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Digital In Arbeit

Computer fur das Aktenkofferl

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Es gibt ein Buch über Literaturschauplätze. Uber die Schauplätze der Literaturentstehung gibt es noch keines. Aber bis lang nach dem Ersten Weltkrieg dürfte in Österreich kein geringer Teil im Kaffeehaus entstanden sein. Aus. VorbeL Die Schreibmaschine ist daran schuld.

Sie ist schwer. Selbst als Reisemaschine ist sie unhandlich imd macht Lärm. Schon im Gemeindebau beschwört nächtliches Tippen Konflikte herauf. Maschinschreiben am Kaffeehaustisch? Undenkbar. Damit wurde aber der Arbeitsplatz ganzer Literatengenerationen zum Freizeitort degradiert. Welche Abwertung für das Kaffeehaus!

Der Personalcomputer bedeutete eine weitere Erleichterung für die Schreibenden. Wie jede solche Erfindung setzt er sich ra-

sant durch. Der Preis dafür ist eine weitere Einschränkung der Mobilität. Wer sich auf den PC umgestellt hat, karm mit der Maschine Geschriebenes nicht mehr in seine Arbeit integrieren und muß jeden nicht im Büro, sondern zum Beispiel im Urlaub entstandenen Text neu eintippen. Eine neue Erfindung schließt nun den Kreis. Sie macht den Schreibenden wieder mobil. Sie köimte die Dichter dem Kaffeehaus und das Kaffeehaus den Dichtem zuriick-geben — wenn sie noch wollen.

Das Ding, von dem die Rede ist, kommt aus Schottland, wurde vom berühmten Computer-Konstrukteur Sir Clive Sinclair ersonnen, heißt nüchtern Z 88 und stellt in der Geschichte der Verkleinerung elektronischer Schreibgeräte eine Endstation dar. Die ideale Füllfeder ist genau so groß und schwer, daß sie gut in der Hand liegt. Auch die Tastatur der Schreibmaschine ist der menschlichen Hand angepaßt. Wenn der Computer auf die Größe eines DIN-A-4-Blattes verkleinert ist, verliert - falls er zum Schreiben dienen soll — jede weitere Miniaturisierung ihren Sinn. Genau dieses Stadium wurde mit dem Z 88 erreicht.

Journalisten, Romanciers, Autoren wissenschaftlicher Bücher und überhaupt allen, die schreiben, gibt der Z 88 die verlorene Mobilität wieder — bei voller „Daten-Kompatibilität“. Was darauf geschrieben wird, kann später an einen anderen Computer (IBM-Kompatible oder Macintosh/ Apple) übergeben und dort weiterverarbeitet werden. Die Ubergabe an den anderen Computer geschieht mit einer Geschwindigkeit von 15 Sekunden pro dreißig-zeiliger Manuskriptseite. Die

Texte lassen sich über ein Modem sogar telephonisch von PC zu PC übermitteln.

Das alles wurde durch die konsequente Anwendung bekannter Prinzipien möglich. Viele Hersteller sind dabei, den PC immer mehr zu verkleinern. Aber ein leistungsfähiger „Laptop“ („Schoßcomputer“) wiegt von drei bis vier Kilogramm aufwärts und kommt mit einem Satz Batterien nur wenige Stunden aus. Der Z 88 arbeitet mit vier ,AA“-Batterien, wie man sie in Kleintonband- und ähnlichen Geräten verwendet, bis zu 20 Stunden lang.

Dafür wurde auf den komfortablen, aber stromfressenden Bildschirm der anderen Laptops verzichtet. Uber der Tastatur befindet sich ein spartanisches Flüssig-kristall-„Display“, auf dem sich unter einer Statuszeile und einem Lineal jeweils sechs Textzeilen in voller Länge ablesen lassen. Daneben erscheint ein winziges Abbild der ganzen Seite. Mit den Pfeiltasten, die jeder Computer hat, kann man jede gewünschte Textstelle ansteuern, in langen Texten helfen Suchkommandos.

Wichtigstes Bauprinzip: Verzicht auf alle Speicherelemente mit beweglichen Teilen. Der Z 88 hat kein Diskettenlaufwerk und keine Festplatte, sondern speichert wahlweise in RAMs und EPROMs: Winzigen Kästchen, die bis zu 250 Manuskriptseiten aufnehmen und dabei in der Hemdtasche kaum auftragen.

Das RAM (Random Access Memory) ist ein Speicherelement, das seinen Inhalt im selben Sekundenbruchteil verliert, in dem die Stromzufuhr unterbrochen wird. Trotzdem kaim man den Z 88 jederzeit ausschalten - er speichert automatisch und über Monate. Auch nach dem Erscheinen der Warnung, daß die Batterien schwach werden, besteht keine Eile. Man kann abschalten und sie am nächsten Tag wechseln. Nimmt man sie aber heraus, hat man - je nach Ausstattung mit RAMs und EPROMs - ein bis vier Minuten Zeit zum Einsetzen der bereitgelegten neuen untet Erhaltung aller gespeicherten Daten.

Das EPROM (Erasable/Programmable Read Only Memory) ergänzt das RAM. Was darauf festgehalten ist, kann nur in einem kleinen Spezialgerät mit ultraviolettem Licht durch Komplettlöschung aller auf dem betreffenden EPROM befindlichen Daten zerstört werden. Der Bericht des Reisejoumalisten, das im Urlaub geschriebene Buchkapitel wird zur Sicherheit mit einem einfachen Beffhl vom RAM ins EPROM geladen, so daß ihm nichts mehr passieren kann.

Wir haben das Gerät nicht nur im Büro ausprobiert, sondern auch in öffentlichen Bibliotheken, im Kaffeehaus und auf Bänken im Park. Man fällt damit kaum auf. Sicher schreibt es sich auf einem ausgewachsenen PC bequemer als auf der verbesserungswürdigen Guipmitastatur des Z 88, auf der jeder, der kein Meister des Zehnfingersatzes ist, des öfteren statt der Groß/Klein-Umschaltung eine der darunter befindlichen Konunandotasten erwischt, die ihn aus dem Text in eines der Bedienungsmenüs befördern. Eine Tastenkombination (wie etwa ESC/Index) zur Aktivierung der Steuertasten wäre äußerst sinnvoll.

Samt 512-K-RAM (eine Ma-schinschreibseite entspricht 2 K) wiegt das zwei Zentimeter hohe Gerät ein Kilogramm: kaum mehr als die Papiermenge, die man für eine größere Arbeit mitgenommen hätte. Weniger als die leichteste Reiseschreibmaschine - bei gewaltiger Leistungsfähigkeit, denn er ist ein ausgewachsener, wenn auch kein „IBM-kompatibler“ Computer.

Die eingebaute Textverarbei-timg bietet alle wichtigen Funktionen, die man von einer Textverarbeitung erwartet. Mit „Wordstar“ kann im PC besonders bequem weitergearbeitet werden. Femer sind eingebaut eine Tabellenkalkulation („Lotus l-2-3“-kompatibel), ein Taschenrechner, Uhr und Kalender, Terminverwaltung und Wecker, komfortable Bedienungsprogramme sowie für Leute, die selber programmieren wollen, eine britische Version der Programmiersprache Basic („BBC-Basic“). Anschluß für einen Drucker ist vorhanden, ebenso für einen Monitor, der aber noch nicht erhältlich ist. An einer Möglichkeit, den Cambridge-Computer an einen Fernsehapparat anzuschließen, wird dem Vemehmen nach gearbeitet.

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