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Die modernen Informationstechnologien eröffnen viele Möglichkeiten, in die Privatsphäre einzudringen.

Computer in jedem Büro, Handys wohin man schaut, Internet-Surfen ab der Volksschule ... E-Mail und Internet sind aus dem Leben kaum mehr wegzudenken. Täglich werden weltweit zehn Milliarden SMS,vier Milliarden E-Mails verschickt, drei Milliarden Telefon-Gespräche im Festnetz und eine Milliarde per Handy geführt, rechnet Gerald Reischl in seinem Buch Unter Kontrolle vor. Die Informationsverarbeitung und -vermittlung hat eine enorme Entwicklung hinter- und schier grenzenlose Möglichkeiten vor sich.

Zugegeben: Diese Errungenschaften haben Möglichkeiten eröffnet, von denen man vor 25 Jahren nur geträumt hat. Allerdings wurde im Fortschrittstaumel von vielen übersehen, welche Nebeneffekte diese Technologien auch haben: Sie liefern Unmengen von Daten, die gezielt ausgewertet umfassend über jeden Einzelnen informieren und damit tief in dessen Privatsphäre einzudringen gestatten. Eine Konferenz des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wissenschaften in Wien wird sich im November mit den Folgewirkungen der Informationstechnologie auf die Privatsphäre auseinandersetzen.

Natürlich wurden auch früher Daten gesammelt. Sie wurden aber dezentral gespeichert und ließen sich nur mit großem Aufwand gezielt bearbeiten. Zwei Phänomene waren es, die auf diesem Sektor eine Revolution hervorbrachten: Der Umstand, dass Daten heute digital verfügbar sind und zentral gespeichert werden können. Damit kann man sie beliebig kombinieren und großräumig, ja international verknüpfen. Und noch eines: Je mehr Elektronik im Alltag zum Einsatz kommt, umso mehr Information fällt an.

Wer mit wem telefoniert

So führte etwa die Digitalisierung des Telefon-Systems dazu, dass automatisch Daten über die Verbindungen anfallen. Bis zum Ablauf der Einspruchsfrist gegen Rechnungen bleiben sie beim Betreiber gespeichert. Damit lässt sich rekonstruieren, wer mit wem wie lange gesprochen hat.

Noch mehr Information liefert das Telefonieren mit Handys. Da lässt sich auch noch der Aufenthaltsort des Anrufers feststellen. Wenn jemand sein Gerät dauernd eingeschaltet hat, entstehen richtige Bewegungsprofile. Unabhängig davon, ob telefoniert wird oder nicht, hält das Gerät Verbindung zum nächstgelegenen Sender. Die Genauigkeit der örtlichen Zuordnung liegt bei einigen hundert Metern. Diese Information ist technisch notwendig. Das Wissen über den Aufenthalt fällt nur nebenbei an. Mit dem Beginn der von Mobilnetzbetreibern angebotenen Vermarktung örtlich bezogener Dienste (etwa über die nächstgelegene Apotheke) ändert sich das. Nunmehr wird die Ortsbestimmung unmittelbar von Interesse. Aus Gründen der Abrechnung von Leistungen wird man sie speichern.

Damit landet beim Handy-Betreiber viel Information, die Auskunft über persönliches Verhalten liefert. Die nächste Handy-Generation - sie wird viele zusätzliche Funktionen aufweisen - wird den Mobilcom-Betreibern sogar noch mehr Daten an die Hand geben: "Mit den Handynetzbetreibern entstehen gefährliche Moloche, die mit ihren Informationen zu den mächtigsten Unternehmen der Zukunft mutieren," warnt Reischl. Sobald man per Handy Rechnungen bezahlt, Musikfiles aus dem Internet lädt oder Nachrichten hört, bleibt die Information darüber beim Netzbetreiber, der die Dienste auch abrechnet. "Künftig bekommen die Betreiber den Touch des Allwissenden", resümiert Reischl.

Spuren im Internet

Auch in einem anderen Bereich hinterlässt der Verbraucher Spuren: im Internet. Dort laufen die Verbindungen über einen Provider. In Österreich haben die Mitglieder des Vereins der Provider (ISPA) zwar erklärt, dass sie Daten über Vermittlung und Inhalte nur anonym speichertern. Dennoch warnen Johann ÇCas und Walter Peissl vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) in Wien (Beeinträchtigung der Privatsphäre in Österreich): "Ohne allgemeingültige Aussagen treffen zu können, muss der Internetnutzer davon ausgehen, dass sich seine Aktivitäten am Internet auch über länger zurückliegende Zeiträume rekonstruieren lassen."

Tatsache ist: Auch Internet-Nutzung erlaubt Rückschlüsse auf persönliche Vorlieben der betreffenden Person. Man denke nur an das Profil, das sich aus besuchten Websites erstellen lässt. Besonders viel Info fällt da bei den Suchmaschinen an. "Viele aufwendige Internet-Dienste wie z. B. Suchmaschinen finanzieren sich über die Weitergabe von Kundenprofilen an die Werbewirtschaft...", halten ÇCas und Peissl fest.

Insgesamt entstehen also auf vielen Ebenen eine Unzahl von Informationen. Wie viele das sind, ist nicht leicht festzumachen. Schätzungen der "Arge Daten" aus 1998 kommen auf eine Zahl von 400 pro Kopf. Das dürfte etwas hoch liegen, wenn man diesen Wert mit den Angaben von Reischl vergleicht, der im selben Jahr seine persönlichen Daten an 87 Stellen fand und für 2002 ein doppelt so hohen Wert angibt - was allerdings die Dynamik des Datensammelns erkennen lässt.

Nun könnte man einwenden, dass eine solche Fülle dezentral anfallender Daten, nicht wirklich die Privatsphäre des Menschen beeinträchtigen. Dem steht aber gegenüber, dass im Zuge der Entstehung immer größerer Wirtschaftseinheiten und der internationalen Fusionen und Kooperationen die Erfassung und Verwertung großer Datenmengen im Privatsektor stark zunimmt. Eine Schlüsselstelle sind dabei auch Callcenters, die Telefondienstleistungen anbieten. Im Dienste mehrerer Großunternehmen sind sie Anlaufstelle für zahlreiche personenbezogene Daten.

In Zeiten der Bankomat- und Kreditkarten fällt auch im Geldsektor viel Information an. Sie lassen ebenfalls Rückschlüsse auf Lebensgewohnheiten und Vorlieben zu. Man muss sich nur vorstellen, welche Fundgrube die Geschichte der Konto-Überweisungen darstellt. Mit der Begründung ein mehr auf die Person bezogenes Service anbieten zu können, lässt sich die Auswertung solcher Information sogar gut rechtfertigen.

Fast eine Rasterfahndung

Eines ist jedenfalls offensichtlich: Es werden große Anstrengungen unternommen, durch entsprechende Analyse-Verfahren große Datenmengen gezielt auszuwerten. "Die Sammlung, Speicherung und Verwertung von Kundendaten für kommerzielle Zwecke" sei "fast schon eine Rasterfahndung", halten Gunther Tichy und Walter Peissl (Beeinträchtigung der Privatsphäre in der Informationsgesellschaft) fest. "Mittels ,Data-Mining' und ,Data-Warehousing' kann aus Persönlichkeitsmerkmalen und bisherigem Verhalten mit relativ großer Genauigkeit auf zukünftiges Verhalten geschlossen werden."

Was sich daraus ergibt? Zunächst einmal ist es wichtig, sich mit diesen Tatsachen zu konfrontieren. Wer darüber hinaus versuchen will, seine Privatsphäre möglichst gut abzuschirmen, sollte sparsam mit der Weitergabe von persönlichen Informationen umgehen. Das fängt bei der Unterdrückung der eigenen Telefonnummer an, reicht über die sparsame Verwendung von Kredit- und den Verzicht auf Kundenkarten bis zum Streichen nicht genehmer Passagen aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zum Weitergeben von Informationen berechtigen.

Zum Thema:

Privacy - ein Grundrecht mit

Ablaufdatum?

Internationale Konferenz am 11. November in der Akademie der Wissenschaften, Dr. Iganz Seipel-Platz 2, 1010 Wien, Anmeldung ab 8 Uhr 30, Beginn 9 Uhr, Info: Tel 01 515816584

Beeinträchtigung der Privatsphäre in Österreich

Von Johann ÇCas und Walter Peissl, ITA-News 2000

Beeinträchtigung der Privat

sphäre in der Informations

gesellschaft

Von Gunther Tichy und Walter Peissl, ITA-manus:script 2001

Unter Kontrolle

Von Gerald Reischl, Redline Wirtschaft

bei Ueberreuter, Wien 2002, 202 Seiten, e 19,90

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