WWF-Ernährungsexperte Dominik Heizmann - © Tamara Greiner / WWF

WWF-Ernährungsexperte Dominik Heizmann: „Mehr Absatzmärkte für B-Waren“

19451960198020002020

Für ein Ernährungssystem ohne Verschwendung brauchen wir eine Kraftanstrengung vom Feld bis zum Teller, fordert der WWF-Ernährungsexperte Dominik Heizmann – und betont die globale, soziale und ökologische Tragweite des Umgangs mit Lebensmitteln.

19451960198020002020

Für ein Ernährungssystem ohne Verschwendung brauchen wir eine Kraftanstrengung vom Feld bis zum Teller, fordert der WWF-Ernährungsexperte Dominik Heizmann – und betont die globale, soziale und ökologische Tragweite des Umgangs mit Lebensmitteln.

Werbung
Werbung
Werbung

Lebensmittelverschwendung vergeudet Ressourcen und zerstört die Umwelt. Deswegen engagiert sich der World Wildlife Fund (WWF) für einen sorgsamen Umgang mit dem täglichen Brot – und fordert entwaldungsfreie Lieferketten.

DIE FURCHE: Herr Heizmann, der WWF steht primär für Tier- und Naturschutz. Warum haben Sie sich auch dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung verschrieben?

Dominik Heizmann: In Lebensmitteln stecken kostbare Ressourcen – Energie, Wasser und fruchtbarer Boden. Lebensmittelverschwendung bedeutet daher Ressourcenverschwendung. Das können wir uns nicht erlauben, wenn wir alle Menschen innerhalb der planetaren Grenzen ernähren wollen. Und Lebensmittelverschwendung ist für rund zehn Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Das ist fast doppelt so viel wie der jährliche Ausstoß des Autoverkehrs in der EU und den USA zusammen.

DIE FURCHE: Weltweit rechnet man mit 2,5 Milliarden Tonnen weggeworfener Lebensmittel, das sind 40 Prozent der einschlägigen Produktion; in Österreich geht man von 800.000 Tonnen aus. Wie valide sind diese Zahlen?

Heizmann: Auch wenn es sich teils um fundierte Schätzungen und nicht um exakte

Daten handelt, ist klar: Die Menge an vermeidbaren Lebensmittelabfällen ist enorm. Um dem Problem Lebensmittelverschwendung effektiv entgegentreten zu können, sollte die Datenlage weiter verbessert werden – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Es ist wichtig zu wissen wo, wie viel und warum Lebensmittel verlorengehen. Daraus können wir dann konkrete Ziele und wirkungsvolle Maßnahmen ableiten, die sich auch evaluieren lassen.

DIE FURCHE: Hat die Pandemie das Problem verstärkt?

Heizmann: Die Pandemie hat unsere Essgewohnheiten und unser Einkaufsverhalten, Stichwort Hamsterkäufe, verändert. Auch Erntehelfer sind ausgefallen, Lieferketten waren unterbrochen, und die Gastronomie ist als Abnehmer von Lebensmitteln teilweise weggefallen. Alles das führte zu mehr Lebensmittelabfällen. Die Pandemie hat gezeigt, dass lange und vielgliedrige Lieferketten anfälliger für Krisen sind. Kurze, regionale Lieferketten können unser Ernährungssystem resilienter machen und Lebensmittelverschwendung reduzieren.

DIE FURCHE: Wie gehen Armut und Lebensmittelverschwendung zusammen?

Heizmann: Es zeigt das Janusgesicht unseres Ernährungssystems: Überfluss auf der einen, Mangel auf der anderen Seite. Durch den Import von Nahrungs- und vor allem Futtermitteln ziehen wir überlebensnotwendige Ressourcen wie Wasser, gesunden Boden und Nährstoffe aus anderen Regionen der Welt ab. Der Umgang mit Lebensmitteln wird so zur sozialen und ökologischen Frage mit globaler Tragweite. Ein wichtiger erster Schritt wäre ein Importstopp von Produkten, die auf Kosten von Ökosystemen und Menschen in anderen Ländern erzeugt werden. Deshalb fordert der WWF gemeinsam mit anderen Organisationen ein EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten.

DIE FURCHE: Ziel der UN-Agenda 2030 ist, Lebensmittelverschwendung zu halbieren. Wie soll das funktionieren?

Heizmann: Wir fordern für alle Akteure der Wertschöpfungskette ergänzend zu freiwilligen Maßnahmen verbindliche Reduktionsziele und Maßnahmenpakete. Zusätzlich braucht es, wie im Regierungsprogramm verankert, eine Verbesserung der Datenlage und die Evaluierung von Gesetzen und Fördersystemen. So sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum auf EU-Ebene überarbeitet und die rechtliche Lage bei der Weitergabe von Lebensmittelspenden verbessert werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung