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Digital In Arbeit

Alles wird drahtlos

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Das Zauberwort Personal Communications Network (PCN) für Telefonieren über Satelliten soll bis zum Jahr 2000 zum Standard werden.

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Das Zauberwort Personal Communications Network (PCN) für Telefonieren über Satelliten soll bis zum Jahr 2000 zum Standard werden.

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Die Revolutionäre stehen in den Startlöchern, Wissenschaftler und Techniker Amerikas sowie die Industrie leiten eine neue Epoche der Kommunikation ein - die der absolut drahtlosen Nachrichtenübermittlung. Die Zukunft gehört den PCNs, den Personal Communications Networks. Was heute noch den Militärs Vorbehalten ist, kann morgen schon das Werkzeug jeder Sekretärin sein: Ein Gerät, mit dem jedermann jederzeit jedenorts erreichbar ist, per Stimme und Fax. Ein Gerät von der Größe eines kleineren Telefonhörers ermöglicht diesen Traum, und Wall Street sagt bereits voraus, daß die neuen Kommunikationsmöglichkei- ten weitaus billiger sein werden als die heutigen mobilen Telefone, die in ihrer Reichweite zudem auch noch übertroffen werden.

Motorola Inc. ist mit seinem Iridium-System theoretisch am weitesten fortgeschritten: Mit einem nur 250 Gramm schweren Telefonhörer, der über einen kleinen, eingebauten Bildschirm auch schriftliche Nachrichten vermittelt, kann über noch zu entwickelnde und schließlich zu startende Satelliten weltweit kommuniziert werden — die Sekretärin erreicht dann ihren Chef in der Bahn, im Flugzeug, inj Urwald, in der Wüste, vorausgesetzt, der Boß hat sein Super-Telefon bei sich. Aber da das leicht und nicht größer als ein Taschenrechner ist, paßt es buchstäblich in die berühmte Westenta

sche. Dieses Motorola-System wird Iridium genannt, nach den geplanten Satelliten, auf denen es basiert. Motorola wird es nicht allein entwickeln und bauen, sondern sucht Partner, weil die Investitionen dafür rund vier Milliarden Dollar kosten werden. Als Partner sind derzeit IBM und AT&T im Gespräch.

So groß die Investitionssumme für das Iridium-System erscheint, so preiswert sollen die Endgeräte sowie das Kommunizieren sein, und das trifft nicht nur für das Motorola-System zu, sondern auch für andere mögliche Anbieter, darunter Apple und L. M. Ericsson oder Matsushita:

BILLIGER ALS JETZIGE HANDIES

Ein drahtloses Taschentelefon, mit dem weltweit kommuniziert werden kann, soll letztlich unter 600 Dollar kosten, und die Gebühren dürften um 20 bis 40 Prozent unter denen heutiger Funktelefone hegen - heißt es in amerikanischen Industriekreisen, die ihre Kalkulationen gemeinsam mit Kommunikations- konzernen und Wall Street gemacht haben.

So unglaublich diese Preise derzeit auch klingen, so überzeugend ist die Argumentation für die entsprechenden Berechnungen:

Vor rund zehn Jahren hatte AT&T vorausgesagt, daß um das Jahr 2000 in den USA 900.000 mobile Telefone im Einsatz sein würden - heutzutage, also sechs Jahre früher, ist diese Prognose bereits um das Zwölffache übertroffen worden. Und je mehr PCNs ihre Dienste mit den unterschiedlichsten Endgeräten

anbieten, umso billiger wird das drahtlose weltweite Kommunizieren natürlich. Fachleute in Amerika und Kanada sagen dem neuen drahtlosen« Übermittlungssystem ein explosionsartiges Wachstum voraus. Eine Mo- torola-Untersuchung geht davon aus, daß um das Jahr 2000 rund 20 Millionen Amerikaner mit den neuen drahtlosen Geräten arbeiten werden, und daß der entsprechende Endgerä- te-Markt dann ein Jahresvolumen von schätzungsweise fünf Milliarden Dollar ausweist. 90 Prozent der 3.500 von Deloitte and Touche befragten US-Manager glauben, daß die neuen Kommunikationsmöglichkeiten die US-Produktivität ab Mitte der neunziger Jahre rapide ansteigen lassen. Und der amerikanische Software- Marktführer Microsoft sagt voraus, daß der Bedarf an die drahtlosen

Geräte allein in den USA um das Jahr 2000 pro Jahr 3Ö Millionen Stück übersteigen wird - und damit dem heutigen PC-Volumen entspricht.

Das „Angebundensein“ höre auf, meint der Kommunikations-Experte Craig McCaw zu der beginnenden drahtlosen Epoche, und fügt hinzu: „Der Mensch hat seinen Weg als Nomade begonnen — jetzt kehrt er dahin zurück, und das mag seine natürlichste Beschaffenheit sein.“

Die kommenden drahtlosen Networks dienen keineswegs nur „angeschlossenen“ Personen. Auch mit Gegenständen zu „plaudern“ wird im Zuge dieser Entwicklung möglich sein:

Güterwaggons, Lastwagen und Container können mit Sensoren bestückt werden, so daß ihre Ortung einfach und genau wird, daß also der Ort, an dem sich beispielsweise ein Container befindet, jederzeit auf ei- jiem der drahtlosen Telefone mit Bildschirm oder eingebautem Mini- Fax - ja, auch das wird es geben! - abgelesen werden kann.

Auch Getränke-Automaten können mit derartigen Sensoren ausgestattet werden. Dann wird es dem Nachfüller einfach gemacht, denn er kann rechtzeitig durch sein Drahtlos-Gerät informiert werden, wo Dosen und Flaschen nachgefüllt werden müssen.

Die drahtlose Kommunikation wird grenzenlos und schnell. Die Entwicklung, die da auf uns zukommt, entspricht der Erfindung der Glühbirne oder des Computers. Eine neue technische Großrevolution steht bevor.

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