Überblick im Datendschungel

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"Was, wenn man ein Jahr lang auf seine Glückszahlen im Lotto gewettet hätte? Wäre man Millionär geworden? Oder hätte man Verluste gemacht?" Patrick Wolowicz meint diese Frage nicht nur ernst, er kann sie heute auch mit 100-prozentiger Sicherheit beantworten. Wolowicz ist kein Wahrsager und auch kein Glücksspieler, sondern Programmierer. Normalerweise interessieren ihn Lottozahlen nicht -im Gegensatz zu seiner Oma, die seit seiner Kindheit regelmäßig tippt. "Da habe ich mich gefragt, was herauskommt, wenn sie konsequent auf ihre Glückszahlen gewettet hätte."

Was nach Kaffeesudlesen klingt, lässt sich dank der App "Cha Ching", die Wolowicz mit seinem Kollegen Martin Fischbauer entwickelt hat, nun tatsächlich herausfinden. "Gib deine sechs Glückszahlen ein und die App sagt dir, was du wann gewonnen hättest und wie viel!", erklärt der Erfinder. Dahinter steckt nicht nur eine Menge Arbeit, sondern eine Auswahl an Daten, die bis vor Kurzem nicht öffentlich zur Verfügung standen: "Cha Ching" wäre nicht möglich ohne dem "Open Data Portal Österreich"(ODP).

Transparenz-Plattform in Kinderschuhen

Die Plattform ging vergangene Woche online und befindet sich noch in den Kinderschuhen. 35 Datensätze wurden bisher von Firmen, NGOs oder Vereinen auf www.opendataportal.at hochgeladen. Unter anderem von der Österreichischen Lotterien GmbH, die die Ziehungsdaten aus den Jahren 1986 bis 2013 online stellte.

"Open Data" - also die Idee, dass nichtpersonenbezogene Daten maschinenlesbar online zur freien Nutzung zur Verfügung stehen -, ist in Österreich seit Jahren kein Fremdwort mehr: 2011 beschlossen Bund, Länder, Städte und Gemeinden in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft, das Thema voranzutreiben. Das Netzwerk "Cooperation OGD Österreich" wurde gegründet. Seitdem ist viel passiert: Die Plattform "data.gv.at" wurde mit Hilfe des Bundeskanzleramtes ins Leben gerufen. Mittlerweile befinden sich darauf über 1300 Datensätze der österreichischen Verwaltung, etwa Standortinformationen der Wiener Linien von Ticket-Verkaufsstellen oder Budgetdaten von Gemeinden.

Nun soll das "Open Data Portal Österreich" eine Lücke schließen und Daten aus den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft und Kultur bereitstellen. "Es gibt abseits der Verwaltung auch noch andere Daten, die für die Allgemeinheit interessant wären", sagt Helmuth Bronnenmayer, Sprecher von ODP. Initiiert wurde das Portal von der "Wikimedia Österreich -Gesellschaft zur Förderung freien Wissens" gemeinsam mit der gleichgesinnten "Open Knowledge Foundation Österreich" und der vom Bundeskanzleramt initiierten "Cooperation Open Government Data". Finanzielle Unterstützung erhielten die Initiatoren vom Verein netidee, einer Initiative der Internet Foundation Austria, die innovative Projekte fördert.

Die Innovation an ODP ist, dass auf solchen Plattformen Daten strukturiert gesammelt und jedem Nutzer in digitaler Form zur Verfügung stehen. Programmierer wie Wolowicz konnten so in den letzten Jahren hunderte Anwendungen aus dem Datenpool von data.gv.at entwickeln: Zum Beispiel die App "Wann", die Verkehrsdaten Wiens verwendet, um optimaler die öffentlichen Verkehrsmitteln zu nutzen; oder die "48er App", mit der sich etwa der Standort von Hundekotsackerl-Spendern herausfinden lässt.

Gesellschaftlicher Mehrwert und Ersparnis

Auch wenn Applikationen über den Standort von öffentlichen Toiletten auf den ersten Blick nicht aufregend klingen: Open Data habe einen gesellschaftlichen Mehrwert und spare Kosten, erklärt Johann Höchtl von der Donau-Universität Krems. Eine Studie der Donau-Universität Krems aus dem Jahr 2013 ergab, dass die Stadt Wien 208.000 Euro an Entwicklungskosten sparen konnte. Eben weil Dritte frei auf Daten zugreifen konnten und -für die Stadt kostenlos -Anwendungen kreierten. "Diese Zahlen verdeutlichen neben dem gesellschaftlichen Mehrwert auch die wirtschaftlichen Vorteile von Open Data", sagt Höchtl. Dass es mit dem Open Data Portal Österreich nun eine Plattform gibt, wo Daten von Privatunternehmen oder NGOs strukturiert gesammelt werden, sei im internationalen Vergleich einmalig.

Das findet auch Robert Harm von der Initiative open3.at. Der Open Data-Aktivist war einer der ersten, der Daten auf ODP hochgeladen hat. Auch wenn seine Rohdaten aus einer Studie über Nationalratsabgeordnete vermutlich keine große Breitenwirkung haben werden -ihm geht es darum, zu zeigen, dass jeder mitmachen kann. Harm kennt die Herausforderungen von Open Data-Initiativen in Österreich: "Die Bewegung ist eine Koalition der Willigen. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, Daten bereitzustellen." So hat etwa die oberösterreichische Gemeinde Engerwitzdorf mit knapp 8000 Einwohnern auf data.gv.at mehr Daten veröffentlicht als der gesamte Bund. "Wir sind noch weit entfernt von der Praxis in anglo-amerikanischen Ländern, wo der Wert von Open Data längst erkannt wurde."

In den nächsten Monaten werde sich zeigen, wie groß die Bereitschaft von Unternehmen oder NGOs ist, ihre Daten auf ODP zu veröffentlichen. Open Data-Aktivisten wie Wolowicz hoffen jedenfalls, dass es viele sein werden. "Ohne Open Data, den Portalen und den Menschen, die dahinterstehen, hätten wir Entwickler keine Daten, mit denen wir innovative neue Apps und Services erschaffen können." Und Dank "Cha Ching" wisse seine Oma, dass sie neue Glückszahlen finden muss: Wenn sie ein Jahr lang konsequent auf ihre Glückszahlen getippt hätte, hätte sie dennoch nichts gewonnen. Ihr Verlust hätte 52,90 Euro betragen.

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