"Am Menschen führt kein Weg vorbei"

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Dass sich Unternehmer ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden, ist dem Wiener Caritas-Direktor Michael Landau ein besonderes Anliegen. Dabei spiele die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem eine große Rolle. Dem Prinzip der uneingeschränkten Freiwilligkeit kann er allerdings nicht viel abgewinnen, erklärt er im Furche-Gespräch.

Die Furche: Welchen Zugang haben Sie zum Themenkreis der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen?

Michael Landau: Das Thema passt sehr gut zur Tradition kirchlicher Soziallehre. Wenn etwa der Jesuitenpater und Sozialethiker Johannes Schasching von Sachgerechtigkeit, Menschengerechtigkeit und von Naturgerechtigkeit spricht, die es in Balance zu bringen gilt, dann ist das etwas, was sich jetzt wiederfindet in den Diskussionen um Corporate Social Responsibility (CSR), wo es um die Balance von Ökologie, Ökonomie und Sozialem geht, um dieses magische Dreieck der Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt, dass auch in der globalisierten Welt am Menschen kein Weg vorbei führt. Der Limburger Bischof Franz Kamphaus hat gesagt, wir handelten heute ökonomisch global, politisch multilateral, aber moralisch-ethisch erstaunlich provinziell. Ich sehe die Chance, durch die Diskussion über CSR zu einer Globalisierung des Verantwortungsbewusstseins zu gelangen. Und zwar nicht nur Verantwortung im privaten Gebrauch, sondern im Weltmaßstab.

Die Furche: Woraus leitet sich die Verantwortung der Unternehmen aus Ihrer Sicht ab?

Landau: Kirchlich gesprochen leitet sie sich aus dem Menschenbild ab. Ich denke aber auch, dass ein Unternehmer, dessen Blick weit genug reicht, zur Überzeugung gelangen wird, dass es sich rechnet. Es rechnet sich, nicht nur auf den Augenblick zu schauen, sondern weitblickend zu sein. Es rechnet sich, eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung zu halten. Das Verantwortungsbewusstsein bei ökologischen Themen ist zunehmend spürbar, aber das Besondere an der nun angelaufenen Diskussion scheint mir, dass zusätzlich die soziale Dimension mitgedacht wird. Dass ein Unternehmen sich mit Armut und Ungerechtigkeit nicht abfinden darf, sondern hier auch etwas verändern kann und verändern soll. Letztlich geht es um einen Umdenkprozess und die Überzeugung, dass Elend, Ungleichheit und ökologische Zerstörung nicht einfach vorgegeben sind, sondern sich ändern lassen. Dabei ist allerdings ganz entscheidend, dass es sich bei CSR nicht um einen PR-Gag handeln darf, sondern um einen Vorgang einer grundsätzlichen Orientierung und Haltung, die auch tatsächlich im unternehmerischen Alltag Gestalt annimmt. Es kommt auch darauf an, wie sehr es gelingt, Berührungsängste zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft abzubauen und wie weit die Unternehmen bereit sind, wirklich in einen offenen und ehrlichen Dialog einzutreten und ihr Handeln transparent zu machen.

Die Furche: CSR wird derzeit häufig als Mittel dafür genannt, das durch zahlreiche Finanzskandale angeknackste Image der Wirtschaft zu verbessern und so letztlich auch die Gewinne zu steigern. Wird hier nicht Moral für die Profitmaximierung instrumentalisiert?

Landau: Nein. Ich denke, es gibt nur einfach für die Firmen einen Zusatznutzen moralischen Handelns. Denn richtig zu handeln ist zugleich auch klug zu handeln. Die Dinge stehen nicht im Widerspruch zueinander. Wobei die Kirchen hier aber auch an Wichtiges zu erinnern haben. Beispielsweise daran, dass soziale Gerechtigkeit nicht automatisch das Ergebnis des Marktes ist, sondern dass der Markt auch gesellschaftlicher und politischer Einbindung bedarf.

Die Furche: Aus der Wirtschaft hört man, CSR beruhe auf Freiwilligkeit, und das solle auch so bleiben...

Landau: Es gibt Grenzen der Freiwilligkeit. Ein Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang ist die Solidarität. Wir sind alle in einer Schicksalsgemeinschaft verknüpft, aus der sich niemand davon stehlen kann, aus der aber auch keiner ausgestoßen werden darf. Da gibt es zwei Ebenen, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen: die individuelle Solidarität, also die Bereitschaft des Einzelnen, sich für andere stark zu machen, und die strukturelle Solidarität. Beides ist notwendig. Also ja zum Prinzip der Freiwilligkeit, aber auch ja zur Forderung nach strukturellen, nach politischen Spielregeln.

Die Furche: Soll also die nun geführte Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaftstreibenden in Gesetzen gipfeln?

Landau: Längerfristig gesehen ja. Im Gespräch mit den Betroffenen, im Dialog von Unternehmern, Nichtregierungsorganisationen und lokalen Akteuren, entstehen Spielregeln, die letztlich verbindlich gemacht gehören. Denn es ist illusorisch zu glauben, dass immer und zu jeder Zeit alle Unternehmen verantwortlich handeln. Daher geht es darum, in der gemeinsamen Auseinandersetzung zu globalen, einforderbaren Nachhaltigkeitsstandards zu kommen, nach denen es sich nicht auszahlt, unsozial oder unökologisch zu handeln.

Die Furche: Dieser Forderung wird oft entgegen gehalten, dass weltweite, einforderbare Standards eine Bremse für die wirtschaftliche Entwicklung seien.

Landau: Der Nationalökonom und kurzzeitige österreichische Finanzminister Joseph Schumpeter hat genau dieses Bild in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Sozialpolitik gebraucht, und es stimmt noch immer: Ein Auto mit Bremse kann viel schneller und viel sicherer fahren als eines ohne. Ich würde mich nicht gerne in ein Auto setzen ohne Bremse, und ich würde den Einbau von Bremsen nur ungern dem freien Markt überlassen, denn sie dienen der allgemeinen Sicherheit. Spielregeln sind also nötig, das zeigt sich ja auch historisch: Ende des 19. Jahrhunderts waren verträgliche Arbeitsbedingungen ein überaus strittiges Thema. Heute ist es völlig klar, dass das damals Erreichte, also etwa die Begrenzung der Arbeitszeit oder das Verbot von Kinderarbeit, dem Wohlstand dient. Auch damals hat es damit begonnen, dass einzelne die Augen offen gehalten haben, aber dann ist es nach und nach zu einem diskursiven Auskristallisieren von Spielregeln gekommen, die nun zwingend sind.

Die Furche: Wie ist es denn bisher um das Verantwortungsbewusstsein der heimischen Unternehmer bestellt?

Landau: Ich habe den Eindruck, dass es schon ein zunehmendes Bewusstsein dafür gibt, dass Unternehmer zu sein auch heißt, Respekt vor der Würde der Menschen zu haben und auch vorausblickend zu handeln. Und ich denke, dass es hier in Österreich eine gute Tradition mit dem gibt, was wir als ökosoziale Marktwirtschaft bezeichnen, also ein System der Balance.

Die Furche: Was wünschen Sie sich diesbezüglich von der Politik?

Landau: Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Diskussion über unternehmerische Verantwortung geführt wird. Ich würde mir aber wünschen, dass dieser Vorgang politisch begleitet wird. Der Politik fällt die Aufgabe zu, durch die Schaffung von günstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Unternehmen zu einem Mehr an sozialem und umweltpolitischem Engagement zu ermutigen.

Die Furche: Kritiker der Bemühungen um CSR befürchten, dass in wirtschaftlich schlechten Zeiten die guten Vorsätze der Unternehmer, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, zugunsten rein wirtschaftlichen Überlegungen über den Haufen geworfen werden.

Landau: Ich glaube, dass es darum geht, Unternehmen zu ermutigen, längerfristig zu planen, zu denken und zu rechnen. In der Überzeugung, dass Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammen die Zukunft garantieren und das Leben dauerhaft sichern. Es ist eine Diskussion, in die die Caritas jetzt verstärkt eingestiegen ist, weil es eine ist, die dem sozialen Miteinander gut tut.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag.

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