Eine alptraumhafte Zukunft verhindern

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Big Data soll zwar unseren Alltag erleichtern, wird Firmen und Staat aber mehr Macht über Individuen geben. Ein Gastkommentar.

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Big Data soll zwar unseren Alltag erleichtern, wird Firmen und Staat aber mehr Macht über Individuen geben. Ein Gastkommentar.

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Künftig werden datengesteuerte Systeme das Hirn jeder Smart City sein. So sollen etwa die Müllwägen flexibel in jene Viertel gerufen werden, wo gerade die Mülltonnen überquellen. Sämtliche "smarte" Prozesse werden auf gigantischen Datenmengen basieren -"Big Data" genannt. Dank der Analyse dieser Daten wittern Unternehmen eine sprudelnde Quelle der Gewinnmaximierung: Individuell maßgeschneiderte Werbung im Netz ist nur ein sichtbares Beispiel. Wird uns diese Werbung in Smart City auch auf der Straße folgen? Die unauslöschlichen Spuren, die wir mit jedem Klick im Netz hinterlassen, verraten viel mehr über uns, als wir freiwillig preisgeben würden: Sie ermöglichen nicht nur Rückschlüsse auf unser Konsumverhalten, sondern gar auf unsere politische Orientierung oder unseren Lebensstil.

Diese beunruhigende Entwicklung schreitet rasant voran: Allein für 2017 prognostizieren Software-Unternehmen einen 650-prozentigen Anstieg des Datenvolumens. Die schiere Menge an Daten, die zwar von Privatpersonen erzeugt, aber von Unternehmen gespeichert wird, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Einmal gespeichert, werden unsere Daten einem wachsenden globalen Datenpool hinzugefügt und stehen auf unbestimmte Zeit weiteren Verwendungen zur Verfügung. Aber wem genau? Und mit welchen Konsequenzen für uns? Die öffentliche Debatte darüber sollte vor allem geprägt sein von den ethischen Fragen, die diese neuen Technologien aufwerfen: Wie wichtig sind uns unsere Bürgerrechte, wann können wir von einer echten Demokratie sprechen? Schließlich ist der Weg vom Posting eines Urlaubsfotos auf Facebook bis zur Gefährdung demokratischer Werte ein sehr kurzer. Daher müssen wir uns einer Sache klar sein: Wir können die Zukunft der vielschichtigen Verwertung globaler, weitgehend privater Daten nicht steuern. Deshalb müssen wir effektive Mechanismen und Institutionen der Aufsicht schaffen, die nicht nur gut informiert und wachsam sind, sondern auch überzeugt vom Schutz der gefährdeten Grundfreiheiten.

Immer schlauer werdende Prozesse

Obendrein werden unsere Online-Aktivitäten algorithmisch "reguliert" - die "Maschine" kreiert weitere Anregungen, damit sie noch mehr Aktionen des Users analysieren kann. Schon heute müssen wir darüber nachdenken, was die Folgen dieser immer schlauer werdenden Prozesse sein könnten. Einerseits ist es sicher sinnvoll, dass sich die Wissenschaft Big Data zunutze macht, um Probleme vorherzusagen und künftig besser lösen zu können. Doch selbst bei besten Absichten der Wissenschaft bleibt es eine Frage der gesellschaftlichen Definition, welche Datennutzung künftig als problematisch erachtet wird: Steht Vorhersagbarkeit einen Schritt vor der Korrektur menschlichen Verhaltens? Können Algorithmen mehr Wissen über ein Individuum erzeugen, als es selbst über sich hat? Was geschieht mit dem freien Willen, der informierten Zustimmung, dem Schutz der Privatsphäre oder sogar dem Recht auf Bedauern?

Fakt ist, dass Computer intelligenter als Menschen werden; viel effizienter, viel schneller und ohne ethische Bedenken ausgestattet. Bleibt die Frage, wie sich Bildung und Arbeitswelt verändern, wenn sich Unternehmen diese neue Effizienz zunutze machen. Gewiss bestehen unendlich viele Möglichkeiten zur positiven, emanzipatorischen Nutzung von Big Data. Leider ist dieses Szenario angesichts ökonomischer Interessen unwahrscheinlich. Um eine alptraumhafte Zukunft zu verhindern, dürfen wir das Schicksal von Big Data nicht allein Unternehmen oder Staat überlassen.

Die Autorin ist politische Philosophin und Kommunikationswissenschaftlerin und hat eine Professur am Wiener Institut für Publizistik

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