Die Welt am Terminal

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Information und Kommunikation sind in der digitalen Welt mit dem Einsatz von Null und Eins neu zu fassen. Die Mauer der analogen Welt ist eingestürzt. Die kalte Welt ist zu Ende. Das mobile Telefon wird ein Computer. Der PC wird ein global vernetztes Multimediagerät. Das TV-Gerät zu einem Unterhaltungszentrum. Eine kleine Geschichte der Digitalisierung.

Es war im Jahre 1978, als der damalige französische Präsident Giscard D’Estaing zwei Wissenschaftler damit beauftragte, die Auswirkungen des Computers zu studieren und in einem Bericht zur Gestaltung der Gesellschaft zusammenzufassen. Simon Nora und Alain Minc prägten die Begriffe der Informatisierung und Computerisierung der Welt und ihr Bericht liest sich heute ebenso spannend, wie er damals neu war. Denn während auf den Straßen von Paris zehn Jahre Nachwirkungen der Studentenrevolution diskutiert wurden, fand im Hintergrund eine viel mächtigere und die Welt radikal verändernde Revolution statt.

Mit dem Einsatz von Null und Eins gelingt es, jeden auch nur erdenklichen Aspekt von Information und Kommunikation neu zu fassen. Und jeder Schritt bringt die Mauer der analogen Welt zu Fall und bedeutet den Übergang von einer kalten Welt der Knappheit aller Ressourcen in eine Welt, in der die Informations- und Kommunikationsressourcen im Überfluss vorhanden sind.

Die Geschichte von Millionen von Jahren kommt in unserer Lebenszeit zu einem Ende: Zum ersten Mal können Informationen reproduziert, gespeichert und ausgetauscht werden, ohne dass der Aufwand eine Rolle spielt. Die Ökonomie der Knappheit ist ausgehebelt. Ein neues Zeitalter zeichnet sich ab. Schrittweise.

Am Anfang steht jeweils die Optimierung des Existierenden. Nehmen Sie die Zeitung, die sie jetzt in der Hand halten, als Beispiel. Die ersten digitalen Optimierungen bestanden darin, den Text einer Zeitung elektronisch zu erfassen. Die Journalisten schrieben nicht mehr mit der Schreibmaschine auf ein Papier mit sechs Durchschlägen und der Text wurde dann nicht physisch gesetzt. Seit Ende der 70er Jahre verwenden Zeitungen in der ganzen Welt integrierte Texterfassungssysteme. Die Optimierung sparte Zeit in der Produktion, eliminierte die Arbeit der Setzer und führte dazu, dass jeder Text auch elektronisch gespeichert werden konnte. Ein vollständiges Archiv aller Texte und Bilder wurde möglich.

Mit der Anbindung dieser elektronischen Textsysteme und Archive über digitale Netze konnten diese auch außerhalb der Redaktionen verfügbar gemacht werden; ein erster Schritt von Optimierung zu Neugestaltung. Bis in die 1980er Jahre war Zugang nur vor Ort möglich, nun konnten Datenbanken auch an andere extern verkauft werden. Die Nachrichtenagentur Reuters wechselte ihr Kerngeschäft innerhalb von 20 Jahren von der telegrafischen Verbreitung von Nachrichteninformation zum Verkauf von Finanzdatenbanken und der digitalen Infrastruktur für Echtzeitinformationen von Finanzmärkten und Börsen.

Digitale Technologien machen nicht nur Löcher in die analoge Mauer und optimieren daher nicht nur. Sie überwinden diese Mauer und transformieren. Dann gibt es ganz neue Produkte und Dienstleistungen. Die Internetplattform YouTube hat heute mehr Zuseher als jeder TV Sender der Welt und mehr Leute telefonieren heute mit Skype als mit jedem Telefonanbieter.

Höhere Geschwindigkeit, geringere Kosten

Der Treiber, der die analoge Mauer zum Einsturz bringt, ist seit den 60er Jahren bekannt und wurde vom damaligen Chef des Chip-Herstellers Intel, Gordon Moore, als Gesetzmäßigkeit formuliert: Die Leistung eines Computers verdoppelt sich alle 16 bis 18 Monate, bei gleichzeitiger Halbierung der Kosten.

Diese techno-ökonomischen Leistung ist revolutionär, sowohl was die Geschwindigkeit der Steigerung betrifft, aber insbesondere was die Degression der Kosten betrifft. Dadurch wird es nämlich möglich, dass sich Leser von Journalisten nicht mehr durch den Zugang zu den Produktionsmitteln eines Verlages unterscheiden. Der Effekt sind Leser-Journalisten, die aktuelle Beiträge aus ihrem Lebensbereich und direkten Erfahrungen erstellen und damit oft eine Augenzeugenqualität und Aktualität schaffen, die den professionellen Journalisten nur per Zufall gelingen kann.

Die Auswirkungen des Falls der analogen Mauer können Sie auch gut an Ihrem Mobiltelefon, das Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, neben der FURCHE am Tisch liegen haben, beobachten. Innerhalb von weniger als fünf Jahren hat es sich von einem reinen Sprechverbindungsgerät, mit dem man auch Textnachrichten verschicken kann, zu einem Kleincomputer entwickelt, der mehr kann als die Büro-PCs von damals. Und Ihr PC ist inzwischen zu einem global vernetzten Multimediagerät weiterentwickelt worden, mit dem man als Nutzer riesige Archive von Ferienfotos verwalten, Videos editieren und jeden Ort der Welt mit einer Auflösung von kapp einem Meter aus der Weltraumperspektive betrachten kann. In derselben Zeit wurde das TV-Gerät zu einem Heimunterhaltungszentrum, das hochauflösend Bilder von hunderten von Kanälen und quadrophonischen Ton aus Ländern aufnehmen und zu jeder nur gewünschten Zeit abspielen kann.

Am heute einsehbaren Ende der Entwicklung hat die Digitalisierung alle bisherigen Grenzen der physischen Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Präsentation von Information aufgehoben, bis auf eine: die Größe der Bildschirme. Ihre Größen und Qualität werden die Nutzungen, Inhalte und Anwendungen in der Zukunft bestimmen.

Alle Dinge werden einen Chip erhalten

So wurde die bühnenhafte Großleinwand des im Theaterraum entstanden Kinos schon in die Multiplexe optimiert und transformiert. Das Großbild aber wandert nun weiter in Messehallen und an die Außenfassaden von Gebäuden und die neuen Technologien wetteifern in ihrer Strahlkraft und Helligkeit mit der Sonne. Das digitale Großbild wird interaktiv und kann sich schon heute automatisch an die Interessen eines vorbeigehenden Zusehers anpassen und so für Produkte werben oder Events ankündigen.

Vom traditionellen Fernseher wird ein größerer, interaktive Wandschirm im Wohnzimmer bleiben, auf dem die Laufbilder mit Realtonqualität interaktiv an Nutzern vorbeiziehen, die sich zurückgelehnt entspannen und unterhalten, sich informieren und erinnern wollen.

Und der PC wird sich vom großen Blechkasten weg zu mittelgroßen Bildschirmen verschlanken, die auf Tischen stehen – zum Schreiben und Arbeiten, zum Besprechen und Planen, Lernen und Kontrollieren. Die Nutzer sind auf ihre Aufgaben konzentriert und auf Ziele und ihre Erreichung fokussiert, das Ernsthafte und Notwendige steht im Vordergrund. Geld wird verdient.

Die Endpunkte der Entwicklung sind keineswegs so klar in Sicht wie die Tatsache, dass die Durchdringung aller Lebensbereiche von mehr und leistungsfähigeren digitalen Technologien, also Chips und optischen Netzwerken, sich weiter intensivieren wird. Als Regel gilt: Jedes Ding wird smarter, alle Dinge werden vernetzt; Aufgaben werden damit einfacher und Ergebnisse billiger.

Ein nächster Schritt in dem Durchbrechen der analogen Mauer ist das Internet der Dinge. Jeder Lichtschalter oder Lampe, jedes Haushaltsgerät und jedes Fenster, schlicht alles, was eine Funktion hat, wird mit einem Chip ausgestattet und vernetzt. Die Entwicklungsschritte sind die gleichen wie bei der digitalisierten Zeitung: zunächst optimieren, dann transformieren und dann neu kreieren.

* Peter A. Bruck, Kommunikationswissenschafter und Manager (Research Studios Austria), bringt Innovationen von Unis auf den Markt

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