleichberechtigte Dimension der Gesellschaft ist. wie Familie, Kultur, Politik;

• eine Unternehmensführung, die erkennt, daß Probleme weder gelöst werden noch verschwinden, indem man die Realität einfach anders definiert.

Wirtschaften ist kein wertfreies Handeln. Daher bedarf es einer Auseinandersetzung mit ethischen Werten und Normen, um daraus unser Handeln abzuleiten.

Wir möchten drei Anwendungsbereiche ethischer Normen bei unternehmerischem Handeln berücksichtigt wissen:

• Die personale Ethik, die sich im Gewissen des einzelnen äußert. Diese Ethik muß letztlich Grundlage unseres Handelns sein;

• Die soziale Ethik, die Werte und Normen für die Gesellschaft als Ganzes setzt. Diese Normen und ihre Veränderungen gilt es aufzuspüren, selbst aktiv mitzu-gestalten und bei eigenen Handlungen zu berücksichtigen;

• Die professionelle Ethik, die Führungsethik. Sie ist analog zur Ethik eines Arztes oder Juristen zu verstehen. Sie verlangt nicht zuletzt, daß weder Information noch Macht mißbraucht werden. Die Auseinandersetzung mit der Ethik ist für die Praxis zwingend, denn Unternehmungen sind keine „Aussteiger” aus dem sozialen Kontext, „Aussteiger”, die Realität und Schein verwechseln.

Lassen sie uns an einem Beispiel das gespaltene Verhältnis von Wirtschaft und Ethik darstellen! In einem Seminar erläutert uns der Vertreter eines namhaften europäischen Automobilkonzerns die Haltung seines Unternehmens zur Frage des Einbaues von Katalysatoren wie folgt: Beste Absatzmärkte seien diejenigen Länder, die die geringsten Umweltauflagen erlassen. Der Einbau von Katalysatoren belaste die Wettbewerbssituation seines Hauses wegen der negativen Folgen für die Kosten- und Konkurrenzsituation. Kein Unternehmer könne im Alleingang handeln, vielmehr müsse die Initiative vom Gesetzgeber ausgehen. Wir konnten dieser Argumentation nicht folgen.

Katalysatoren sind schließlich serienmäßiger Bestandteil von Autos dieses Konzerns, die nach Japan beziehungsweise in die USA exportiert werden. Die japanische Automobilindustrie wurde vor mehreren Jahren mit konsequenten Umweltauflagen konfrontiert — sie gilt heute als innovativ und konkurrenzfähig. Jetzt erst, nachdem der Gesetzgeber Druck ausübt und den Einsatz von Katalysatoren zwingend vorschreiben will, wird man in der Branche aktiv. Aktiv werden heißt dabei leider nicht, daß man innovativ ist, nach vorne strebt, sondern daß man versucht, Auflagen zu verhindern oder zumindest zeitlich hinauszuzögern.

Geht es uns nur darum, Unternehmer auf die ökologische Anklagebank zu setzen? Nein, wir glauben, daß hier mehr auf dem Spiel steht. Wir haben den Eindruck, daß Führungskräfte angesichts komplexer werdender Probleme der Pflicht des verantwortlichen Handelns gern ausweichen.

Reaktion statt Aktion. Eine schlechte Position, um am Markt zu überleben. Sind unsere Unternehmer satt geworden, müde, sich der Herausforderung zu stellen? Ziehen sie es nicht allzuoft vor, statt bei Problemen eine Initiativfunktion zu übernehmen, Probleme an Parlamente, Bürokraten, die Öffentlichkeit schlechthin zu delegieren?

Diejenigen, die immer vor dem Staat warnen, zeigen keine Scham, Subventionen zu kassieren, Protektionismus zu befürworten — richte er sich gegen japanische Videorecorder, italienische Weine oder Textilien aus Entwicklungsländern. Innovation und Risikobereitschaft werden gern und häufig auf subventionierte Forschungsprogramme gestützt.

Diejenigen, die Wettbewerb fordern, jammern über die japanische und amerikanische Konkurrenz. Diejenigen, die den Staat zur sozialen Hängematte auch für Unternehmen degradieren, sind es, die Strukturkrisen mit provozieren.

Was wir brauchen, ist mehr Philosophie, um überlegter handeln zu können.

Was wir brauchen, ist die Bereitschaft und der Mut des einzelnen, zu seiner Individualverant-wortung gegenüber der Gesellschaft zu stehen. Nicht „Ausnützer” der Gesellschaft, sondern . „Mitgestalter” sind gefragt.

Der Autor ist Sprecher Studentischen Arbeitskreises „Exzellenz und Ethik” an der Hochschule St. Gallen. Der Beitrag ist ein Auszug aus einem Artikel in den „IBM-Nachrichten”.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung