Wie "Arbeit 4.0" funktionieren kann

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Die Digitalisierung wird oft als die große Chance oder die große Gefahr des 21. Jahrhunderts begriffen. Sicher ist: Es braucht Instrumentarien, um sie erfolgreich Realität werden zu lassen.

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Die Digitalisierung wird oft als die große Chance oder die große Gefahr des 21. Jahrhunderts begriffen. Sicher ist: Es braucht Instrumentarien, um sie erfolgreich Realität werden zu lassen.

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Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch. Grund dafür sind technologische Entwicklungen, deren Folgen wir bisher erst in Ansätzen erkennen können. Die digitale Vernetzung innerhalb und zwischen Unternehmen steigt rasant. Wissen und Informationen sind ortsunabhängig geworden und können nahezu ohne Transaktionskosten weltweit verfügbar gemacht werden. Die Rechnerleistung entwickelt sich weiterhin exponentiell. Supercomputer begegnen mittels künstlicher Intelligenz den besten Spielern im Schach, Jeopardy oder Go auf Augenhöhe. Immer neue Kombinationen von Basisinnovationen, wie Cloud-Computing, 3D-Druck oder Spracherkennung werden in Geschäftsmodelle überführt und verändern die Organisation von Arbeit.

Für viele Unternehmen ergeben sich zunächst Chancen. Sie profitieren von Produktivitätssprüngen einer digitalen Transformation. Klar ist aber auch: Disruptive Geschäftsmodelle aus den USA und Asien sind eine existenzielle Herausforderung für das industrielle Herz der europäischen Volkswirtschaften - man denke nur an Tesla -aber auch den Dienstleistungssektor, Stichwort Uber und AirBnB. Gelingt es nicht, das Momentum des digitalen Strukturwandels zu nutzen, stehen mehrere hundert Milliarden an Wertschöpfung auf dem Spiel.

Chancen statt Horrorszenarien

Trotz aller Horrorszenarien vom Ende der Arbeit, die bisweilen die Debatte prägen, ist auch für die Beschäftigten die digitale Transformation zunächst einmal mit Chancen verbunden. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen. Vielmehr wird sie vielfältiger, anspruchsvoller und selbstbestimmter, weil Roboter und Algorithmen Stück für Stück das Feld der Routinetätigkeiten übernehmen. Tätigkeiten, die weder ein besonders hohes Maß an Wahrnehmungsfähigkeit und Feinmotorik noch soziale oder kreative Intelligenz verlangen, werden über kurz oder lang automatisiert werden. Dem Menschen bleiben Tätigkeiten, die ihn als Menschen auszeichnen. Neues schaffen, sich einfühlen, über organisationale und kulturelle Grenzen hinweg vermitteln.

Zugleich wächst aber der Druck. In immer vernetzteren Arbeitsabläufen entgrenzen sich Privates und Berufliches, Arbeit wird verdichteter, die informationelle Selbstbestimmung droht zu erodieren. So entstehen neue psychische Belastungen. Hochflexible Arbeitsformen stellen zentrale Bausteine der sozialen Marktwirtschaft -langfristige Arbeitsverträge, Mitbestimmung, soziale Sicherungssysteme, kollektive Lohnfindung - in Frage. Fleiß und Ausdauer reichen nicht mehr aus, gefragt sind die Kreativen und die Empathischen. Dafür fehlt vielen Menschen die Befähigung.

Was also tun, damit der digitale Wandel zu einem Fortschrittsprojekt wird, Chancen zum Tragen kommen und Risiken minimiert werden? Zunächst werden wir massiv in Bildung und Qualifizierung aller Menschen investieren müssen. Angesichts immer kürzerer Innovationszyklen ist Weiterbildung zukünftig von herausragender Bedeutung, gerade auch in der zweiten Hälfte der Berufsbiografie. Das Problem ist nur: Während Länder wie Deutschland und Österreich bei der beruflichen Ausbildung recht gut aufgestellt sind, hinken sie bei der Weiterbildung ihren skandinavischen Nachbarn deutlich hinterher.

Das können wir uns im digitalen Strukturwandel nicht länger leisten. Wir müssen unsere Weiterbildungslandschaft hinsichtlich Zugang, Finanzierung und Inhalt massiv verbessern und auf die Höhe der Zeit bringen. Das wird viel Geld kosten. Wenig jedoch im Vergleich zu den Kosten, die entstehen würden, wenn wir einem Großteil der Menschen, die sich heute in der Mitte ihres Berufslebens befinden, den Anschluss an das digitale Zeitalter verwehrten.

Arbeitnehmer schützen

In einer verdichteten und volatilen digitalen Arbeitswelt brauchen Menschen Absicherung und Schutz. Ein zukunftsfähiger gesetzlicher Rahmen für eine verlässliche Verständigung zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern ist das notwendige Gegenstück zu einer deutlich flexibleren Arbeitswelt. Zugleich gilt es zu verhindern, dass ein digitales Prekariat aus plattformvermittelter Dienstleistungsarbeit und noch nicht automatisierten Resttätigkeiten in der Industrie und Logistik entsteht. Ohne faire Bezahlung und soziale Absicherung für alle Erwerbsformen droht der gesellschaftliche Zusammenhalt Schaden zu nehmen.

Vor allem geht es jedoch darum, neue Formen guter Arbeit entstehen zu lassen und gute Arbeitsorganisation zu fördern. Hier passiert gerade viel, in Startups, aber auch in Großunternehmen. Es wird über agile Prozesse, Beteiligung, ja sogar Demokratie im Unternehmen diskutiert. Damit gute Arbeit entsteht, muss auch unternehmerische Initiative stärker gefördert werden, in der Schule und im weiteren Berufsleben. Wir brauchen mehr Menschen, die etwas wagen und auch einmal Misserfolge hinnehmen.

Die digitale Transformation kann ein Projekt des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts werden. Dazu braucht es aber breite Qualifizierung und ein zukunftsorientiertes Unternehmertum. Ohne unser Zutun wird Arbeit 4.0 eine Chiffre bleiben.

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