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Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus der ganzen Welt kamen vor kurzem in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) zusammen, um über die Möglichkeiten einer Globalisierung im Dienste des Gemeinwohls zu sprechen.

In weiten Regionen der Welt sterben immer mehr Menschen an Hunger oder Krankheiten, die woanders längst medizinisch heilbar sind": So brachte einer der Teilnehmer der Konferenz, der Stifter des Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, die einseitig ökonomische Ausrichtung der Globalisierung auf den Punkt. Eine weiter wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich - im Verhältnis Nord-Süd, aber auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften - ist vor dem Hintergrund des global gesehen zur Problemlösung theoretisch verfügbaren Wohlstands nicht tolerabel. Die Reichen (Regionen, Menschen) akkumulieren Wertschöpfung und Wissen, während die Armen Ressourcen und Arbeit bereitstellen müssen, ohne dass der ökonomische Wert von Natur und Arbeit gerecht bemessen wird.

Privatisierte Gewinne...

Die immensen Kosten des Raubbaus an ökologischen (Rohstoffe) und sozialen (Sozialkapital) Ressourcen werden nicht der Wirtschaft angelastet. Die Gewinne werden "privatisiert", die Kosten werden "externalisiert" und "sozialisiert", sind also von den Gesellschaften selbst zu tragen. Umweltverschmutzung, Krankheiten, ungerechte Verteilung der Wohlfahrtsgewinne werden als unterschiedliche Folgen derselben Wachstumsmaschinerie gelesen. Ein Fortschreiben der gegenwärtigen Situation raubt den kommenden Generationen Zukunft. Uexküll zu den Versuchen, Globalisierung gerecht und zukunftsfähig zu gestalten: "Was wir versuchen, ist schwierig. Was die Akteure der heutigen Globalisierung tun, ist auf Dauer unmöglich!"

Die einseitige ökonomische Ausrichtung der Globalisierung wird mit Ulrich Beck als "Globalismus" bezeichnet. Heute werden zunehmend auch nicht-wirtschaftliche Lebensbereiche (Ökologie, Gesellschaft) einer einseitigen Kosten-Nutzen-Logik unterworfen. Globalismus ist blind für seine sozialen und ökologischen Folgen, weil er nur in ökonomischen Kategorien denkt. Er ist aber auch blind für seine eigenen sozialen, kulturellen oder moralischen Voraussetzungen, wie zum Beispiel soziale Bindungen (sozial eingebettete Arbeitskräfte sind gesünder), Leistungsbereitschaft und Konsumfreude, Vertrauen zwischen Vertragspartnern. Solche Blindheit ist gefährlich, weil Wirtschaft langfristig von diesen Grundlagen abhängig ist; sie tut daher gut daran, diese zu schützen.

Beispielsweise verarbeiten Gesellschaften mit funktionierenden sozialen Bindungen, mit hohem Sozialkapital externe ökonomische Schocks besser. Dies zeigen auch Arbeiten der Weltbank. Eine "intelligente" Ökonomie muss also den Zustand ihrer Basisinstitutionen berücksichtigen: Sie muss krisenhafte Veränderungen in diesen Bereichen reflektieren, damit sie die Voraussetzungen, von denen sie abhängt, nicht selbst zerstört.

... sozialisierte Kosten

Wirtschaft ist neu zu lesen. Sie ist nicht Endzweck, sondern Mittel, um gesellschaftlichen Wohlstand zu fördern. Globalisierung für das Gemeinwohl zielt so auf eine Ökonomie des Teilens: "Wohlstand muss gerechten Zielen folgen", meint der Gründer der Konferenz, der britische Ökonom iranischen Ursprungs, Kamran Mofid, und: "Gutes Business ist erst gegeben, wenn es Gerechtigkeit und den Wohlstand aller fördert".

Es ist die Aufgabe der Zivilgesellschaften und ihrer Akteure, den Globalismus kritisch zu hinterfragen und solche Kritik öffentlich zu artikulieren. Auch wenn die Akteure der Zivilgesellschaft nicht demokratisch legitimiert sind, ist ihre Kompetenz für diese gesellschaftliche Funktion im Rahmen gezielter Kooperationen und Lerngemeinschaften auch von staatlichen Stellen zu suchen.

Es braucht insbesondere Ansätze auf der Makro-Ebene, die dem globalen Ausmaß heutiger Probleme etwas entgegensetzen können. Hier sind auch bereits bestehende Initiativen zu nennen, wie der globale Marschall-Plan oder die Welt-Entwicklungs-Ziele der UNO. Generell gilt die Einschätzung, dass es hier nicht an Kreativität und Ideen mangelt.

Die Rolle der Religionen

Zur Konkretisierung und Durchsetzung dieser Ideen soll der interreligiöse Dialog in Fragen globalen Gemeinwohls verstärkt werden. Die Weltreligionen haben intern den Dialog in weltweit dringlichen Fragen bereits institutionalisiert - in Form thematischer Arbeitsgruppen, die von führenden Persönlichkeiten besetzt sind, oder in Form von Basisinitiativen. Vernetzung des globalen interreligiösen Dialogs wäre daher möglich. Religionen sollten dadurch dem Anliegen globalen Gemeinwohls eine gemeinsame Stimme leihen und darüber hinaus eine gemeinsame Sprache in konkreten Sachfragen entwickeln.

Ausgangspunkt des interreligiösen Dialogs kann der Austausch über manifeste negative Auswirkungen des Globalismus in seinen sozialen und ökologischen Bezugssystemen sein. In dieser Kritik wird auch deutlich, wie die verschiedenen Religionen menschliche Würde verstehen. Es lassen sich dabei die trotz aller Unterschiede gemeinsamen Bezugspunkte für ein Verständnis von menschlicher Würde identifizieren.

Erfahrungs-Werte

Religionen werden als Akteure der globalen Zivilgesellschaft mit spezifischen Potenzialen gesehen. Sie sind, etwa in Form kirchlicher Wohlfahrtsverbände, selbst als Arbeitgeber aktiv und generieren ökonomische Erfahrungs-Werte. Sie entwickeln "dichte" Interpretationen sozialer Realität (Social Gospel) und begründen Handeln aus eigener Tradition in relativer konstruktiv-kritischer Autonomie gegenüber Wirtschaft und Politik. Sie sind vor Ort sozial gut eingebettet und können helfen, Akzeptanz zu suchen für die Umsetzung ethisch fundierter verändernder Maßnahmen. Die Religionen sollten diese eigenen Möglichkeiten viel stärker als bisher nutzen, um die einseitige Ausrichtung der Globalisierung an der ökonomischen "Bottom-Line" öffentlich zu kritisieren.

Das "Parlament der Weltreligionen", das diesen Sommer in Barcelona tagt, wurde von dessen Leiter, Reverend William Lesher (Berkeley, Kalifornien), als Beispiel für ein solches Engagement der Religionen in Fragen globalen Gemeinwohls präsentiert. Es gilt, in diesem Rahmen gemeinsame "dünne" Normen für Gemeinwohl zu erarbeiten, die so offen sind, dass sie je nach sozio-kulturellem Kontext "verdichtet" und mit Menschen in Initiativen vor Ort umgesetzt werden können. Die Menschenrechte gelten als gelungenes Beispiel einer solchen Strategie. Parallel sollten nicht nur punktuelle Projekte wie das Parlament, sondern auch dauerhafte Foren für solch zivilgesellschaftliches Engagement der Weltreligionen geschaffen werden, in denen sie ihre eigenen Ressourcen zur Förderung des Gemeinwohls aktivieren können.

Darüber hinaus gilt es, Organisationsformen zu entwickeln, in denen Religionen mit Akteuren aus Sachbereichen wie Wirtschaft, Politik, Recht vernetzt sind, insbesondere mit Gremien der Vereinten Nationen. Die anstehenden Sachprobleme sind komplex. Daher ist es notwendig, Sachwissen zu generieren, um kompetent Stellung beziehen zu können.

Globalisierung ist gestaltbar. Entgegen der vielfach behaupteten "normativen Kraft des Faktischen" gibt es die Vision einer Globalisierung für das Gemeinwohl und einer Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte an deren Umsetzung. Den Weltreligionen kommt hierbei eine besondere Rolle zu.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs und Koordinator der "Allianz für den freien Sonntag Österreichs". Seine Studie über die Praxis der Kirchen in der Zivilgesellschaft Österreich ist abrufbar auf der Homepage der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (www.oefg.at). Er erhielt 2002 den Preis zur Förderung des Dialogs zwischen Wirtschaft, Ethik und Religion der Österreichischen Industriellenvereinigung. Auf der Konferenz in Dubai referierte er über "Religions acting for Bridging and Linking Social Capital". Seine Teilnahme in Dubai wurde von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

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