Legendäre Hahnenkamm-Seilbahn - Das Selbstbild von der Ski-Nation Nummer eins passe nicht mehr, kritisiert Franz Schenner, Sprecher der Allianz Zukunft Winter: Das sei Toni-Sailer-Tradition, aber nicht die heutige Realität. - © Wolfgang Machreich

„Wir leben vom Marketingspeck der Vergangenheit“

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Eine ganze Generation sei dem Skifahren verloren gegangen, beklagt die „Allianz Zukunft Winter“. Sprecher Franz Schenner über geförderte Wintersportwochen als Gegenmaßnahme, den Klimawandel und chinesischen Gigantismus.

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Eine ganze Generation sei dem Skifahren verloren gegangen, beklagt die „Allianz Zukunft Winter“. Sprecher Franz Schenner über geförderte Wintersportwochen als Gegenmaßnahme, den Klimawandel und chinesischen Gigantismus.

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Der Wintersport sei „ein Orchester, in dem nicht die Solisten zählen, sondern das Gesamtkunstwerk“, sagt Franz Schenner. Der Salzburger ist Sprecher der Plattform „Allianz Zukunft Winter“, die sich für Wintersport und Tourismus sowie den Fortbestand der „Ski-Nation Österreich“ einsetzt.

DIE FURCHE: Herr Schenner, welche Erwartungen verbinden Sie mit den Olympischen Winterspielen in Peking für den Wintersport und Tourismus in Österreich?

Franz Schenner: In China wurden Milliarden in die Zukunft des Wintersports investiert – in Infrastruktur, Seilbahntechnik, Beschneiung, Sportartikelhandel, Skiverleih etc. Diese Zukunft sollten wir als Markt nützen. So wie vor Jahrzehnten in Japan muss Österreich jetzt Ski-Missionare nach China schicken. Diese Olympiade bietet die Chance, das Potenzial der chinesischen Vision von 300 Millionen aktiven Skifahrern anzuzapfen …

DIE FURCHE: … damit unsere Skigebiete für Chinesen so attraktiv wie Hallstatt werden?

Schenner: Touristisch erwarte ich mir wenig. Ich glaube nicht, dass Chinesen in großer Zahl zum Skifahren zu uns kommen. Die lernen Ski fahren in China, und dann fliegen sie nach Japan, Australien oder Amerika. Damit sie zu uns kommen, müssten wir Skifahren mit einer Mozart-Oper verbinden und einen Drei-Tages-Trip daraus machen.

DIE FURCHE: Sie haben Japan als das Mustermissionsland für österreichische Skipartnerschaften erwähnt – lässt sich dieses Erfolgsmodell in China wiederholen?

Schenner: In der Dimension, wie wir das in Japan erlebt haben, sicher nicht. In der besten Zeit wurden in Japan jedes Jahr gut 2,3 Millionen Paar Ski verkauft, davon mehr als die Hälfte „made in Austria“. Das hat sich dramatisch reduziert. Japan ist für mich ein Schreckensmodell: Dort gibt es rund zehn Skiregionen, die wirtschaftlich am Ende sind, jedoch von der Regierung weiter finanziert werden, da Rückbau und Renaturierung noch teurer wären.

DIE FURCHE: Ein Schreckensmodell, das auch Österreich droht? Dazu ein Beispiel: Meine Tochter fährt im März – hoffentlich – auf Wintersportwoche. Von den Kindern in ihrer Klasse können mit zwölf Jahren erst drei Ski fahren!

Schenner: Ich sage schon lange, dass wir keine Ski-Nation mehr sind. Dieses Selbstbild kommt aus der Tradition eines Toni Sailer – aber nicht, weil wir das immer noch sind. Wir leben vom Marketingspeck der Vergangenheit und bilden uns darauf auch noch etwas ein. Marketingtechnisch sind wir am Stand der 1970er Jahre und träumen davon, dass die ganze Welt zu uns zum Skifahren kommt. Wir müssen froh sein, dass der Eiserne Vorhang aufgegangen ist und skibegeisterte Polen, Tschechen, Slowaken zu uns Ski fahren kommen. Und konkret zur Situation in der Klasse Ihrer Tochter: Das ist leider nicht die Ausnahme. Wir haben eine Elterngeneration komplett verschlafen. Wenn die heute 30- bis 40-jährigen Eltern nicht mehr Ski fahren, wie sollen dann die Kinder damit anfangen? Die wichtigsten Marketingzielgruppen sind deshalb für mich Familien und Schulen. Vor fünf Jahren haben wir uns in Salzburg gezielt angeschaut, warum die Kinder nicht mehr wie früher auf Wintersportwoche fahren.

DIE FURCHE: Mit welchem Ergebnis?

Schenner: Es hängt zunächst an den Lehrpersonen. Die haben keine Lust darauf, eine Woche am Babyhang zu stehen. Daraufhin starteten wir in Salzburg das Pilotprojekt „Ski fahren lernen in drei Tagen“. Wir bieten den Schulen an, dass jene Kinder, die noch nie auf Skiern gestanden sind, drei Tage in den örtlichen Skischulen unterrichtet werden. Dann sind sie so weit, dass sie mit den anderen mitfahren können. Das ist auch ein Integrationsprojekt und stärkt die Klassengemeinschaft. Bereits 12.000 Kinder haben wir so in den Schnee gebracht.

DIE FURCHE: Apropos Schnee – dessen Fehlen ist eine weitere Unsicherheit für die Skizukunft. Wie muss der Tourismus auf die Klimaerhitzung reagieren?

Schenner: Der Klimawandel darf nicht verniedlicht werden, gleichzeitig dürfen wir den Wintersport nicht kaputtreden. Der Wintertourismus steht und fällt mit dem Schnee, das ist unsere Geschäftsgrundlage. Damit wir diese garantieren können, brauchen wir technische Beschneiung. Ohne technischen Schnee keine Schneegarantie und ohne Schneegarantie leere Betten, geschlossene Geschäfte und ein wirtschaftliches Desaster für unsere alpinen Regionen. Letztlich wird alles davon abhängen, wie gut wir unser Produkt Skifahren verkaufen. Da gehören aber auch die Tourengeher dazu, die Langläufer, Schneeschuhwanderer etc. Und die Klimaerwärmung bringt touristisch gesehen ja auch einen positiven Effekt: Viele fliehen vor der Sommerhitze in die Berge, damit rechnet sich auch unsere Infrastruktur.

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