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Digital In Arbeit

LEBENSPHASE WIEDEREINSTIEG

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Am Arbeitsmarkt sind Frauen noch immer die klassischen Aussteiger. Familie und Kindererziehung sind Ursachen unterschiedlich langer Unterbrechungen. Die Dauer dieses Ausstiegs ist für die meisten am Beginn dieser Phase nicht abschätzbar. Ohne Probleme gelingt der Wiedereinstieg in den seltensten Fällen.

Christine Schöberl* ist 39 Jahre. Einen Beruf, der ihr Freude macht, hatte sie bislang noch nicht. Jetzt weiß sie wenigstens, was sie will. Die Schneiderei-Lehre war zufällig und ungeliebt - „Ich habe mir nie ein Kleid genäht." Bei der Gesellenprüfung fiel sie durch. Es folgten einige Jahre im Büro, Jobs als Fahrlehrerin, im Außendienst. Auch privat gab es keine Kontinuität. Alkohol und Tabletten wurden unentbehrlich. Vor zwei Jahren hatte sie genug davon. Sie schaffte die Lösung von den Drogen. Damit wuchs aber auch der Wunsch nach einer neuen, eigentlich erstmaligen beruflichen Planung. Im Herbst 1990 begann sie einen dreimonatigen Berufsorientierungskurs der Arbeitsmarktverwaltung. Jetzt weiß sie, daß sie ihre Aufgaben im sozialen Bereich suchen muß. Derzeit läßt sie sich zur Bewährungshelferin ausbilden. Sie weiß jetzt aber auch, daß sie keinen Full-Time-Job möchte. Dann würde ihr die Zeit fürs Lesen und Malen zu kurz. Dafür verzichtet sie auch gerne auf ein höheres Einkommen.

Dieses Beispiel zeigt, daß der Wiedereinstieg erst gelingen kann, wenn andere existentielle Probleme gelöst sind.

„Sie sei arbeitsmarktpolitisch nicht mehr tragbar" mußte sich die 53jähri-ge Helga Kampe* am Arbeitsamt sagen lassen. Nach der zweiten Scheidung muß sie aber selbst für ihren Unterhalt sorgen und da sie lange Jahre bei „drei Kindern, Gulasch und Windeln" zu Hause gewesen ist, fehlen der ehemaligen Direktionssekretärin mit Cambridge-Prüfung auch anrechenbare Pensionszeiten. Die Teilnahme am Berufsorientierungskurs hat sie sich trotzdem erkämpft, jetzt erweitert sie gerade ihre EDV-Kenntnisse und mit etwas Glück hat sie bald ihren alternativen Traumjob - „Ich will endlich mit Jeans in die Arbeit gehen können!" - bei einem Fahrrad-Verleih. So ganz nebenbei plant die gelernte Kunsthandwerkerin noch ein selbständiges Standbein mit Lampen, Seidentüchern.

Aufgrund ihrer hervorragenden Ausbildung - H AK-Matura und durch Auslandsaufenthalte perfektionierte Fremdsprachenkenntnisse - hatte Elisabeth Rauter* kaum Probleme,

sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Obwohl sie mehr als zehn Jahre zu Hause bei Mann und zwei Kindem das Kommando geführt hatte. Daran ist auch ihr erster Job gescheitert, denn die Familien-Managerin hatte Probleme, sich einem inkompetenten Chef unterzuordnen. Ausreichend Verantwortung konnte sie dann in einem Naturkost-Laden übernehmen, doch ein Bandscheibenvorfall beendete nach zwei Jahren diese alternative Idylle. Jetzt ist sie Seele und Motor eines Vereins, der sich die Verbindung von Wissenschaft und Praxis im Bereich Organisation zum Ziel gesetzt hat.

Auf eigenen Beinen

Simim Ahofs* Ausstieg liegt schon einige Zeit zurück, in ihrer persischen Heimat hat sie einige Zeit neben dem Haushalt„nur" studiert. In Österreich hat sie dann das ungeliebte Informatikstudium fortgesetzt, aber schon bald unqualifizierte Jobs angenommen. Die Familie mußte sich eine Existenz schaffen. Eigentlich wollte sie immer als Sozialarbeiterin tätig sein, jetzt -nach nur zwei Monaten Berufsorientierungskurs - hat sie es geschafft.

Tatsächlich wollte Hedy Paulus* wieder arbeiten, um bei der Scheidung materiell auf eigenen Beinen zu stehen. Einen unbefriedigenden Job in einer Druckerei hat die 39jährige, die vor der Kinderpause als Chefsekretärin gearbeitet hat, sofort gefunden. Damit dieser aber nicht zur Sackgasse wird, erweiterte sie ihre EDV-Kenntnisse in Abendkursen. Jetzt managt sie 60 Mitarbeiterinnen im Sozialbereich - und hat keine Zeit mehr, an die Scheidung zu denken.

Eva Windisch* hat als Gattin eines international tätigen Managers lange Jahre nicht einmal daran gedacht, wieder selbst berufstätig zu sein. Nach der Scheidung hatte sie keine andere Wahl. Als nützlich erwies sich jetzt ein sechsmonatiger B üropraxis-Kurs, den sie 1986 eher zufällig absolviert hatte. Erprobt hat sie ihre Fähigkeiten nur bei gelegentlichen Urlaubsvertretungen. Jetzt hat die 45jährige ihre Aufgaben in einem Parteisekretariat bereits im Griff. Erfahren hat sie von diesem Arbeitsplatz im Freundeskreis. Die Aufgaben im Haushalt hat sie teilweise an ihren 16jährigen Sohn delegiert, nur für die Weiterbildung bleibt derzeit wenig Zeit.

Sechs Beispiele aus einer großen, zahlenmäßig gar nicht genau erfaßbaren Schar von Frauen, die sich wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern möchten.

* Name von der Redaktion geändert.

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