Arbeitsmarkt: Wer nicht hinaufwill, bleibt unten
Ob altes Handwerk oder neue Energiewende – beides braucht Expertise. Zwei Betriebsbesuche geben Antworten auf die Frage, wie Unternehmen Fachkräfte gewinnen und halten können.
Ob altes Handwerk oder neue Energiewende – beides braucht Expertise. Zwei Betriebsbesuche geben Antworten auf die Frage, wie Unternehmen Fachkräfte gewinnen und halten können.
Es regnet, doch Bujar brennt. Seit er als Schüler ein Foto von Monteuren auf Hochspannungsmasten gesehen hat, möchte er auf diesen Arbeitsplatz hinauf. Seine Freunde fragen den 18-jährigen Lehrling für Elektro- und Energietechnik der Wiener Netze: „Bist deppert?“ – gefährliche Arbeitsbedingungen in luftigen Höhen, für Störungseinsätze rund um die Uhr erreichbar sein, bei jedem Wetter rausmüssen… Bujar grinst. Auch eine Antwort, um „Ich will da rauf!“ zu sagen. Diese Woche wird sein Berufstraum „endlich“ Wirklichkeit: Im Finale seiner Lehrzeit steht eine Woche Intensivkurs in der Freileiterschule neben den Gasometern in Wien-Simmering auf dem Programm. Mit zwei Kollegen hat es Bujar nach dem Grundkurs in diese Spezialausbildung geschafft. An Strommastenattrappen lernen die drei, was es an kletter- und elektrotechnischem Knowhow zur Herstellung und Sicherung der Stromversorgung in Wien braucht.
Schulabbrecher in der Lehre
Als Allrounder-Job beschreibt Schulungsleiter Andreas Mang das Anforderungsprofil für diese Höhenarbeiter: „Elektriker sowieso, aber auch Lastwagenchauffeur, Kranführer, Schlosser oder Forstarbeiter, wenn es um das Ausschneiden von Leitungstrassen geht.“ Mang ist seit 30 Jahren dabei, 20 Jahre Ausbilder. Im Unterschied zu früher kämen jetzt mehr Schulabbrecher in seine Kurse, antwortet er auf die Frage, ob und wie sich die Zusammensetzung seiner Lehrlingsgruppen verändert hat. HTL- oder Gymnasiumsschüler erkennen, dass die weiterführende Schule für sie nicht geeignet ist – und wechseln auf die „Karriere mit Lehre“-Schiene. Was Benehmen und Einstellung der jungen Bewerber betrifft, ist Mang – Ausreißer ausgenommen – mit der Jugend sehr zufrieden. Die Kriterien für eine erfolgreiche Berufslaufbahn haben sich für ihn nicht geändert: „Wichtig ist zuerst einmal das Wollen, dann das Talent und schließlich das Können.“
Jobs gibt es für ambitionierte Lehrlinge jedenfalls genug, denn Fachkräfte werden nach der corona-bedingten Delle im Vorjahr händeringend gesucht: In Ostösterreich geben 35 Prozent der Betriebe einen Fachkräftemangel an, in der Steiermark und Kärnten sind es über 45 Prozent. Ähnlich das Bild bei den Lehrlingen. Besonders betroffen sind die für die Energiewende und Digitalisierung wesentlichen Bereiche Technik und IT, aber auch Bauwirtschaft, Holz- und Kunststoffindustrie. Interessieren sich junge Menschen dafür, haben sie ausgezeichnete Chancen.
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