Die Öko-Energie braucht smarte Stromzähler

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Die europäischen Stromnetze sollen intelligenter werden. Erster Schritt in diese Richtung ist die Einführung digitaler Stromzähler in jedem Haushalt. Der Nutzen für die Endverbraucher ist vorerst allerdings gering.

Dass neue Technologien zuweilen alte, in die Jahre gekommene, ablösen, ist ein vertrautes Merkmal wettbewerbs-orientierter Gesellschaften. Wird ein solcher Generationswechsel aber mittels Rechtsakt von oben beschleunigt, regt sich häufig skeptischer Widerstand. Die Wirtschaft optiert gewöhnlich für den verordneten Fortschritt. So war es etwa beim Glühbirnenverbot. Ein Beispiel aktuellen Datums ist die "Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung“, kurz: IME-VO.

Vergangene Woche wurde sie von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner erlassen - "in Abstimmung mit Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer“, wie eine ministerielle Aussendung betont. Demnach muss jeder österreichische Stromnetzbetreiber in den kommenden Jahren stufenweise die alten Stromzähler in den Kundenhaushalten gegen digitale Geräte austauschen, die sogenannten "Smart Meter“. Bis 2015 sollen 15 Prozent aller Anlagen, zwei Jahre später 70 Prozent und bis 2019 - eingeschränkt durch die vorsichtige Formulierung "im Rahmen der technischen Machbarkeit“ - 95 Prozent umgestellt sein. Das betrifft 5,5 Millionen Haushalte, 200.000 haben bereits im Rahmen von Pilotprojekten ihre Zähler getauscht.

Reaktion auf Schwankungen

Diese Maßnahme will einen ersten Schritt in die Zukunft der europäischen Stromnetze setzen. Durch den Ausbau dezentraler Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern geraten diese an Leistungsgrenzen. Als Lösung gelten intelligente Stromnetze, in denen durch automatische Regelung rasch auf Angebotsschwankungen im Netz reagiert werden kann (s. u.).

In diesen "Smart Grids“ benötigen Netzbetreiber vor allem eines: detaillierte Informationen über den tatsächlichen Verbrauch. Genau diese Daten liefern Smart Meter auf der untersten Netzebene.

Bei den klassischen Ferraris-Zählern müssen Mitarbeiter des Netzbetreibers zum Kunden kommen und die Verbrauchsdaten persönlich ablesen, meist einmal jährlich oder bei einem Wechsel des Mieters. Smart Meter hingegen senden im 15-Minuten-Takt automatisch die Verbrauchsdaten des Kunden an den Energieversorger. Dieser kann so exakte Nutzungsprofile seiner Kunden erstellen und den zu erwartenden Verbrauch exakter prognostizieren. In Zukunft könnten dann individuelle Stromtarife angeboten werden, wie es etwa im Mobilfunkmarkt üblich ist. Ein weiterer Vorteil ist die einfachere Abwicklung der Rechnungserstellung. Neben den Verbrauchsdaten liefern die digitalen Stromzähler technische Daten, die für Netzbetreiber wichtig sind. Etwa über Spannungshöhen, Oberschwingungen, Blind- und Wirkleistung. Ein wesentliches Merkmal von Smart Metern ist, dass sie die Kommunikation in zwei Richtungen erlauben. Der Energieversorger kann also nicht nur Daten empfangen, sondern auch aktiv mit dem Gerät kommunizieren. Beispielsweise lässt sich die Anlage aus der Ferne abschalten.

Dass die Energiewirtschaft von Smart Metern profitieren wird, leuchtet ein. Auch die Gerätehersteller wittern gutes Geschäft und haben sich für eine rasche Umsetzung des Austausches stark gemacht. Als offizielle Hauptargumene für die Einführung der Smart Meter werden jedoch Vorteile für die Konsumenten genannt. "Mehr Transparenz schärft das Kosten-Bewusstsein, erleichtert den Konsumenten das Stromsparen und kurbelt den Wettbewerb durch einfacheren Lieferantenwechsel an“, so Mitterlehner vergangene Woche. Andere sind da skeptischer.

"Es nützt den Konsumenten nichts, wenn sie ihren Verbrauch im 15-Minuten-Takt kennen, aber mit diesen Daten nichts anfangen können“, meint Hubert Fechner, Energieexperte von der Fachhochschule Technikum Wien. Ein wirklicher Mehrwert würde sich erst dann ergeben, wenn die intelligenten Stromzähler mit den Haushaltsgeräten kommunizieren könnten. Dann wäre es zum Beispiel möglich, Waschmaschine, Geschirrspüler oder Wärmepumpe automatisch einzuschalten, wenn der Strompreis gerade niedrig ist. Das ist zwar noch Zukunftsmusik. Doch einige Netzbetreiber führen bereits Pilotprojekte durch, um das Potenzial solcher Visionen auszuloten. "Von solchen Demonstrationsprojekten kann man viel darüber lernen, wie sich erneuerbare Energien integrieren lassen“, meint Fechner. "Aber ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, schon jetzt alle Haushalte mit Smart Metern ausrüsten zu lassen.“

Die meisten Kritiker an den digitalen Zählern eint der Befund, dass die Verordnung zu überhastet erlassen wurde. Noch sind nämlich etliche Details ungeklärt. Zwar wurde der Zeitplan gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ein wenig abgeschwächt (dieser sah den Austausch von 95 Prozent aller Anlagen bis 2018 vor). Doch das ist immer noch deutlich ambitionierter als die EU-Vorgabe, die eine 80-prozentige Umstellung bis 2020 fordert. Noch ist das Verfahren zur Standardisierung nicht abgeschlossen, das technische Details der neuen Stromzähler regelt. Es geht unter anderem darum, über welche Schnittstellen und Protokolle die digitalen Zähler Daten kommunizieren sollen.

Die Europäische Kommission hat damit die drei europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI beauftragt. Bis Ende 2012 soll die Referenzarchitektur fertig formuliert sein. Die ersten standardkonformen Geräte können also frühestens 2013 auf den Markt kommen. Dann wird es aber knapp mit dem verordneten Zeitplan. Hans Zeger, Vorstand der ARGE Daten, sieht darin ein besonderes Problem.

Hacker und Fernabschaltung

Die im Oktober 2011 erlassene Intelligente Messgeräte-Anforderungsverordnung (IMA-VO) erlaubt nämlich, bereits installierte Smart Meter weiter zu verwenden. "Die aktuell am Markt angebotenen Geräte sind aber nicht auf IT-Sicherheit ausgelegt“, meint Zeger. Damit stellen sie ein potenzielles Einfallstor für Hacker dar. So hat etwa der oberösterreichische Energieversorger Energie AG bereits mehr als 100.000 Smart Meter installiert, gibt aber Entwarnung hinsichtlich Sicherheitsbedenken. "Wir betreiben unser Smart-Metering-System ausschließlich im eigenen, abgeschotteten Netz und nicht über Internet“, sagt Unternehmenssprecher Michael Frostel.

Ein weiterer Kritikpunkt der ARGE Daten betrifft die Möglichkeit der Fernabschaltung durch den Energieversorger. "Da geht Österreich einen gefährlichen Weg“, sagt Zeger. "In Deutschland gibt es diese Möglichkeit nicht.“ So könne es passieren, dass ein technischer Defekt beim Energieversorger mit einem Schlag ein paar tausend Kunden von der Stromversorgung trennt. Im schlimmsten Fall könnte das zu einem Spannungsüberschuss im Netz und in der Folge zu einer Kettenreaktion von Stromausfällen führen.

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