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Digital In Arbeit

Last & Lust der Arbeit

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Der Arbeitnehmer von morgen will intensiver, aber weniger arbeiten - mit hoher Motivation zu großen Arbeitsleistungen, aber geringer Lust an langen Arbeitszeiten. Und wer in Zukunft wirklich mehr und länger arbeiten muß, will sich wenigstens durch Freizeitwerte am Arbeitsplatz entschädigen lassen: Der Arbeitnehmer von morgen will hart arbeiten, sich aber bei der Arbeit auch entspannt fühlen können, die Last der Arbeit tragen, ohne beim Arbeiten die Lust am Leben zu verlieren.

Mit der wachsenden Freizeitorientierung des Lebens prägt auch die Freizeitatmosphäre zunehmend das Gesicht der Arbeitswelt. Am Ende dieses Prozesses steht ein Wandel von der traditionellen Berufsethik zu einer umfassenden Freizeitarbeitsethik. Mit ihrer Realisierimg brauchen die Menschen nicht erst darauf zu warten, „nach getaner Arbeit" aufzuleben. Sie können bereits im Arbeitsleben frei über ihre eigene Zeit verfügen und den Spaß an der Arbeit haben und genießen.

Der Wandel von den äußeren Werten der traditionellen Arbeitsmoral wie Disziplin, Anpassungsdruck und Leistungszwang zu den inneren Werten der neuen Freizeitarbeitsethik wie Arbeitsfreude, Leistung mit Lust und Sinnorientierung wird nicht nur das Arbeitsklima in den Betrieben grundlegend verändern. Auch das Anforderungsprofil von Mitarbeitern und Führungskräften (siehe Beitrag Seite 11) wird eine Veränderung erfahren. Gefragt werden Qualifikationen in einer ausgeglichenen Mischung aus Rationalität und Emotionalität sein, die berufsfachliche Kompetenz mit humanen und sozialen Fähigkeiten verbindet. Neben die Fachkompetenz treten gleichwertig Befähigungen im persönlichen Bereich: Phantasie entwickeln, offen für neue Ideen sein, Visionen und Veränderungen wagen, Freiräume nutzen und bewahren sowie soziale Verantwortung tragen. Im kollegialen Umgang kann man sich wieder menschliche Eigenschaften leisten. Ob im Blaumann oder weißen Kragen, im Zweireiher oder hemdsärmelig: Im Büro und Betrieb der Zukunft darf wieder spontan reagiert, quer gedacht und laut gelacht werden -wenn man es nicht schon heute tut.

Und der Arbeitgeber von morgen? Er könnte Sinngeber und Lohnzahler, Motivator und Inspirator zugleich sein - den Lohn erhöhen oder Leistungsprämien zahlen, flexibel Frei-Tage oder Kurzurlaub gewähren, Kaffee im Automaten oder Selters im Kühlschrank bereithalten, Dauerkarten für das Fitnesscenter oder Freikarten für das Tennisturnier offerieren und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung oder Sprachkurse im sonnigen Süden anbieten.

Die Einflüsse der Freizeit auf das Arbeitsleben werden immer stärker: Sie werden zum Gradmesser für eine neue Arbeitsqualität, ja können der Arbeit neuen Sinn geben. Und die Arbeit kann umgekehrt auch in Konkurrenz zur Freizeit treten. Resümee: Keine Angst vor der Arbeit 2000. Sie wird sicher anders empfunden und erlebt werden als heute. Die Arbeitszeit mag kürzer werden, aber ihre Attraktivität verliert die Arbeit 2000 nicht. Die Entwicklung von der Industrie-zur Dienstleistungsgesellschaft befreit uns zusehends von schwerer körperlicher, auch von monotoner, langweiliger Arbeit. Die Arbeit wird nicht anforderungsloser, sie fordert eher ganz persönliche Eigenschaften heraus, insbesondere soziale und kreative Fähigkeiten.

Doch was passiert, wenn nichts passiert - wenn die Strukturen der Arbeitswelt und die Bedingungen am Arbeitsplatz mit dem Wandel zur neuen Arbeitspersönlichkeit nicht Schritt halten können (oder wollen)? Dann würden sich Über-druß-Syndrome breitmachen - auch und gerade bei den Leistungsorientierten und Hochmotivierten. Sie wären persönlich am stärksten davon betroffen. Entmutigt würden sie ihre Ideen „heimlich" in den außerberuflichen Lebensbereich verlagern. Und sie wären nicht bereit (auch nicht gegen hohe Bezahlung), sich ihre Energie und Freude am Leben nehmen zu lassen. Die Arbeitswelt von morgen kann sich eine solche Leistungsverlagerung vom Berufs- und das Privatleben („schwitzen nur noch in der Freizeit!") überhaupt nicht leisten.

Wer nun glaubt, damit seien alle Probleme in der Arbeitswelt gelöst, den muß ein Blick in die Entwicklung der nächsten Jahre enttäuschen. Von dem, was man sich idealerweise unter Leben vorstellt, ist die Arbeit noch weit entfernt. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit mögen fließender, weniger starr werden, aufhebbar sind sie in absehbarer Zukunft nicht. Denn 400 Jahre Arbeitsethos sind an den Menschen und Institutionen nicht spurlos vorübergegangen. Sie bleiben prägend auch für die nächste Generation. In der äußeren Gestaltung werden sich die beiden Lebensbereiche immer ähnlicher werden, aber im subjektiven Erleben behalten sie ihre unterschiedliche Lebensqualität.

Die Menschen mögen sich in ihrer Freizeit bei Triathlon, Marathonlauf oder Überlebenstraining noch so sehr anstrengen, der Leistungswert der Arbeit wird dennoch unvergleichlich bleiben. Wer im Leben wirklich etwas leisten und sich Herausforderungen stellen will, wird auch in Zukunft auf Arbeit im Dienste der Gemeinschaft nicht verzichten können. Umgekehrt gilt ebenso: Die Arbeit 2000 mag noch so viel Freude machen, wirklich vergnügt und gesellig werden die Menschen erst nach getaner Arbeit sein. „Feste arbeiten und Feste feiern" bleibt uns als Spannungsbo-gen des Lebens auch in Zukunft erhalten.

Der Autor ist wissenschaftlicher Leiter des BAT. Freizeitforschungsinstituts Hamburg.

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