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Digital In Arbeit

Gebt Arbeit der Jugend!

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Wir erleben jetzt, wie schon einmal vor etwa einem Jahrzehnt zur Zeit der Wirtschaftskrise, den großen Arbeitsmangel für die Jugend in den Städten und namentlich in Wien sowie eine auffällende Arbeitsunlust bei einem Teil dieser Jugend. Die ländliche Jugend fügt sich nach wie vor ohne Schwierigkeiten in den landwirtschaftlichen Arbeitskreis ein und auch ein großer Teil der Stadtjugend sucht — freilich nur zu oft vergeblich — nach Lehrstellen oder obliegt den Stuclien. Daneben gibt es aber nocrl eine sehr bedeutende Schidite von Jugendlichen, deren Treiben man nicht ohne Sorgen zu beobachten vermag. Halbwüchsige kann man sdion an Vormittagen in den Kaffeehäusern um den Billardtisdi geschart sehen, sie betreiben auch an Werktagen den Skisport, lungern an Straßenecken herum und beteiligen sidi am Schleichhandel. Erschreckend ist die Kriminalität der Jugend und der Fall, der vor kurzem durdi die Tagespresse ging, wobei berichtet wurde, daß ein Jugendlicher Raubmord an seiner Großmutter beging, wirft ein grelles Licht auf diese Schidite arbeitsscheuer junger Menschen.

Diese Erscheinungen weisen auf Gefahren, die nidit bloß den Jugendlichen selbst drohen, sondern auch der Aufbauarbeit des Staates. Hier darf man wahrhaftig nicht die Hände in den Schoß legen und sieht damit zufrieden geben, es werden mit der Besserung der Lebensverhältnisse auch diese Erscheinungen ihr Ende finden, vielmehr gilt es, sogleich energisch zuzugreifen, denn von dieser Jugend wäre, wenn man sie in ihrem Tun und Lassen ungestört ließe, jetzt und auch in Zukunft nichts Gutes zu erwarten.

Die Maßnahmen, die da ins Auge gefaßt werden müssen, sind teiL sofort zu treffen, teils sind sie vorzubereiten, um in naher Zukunft wirksam zu werden.

Die Absicht der Regierung, in Österreich die Arbeitspflicht gesetzlich zu verankern — die Gesetzesvorlage ist bereits im Nationalrat eingebracht worden — ist gerade für die bezeichnete Schichte der Jugendlichen von größter Bedeutung. Bei der Durchführung des Gesetzes, die wohl eine Meldepflicht einschließt, wird sich eine Übersicht ergeben, wie viele Jugendlidie weder in einer Lehre noch in irgendeinem anderen Arbeitsverhältnis stehen. Die Arbeitsämter müssen zunächst alles daransetzen, diese Jugendlichen so rasch als möglich in irgendein Arbeitsverhältnis zu bringen, damit sie beschäftigt sind. Dann wird man allmählich trachten müssen, sie ift einer Lehre oder in einer Lehrwerkstätte unterzubringen. Das wird jedoch nur unter der Voraussetzung möglich sein, daß Ha n d-werk und Industrie der Aufnahme von Lehrlingen und jugendlichen Arbeitern entgegenkommen. Gewiß erschweren die vielen zersdilagenen Arbeitsstätten und der Mangel an Arbeitsmaterial ehr solches Entgegenkommen, zumal die jArbeit in Handwerk und Industrien überall erst den Anlauf nimmt. Aber wo immer es irgend möglich ist, soll der Forderung nach Bereitstellung von Arbeitsplätzen für die Jugend Redinung getragen werden.

Die Jugendlichen, die auf diese Weise in ein Arbeitsverhältnis gelangen, aber auch diejenigen, die vielleicht darauf noch warten müssen, haben pflichtgemäß die Fortbildungsschule zu besuchen. Für die ersteren bedeutet der Besuch dieser Schule eine notwendige Ergänzung zur Lehre, für die letzteren ist er vor allem von erziehlicher Bedeutung, denn sie sind gezwungen, wenigstens für einige Stunden in der Woche eine ernste Pflicht zu erfüllen, sie gelangen in die Atmosphäre der Berufsarbeit und be-reidiern ihr Wissen und Können.

So wird durch ein gutes Zusammenwirken von Arbeitsamt, Arbeitgeber und Fortbildungsschule die akute Gefahr, die durch die arbeitsscheue Jugend heraufbeschworen ist, möglichst gebannt werden. Neben diesen Maßnahmen, die keinen Aufschub dulden, soll auch solchen das Augenmerk zugewendet werden, die ein Ansammeln von arbeitsloser und arbeitsscheuer Jugend verhindern und ihre, Eingliederung in den Arbeitsprozeß fördern.

In dieser Hinsicht gilt es, zunächst die Berufsberatung wieder zeitgerecht zu beleben, so daß sie der Jugend, die am Ende des laufenden Schuljahres die Pfliditschule verläßt, bereits dienstbar ist. Die Berufsberatungsstellen wissen nicht bloß, welche Arbeitszweige mit Anwärtern überfüllt sind und welche Kräfte brauchen, sie sind audi in der Lage, den einzelnen Jugendlichen auf Grund der Unterlagen, die sie von der Schule erhalten und die sie sich durdi eigene Untersuchungen schaffen, zu beraten. Immer wieder werden von den Jugendlichen gewisse Berufszweige stark begehrt und andere sehr wichtige und für die Jugend auch aussichtsreiche verschmäht. Für die Berufszweige der Elektrotechnik, der Autömechanik und der Installateurarbeit beispielsweise kann es gar nicht genug Lehrstellen geben, aber den Berufen des Spenglers, des Schmiedes, des Schneiders und des Schusters wollen sidi die Jugendlichen nicht zuwenden. In dieser Hinsicht ist eine Aufklärung der Jugend notwendig, die die Berulsberatun'gs-stelle allerdings bloß im Zuge der Berufsberatung-zu geben vermag, die aber in einer nodi wirksameren Weise Aufgabe der Pflichtschule ist.

In der letzten Klasse der Volks- u.n d Haupt schule soll der Berufsgedanke im Mittelpunkt des Unterrichtes stehen. An geeigneten Lesestoffen kann das Ethos der verschiedenen Berufe — etwa die Pünktlichkeit im Beruf des Eisenbahners, die Ehrlichkeit in den Berufen, die mit Geld zu tun haben, die Genauigkeit im Berufe des Uhrmachers und Feinmechanikers und dergleichen — erörtert werden. Der Unterricht in der Naturgeschichte bietet viele Anlässe auf die landwirtschaftlichen, der in der Naturlehre auf die technischen Berufe einzugehen, wobei der Umfang der Berufsarbeit und auch die Anforderungen körperlicher, geistiger und sittlicher Natur, die der einzelne Beruf stellt, besprochen werden können. Solche Erörterungen sollen die Berufswahl der Jugend vorbereiten. Sie geben eine sichere Grundlage für die Berufswahl, die nur zu oft nach ganz äußerlichen Ge-siditspunkten erfolgt und, weil falsch gewählt wurde, später nicht selten Berufsüberdruß sich einstellt.. Zwischen der Berufsneigung 4er Jugend und ihrer Berufseignung besteht ja sehr häufig eine große Differenz. Durch die Vermittlung einer entspredienden Berufskunde sollen die Jugendlidien veranlaßt werden, darüber nachzudenken, ob die Anforderungen; des einzelnen Berufes mit ihren.Anlagen und Neigungen, aber auch mit ihrer Leistungsfähigkeit übereinstimmen. Selbstverständlich sollen die Belehrungen in der Berufskunde auch die Freude zur beruf-lidien Arbeit wecken und die Lichtseiten der versdiiedenen Berufe hervorheben. Wird derart die Berufswahl durch die Schule geistig vorbereitet, so werden es die Berufs-beratungssteUen wesentlich leichter haben, den Jugendlichen den richtigen Weg zu weisen. .

Arbeitet in dieser Weise Schule und Be- . rufsberatung der Berufswahl vor und zeigt sich audi Handwerk und Industrie willig, der Jugend das Tor Arbeit zu öffnen, so wird alsbald die üble Erscheinung einer arbeitslosen und arbeitsscheuen Jugend aus dem Bild der Städte versdiwinden.

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