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Vor 10 Jahren begann mit der weltweiten Freigabe des www-Standards das Zeitalter des Internets.

Fanseiten für den Nacktmüll oder den ehemaligen irakischen Informationsminister; Diskussionsforen, in denen Opfer angeblicher Entführungen durch Außerirdische ihr Leid klagen; Listen lateinischer oder lappländischer Kraftausdrücke: Welche unermessliche Fülle an mehr oder weniger sinnhaften Informationen sich im Internet angesammelt hat, hätten sich vor 20 Jahren die etwa 1.000 im "Arpanet" verbundenen Wissenschafter wohl nicht träumen lassen. Damals nämlich wurde mit einer technischen Neuerung im "Advanced Research Projects Agency Network", das eine Elite von amerikanischen Forschern via Computer miteinander verband, der Grundstein für das Internet gelegt: im "Arpanet" wurde das noch heute gültige TCP/IP-Prinzip eingeführt. Vom US-Verteidigungsministerium als Kommunikationssystem initiiert und finanziert, das einen Atomkrieg überstehen sollte, wurde das "Arpanet" zur Keimzelle eines weltumspannenden Netzes, an dem heute weit über 200 Millionen Rechner hängen.

Weltumspannende Utopien ...

Weltumspannend waren auch die Utopien, die mit dem Internet verbunden waren. Die Visionäre der ersten Stunde träumten davon, jedem Erdenbürger das Wissen der Menschheit frei zugänglich zu machen: die virtuelle Welt als Utopia ohne Konsum und Kommerz. Doch die Entwicklung des World Wide Web (WWW), eines einfachen Systems zur Orientierung und Navigation im Internet, eröffnete nicht nur dem computerunerfahrenen Privatnutzer Zugang zum Netz. Vor zehn Jahren erklärte das Technologieforschungszentrum CERN in Genf das WWW zum kostenloser Standard mit freiem Zugang für alle: Damit hatte das weltweite Internetzeitalter begonnen.

... globale Ernüchterung

Die Möglichkeit, eigene Inhalte in Form einer Homepage ins Netz zu stellen, wurde nach anfänglichem Zögern massiv von Unternehmen genutzt. Die Händler ließen sich also im einstigen Wissensforum nieder, die großen ehrbaren ebenso wie die kleinen schmutzigen. Surft man heute durchs Internet, öffnen sich regelmäßig lästige Werbefenster, Werbebanner heischen allerorten nach Aufmerksamkeit. E-Mail-Anschlüsse - das System der elektronischen Post ist neben dem WWW die zweite Hauptanwendung des Internet - werden zunehmend zugemüllt mit so genannten Spam-Mails, in denen dubiose Absender Kredite, Penisvergrößerungen oder Wundermittel gegen Übergewicht anpreisen.

Spätere Visionäre prophezeiten gleichsam das Veröden der Wirklichkeit: menschenleere Städte, weil die Bewohner im virtuellen Raum flanieren, shoppen und kommunizieren. Doch gegen die Sinnlichkeit des Schmökerns im Buchladen oder der Unterhaltung mit einem Gegenüber aus Fleisch und Blut kam die Scheinwelt des WWW nicht an. Zu einer unentbehrlichen Wissensquelle hat sich das Internet dennoch entwickelt. Zu jedem nur denkbaren Thema lassen sich mittels Suchmaschinen Informationen aufspüren: manchmal auf einer Homepage perfekt aufgearbeitet, manchmal unsystematisch und über verschiedene Seiten verteilt, meist erfährt man ungeahnte Details.

Mit einem "globalen Dorf" (Marshall McLuhan) wurde das Internet früher oft gleichgesetzt, eher aber entspricht ihm das Bild der "Telepolis" (Florian Rötzer). Eine gewaltige Stadt, in der Rotlichtbezirke und Nobelviertel, in der Räuberhöhlen und Feinkostläden nur zwei Mausklicke auseinander liegen. In den beliebten Tauschbörsen, in denen Jugendliche sich zum Ärger der Musikindustrie gratis die neuesten Hits herunterladen, wird auch Kinderpornografie und NS-Propaganda angeboten. Man muss nur statt "Daniel Küblböck" oder "Shakira" die entsprechenden Schlüsselbegriffe eingeben. Diese befremdliche Nähe ist die Folge der Internetfreak-Utopie, wonach staatliche Kontrolle und Zensur nichts im Internet verloren haben. In der Tat werden nur in Diktaturen missliebige Inhalte rigoros von den lokalen Servern herausgefiltert. Natürlich werden auch in Demokratien Provider von Rechts wegen gezwungen, verbrecherische Inhalte vom Netz zu nehmen, aber hier wiegt das Prinzip des freien Zugangs zu Information schwerer als der Missbrauch des Mediums.

"Spyware"-Gefahr

Die derzeit größte Gefahr im Internet geht derzeit freilich von der so genannten "Spyware" aus: kleine Programme, die sich ohne Wissen des Users auf seiner Festplatte einnisten und dort gespeicherte Informationen an den Absender der Spionage-Software übermitteln. Dabei handelt es sich nicht um Geheimdienste oder politische Organisationen, sondern um honorige Unternehmen und Konzerne, die "Marktforschung" betreiben - und dabei ungeniert in die Intimspäre von Internet-Nutzern eindringen.

EINE KLEINE GESCHICHTE

des World Wide Web ist zu finden auf der Homepage: www.w3.org/History.html

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