Millenium Zahlenmatrix - © Foto: iStock/kirstypargeter (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

„Millennium-Bug“: Chaos der Rechensysteme

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Kurz vor dem Wechsel ins Jahr 2000 warnten IT-Experten – und Sektenführer – vor dem „Millennium-Bug“, der Computersysteme weltweit zum Einstürzen bringen könnte. Was war passiert? Eine Rückblende auf den 31. Dezember 1999.

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Kurz vor dem Wechsel ins Jahr 2000 warnten IT-Experten – und Sektenführer – vor dem „Millennium-Bug“, der Computersysteme weltweit zum Einstürzen bringen könnte. Was war passiert? Eine Rückblende auf den 31. Dezember 1999.

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Im Juli 1999 berichtete ein Patient im psychiatrischen Krankenhaus von Oxleas im Londoner Stadtteil Greenwich, er habe den „Millennium-Bug“ verschluckt. Damit wolle er die Menschheit retten, indem er den hinterhältigen „Käfer“, den Urfehler des befürchteten Computerzusammenbruchs zum Jahr 2000, erst am 31. Dezember 1999 wieder ausspuckt. So könne dieser keinen Schaden mehr anrichten.

Ein anderer Patient musste unter besondere Beobachtung gestellt werden, nachdem er plötzlich eine Stimme zu hören glaubte, die ihm einflößte, die Mauern der Klinik einzureißen, um die Millenniumsapokalypse zu verhindern.

Um das Jahr 2000 rankten sich viele Mythen und Blackout-Szenarien. Allen voran bereitete ein möglicher sogenannter Millennium-Bug, also ein genereller Zusammenbruch aller Computersysteme, Politikern weltweit große Sorgen. Banken, der Industriesektor, Kraftwerke und sogar Atomwaffen könnten durch die Verwirrung der Computersysteme fehlgeschaltet oder lahmgelegt werden. Ein Börsencrash, eine Weltwirtschaftskrise oder sogar die Fehlauslösung nuklearer Waffensysteme waren nur einige der Szenarien für den Jahreswechsel. Auch Flugzeugabstürze wurden vorausgesagt. Die mediale Berichterstattung führte bei vielen zu Hamsterkäufen und Vorbereitungen auf einen möglichen Blackout.

Sogar der damalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani soll die Silvesternacht angeblich in einem Betonbunker unter dem World Trade Center verbracht haben, aus Schutz vor biologischen und chemischen Waffen. Der Grund: Ältere Computer rechneten zu dieser Zeit mit zweistelligen Jahreszahlen und könnten durch die zwei Nullen von 2000 wieder auf das Jahr 1900 zurückfallen und dadurch fehlgeleitet werden, lautete die Befürchtung amerikanischer IT-Experten. Aber auch in Europa rüstete man sich für die Umstellung.

So simulierte etwa die Deutsche Bahn den Datumssprung schon am 6. Dezember mit einer falschen Silvesterfahrt zwischen Kassel und dem nordhessischen Kirchheim. Danach verkündete sie erfolgreich, dass die Fahrt problemlos verlaufen sei. Viele Unternehmen führten solche Tests durch, auch um für Beruhigung zu sorgen.

Endzeitsekten boomten

Das Jahr 1999 rief auch sämtliche Sektenführer auf den Plan. Zwei Daten standen dabei im Vordergrund: der 11. August mit der letzten totalen Sonnenfinsternis des Jahrtausends und die Silvesternacht. Letztere wurde vor allem für die Heilige Stadt Jerusalem zu einer möglichen Bedrohung. So sagten sämtliche Endzeitsekten das Erscheinen von Jesus auf dem Tempelberg voraus und behaupteten, dass die Apokalypse über Israel hereinbricht. Mehrere Mitglieder der US-Sekte „Besorgte Christen“ („Concerned Christians“) wurden daher bereits Anfang des Jahres nach Berichten über einen geplanten Selbstmord aus Israel ausgewiesen. Die israelische Polizei bereitete sich auf den 31. Dezember als den möglicherweise „gefährlichsten Tag in der Geschichte des Landes vor“, wie die Polizei damals verkündete. So wurden Videoüberwachungskameras installiert und elektrische Zäune angebracht. Die Kosten stiegen dabei in den zweistelligen Millionenbereich.

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