Was ist denn gute Arbeit?"

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Arbeitslosigkeit war zentrales Thema der Jugendwallfahrt nach Mariazell in der vergangenen Woche. Bei einer Podiumsdiskussion wurde über den angespannten Lehrstellenmarkt, Billigjobs und über das Image der Lehre diskutiert.

Mit der Frage, was ist in unserer Gesellschaft und für jeden einzelnen denn eine gute Arbeit, gab der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer den roten Faden der Diskussionsrunde vor.

Sein Gegenüber, Sozialminister Erwin Buchinger, warf die These ein, dass jede Arbeit besser sei als keine, um sie sogleich zu relativieren: "Für den individuellen Fall, mag das stimmen, doch für die gesamte Gesellschaft gilt das nicht", meinte Buchinger. Denn es würden sonst nur "Jobs" geschaffen, die keine Zukunftsperspektive und Existenzsicherung bieten würden. Die Regierung hat daher das Vorhaben, "nicht nur, more jobs' zu schaffen, sondern, more and better jobs'", sagte der Sozialminister, der sich der Diskussion und den Fragen einiger Dutzend Jugendlicher stellte, während sein Regierungskollege Martin Bartenstein abgesagt hatte.

Mehr und bessere Jobs

"Jobs" sollen also wieder "richtige Arbeitsstellen" werden - ganztags und existenzsichernd. Buchinger nannte in diesem Zusammenhang die Einführung des Mindestlohnes von 1000 Euro, welcher für Österreich "eine Revolution" darstelle, sowie Sozialversicherungen für freie Dienstnehmer und schärferes Vorgehen gegen Sozialbetrug.

Bischof Scheuer stellte die Wertigkeiten der Arbeitswelt in Frage: "Welche Arbeit gilt als etwas, welche Arbeiten werden wegrationalisiert, wer wird an den Rand gedrängt", fragt der Professor für Dogmatik und kritisierte, dass Arbeitsplätze nur mehr nach einer Kosten-Nutzenrechnung beurteilt würden. "Wenn Ökonomie alles besetzt, wird das menschliche Leben verhext", zitiert er den Philosophen Theodor Adorno. Was Arbeitslosigkeit für den Einzelnen bedeutet, an Ausgrenzung, an Verlust der wichtigen Tagesstruktur, darauf müsse die Kirche immerzu hinweisen. Mehr als symbolische Handlungen könne die Kirche aber nicht setzen, war sich der Bischof bewusst, aber dennoch sei auch die Kirche bemüht, Lehrstellenplätze in ihrem Bereich zu schaffen.

Die verheerende Schweigespirale, die Arbeitslosigkeit bei den betroffenen Jugendlichen auslöst - dass sich diese immer mehr isolieren und ihnen gewidmete Veranstaltungen kaum aufsuchen -, war den Diskutanten bewusst. Elisabeth Steinmayr, eben maturiert und bei der Katholischen Jugend in Oberösterreich engagiert, verwies auf die Gruppenbildung unter den Jugendlichen: "Jeder bildet einen eigenen Freundeskreis, die Maturanten, die Lehrlinge, jene, die keine Arbeit haben." Daher seien solche Diskussionsrunden so wichtig, da aufgezeigt werde, dass "Arbeitslose kein faules Pack" seien, sondern welche enorme Schwierigkeiten es gebe, eine Arbeitsstelle zu finden. "Es ist sehr wichtig, dass Arbeitslosigkeit enttabuiert wird und die Kommunikation mit betroffenen Jugendlichen aufgebaut wird", betont die Maturantin.

Aber hat Lehre überhaupt eine Zukunft, ist "Karriere mit Lehre" angesichts zunehmender Akademisierungstendenzen und Bildungsdebatten nicht ein hohler Spruch, wollte ein junger Mann aus dem Publikum wissen und verwies auf Absichten, Kindergärtnerinnen oder Pflegeberufe mit Universitätsabschluss auszurüsten, wobei viele, die aber begabt wären, da nicht mitkämen. Buchinger gab zu, diese Tendenz auch kritisch zu sehen. Er plädierte daher für die breite Öffnung von Matura und Studiumschancen für Lehrlinge und Facharbeiter, gab aber zu bedenken, dass die Gleichstellung von Lehre und Matura im Image und Wertigkeit oft nur Lippenbekenntnisse seien. "Wenn von Leuten aus der Wirtschaft gesagt werde, man müsse das Image der Lehre heben, dann kann ich es mir oft nicht verkneifen zu fragen: Und was wollen Sie für Ihre Kinder? Natürlich kommt dann als Antwort: Die sollen Matura machen."

Zur Verbesserung des Lehrstellenmarktes sympathisierte der Sozialminister mit dem Vorschlag der Katholischen Jugend nach einem "Lehrlingsfonds", in den alle Betriebe einzahlen, der aber nur jenen zu Gute kommen soll, die auch wirklich Nachwuchs ausbilden. Buchinger wies darauf hin, dass es nun erstmals seit 30 Jahren - so lange begleitet ihn diese Idee bereits - eine Chance auf Realisierung der "solidarischen Förderung der Lehrlingsausbildung" gebe. Zwischen den Sozialpartnern sei es zu einer Grundeinigung gekommen. Den "Blum-Bonus", der für jeden zusätzlichen Lehrling in einem Betrieb Subventionen vorsieht, kritisierte Buchinger, da er wie "eine Gießkanne" wirke und für manche Firmen zur "selbstverständlich gewordenen Alimentation" geworden sei. Gefördert sollten vor allem jene Betriebe werden, die etwa Mädchen in männerdominierten Berufen ausbilden (siehe Seite 2), oder "Mangelberufe".

Das Leben lernen

Dass viele Jugendliche die falsche Berufswahl treffen würden oder zu schlecht auf die Arbeitswelt vorbereitet sind, dass überhaupt zu wenig Zeit für Berufsberatung in Schulen sei, wurde von einer Lehrerin am Polytechnikum betont und führte zur Diskussion über die Aufgabe von Bildung. "Es muss mehr darum gehen, das Lernen zu lernen sowie Entscheidungen zu treffen und sich im Leben zu orientieren", sagte Manfred Scheuer: "Kurzfristige Verwertbarkeit darf nicht das Kriterium für Bildung sein." Elisabeth Steinmayr erzählte von ihrer eigenen Schulzeit, dass es ihrer Klasse nicht erlaubt war, eine Berufsmesse zu besuchen. Vor allem sei es notwendig, so die junge Frau, dass das Selbstbewusstsein und die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen gestärkt werden, was immer noch viel zu wenig der Fall sei. Regine Bogensberger

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