Gefahr der Verbildung dasdsdfsasddasd

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Für professionelle Optimisten sind die Herausforderung von Globalisierung und - vorübergehender - Arbeitslosigkeit schnell gelöst. Ihr Rezept ist einfach: Ein Stufenmodell der Entwicklung, in dem es gilt, jeweils eine Stufe höher zu springen als der Rest der Welt.

Nachdem die arbeitsintensiven Fertigungen (zum Beispiel Textilien) verloren gingen, setzte man auf kapitalintensive Industrien. Als auch diese abzuwandern begannen (zum Beispiel Stahl- und Schiffsbau), war High-Tech angesagt. Als dann auch die Chipindustrie gen Osten zog, wurde ein neuer Schlachtruf ausgegeben: Wir konzentrieren uns auf Dienstleistungen, hochqualifizierte, wie die Softwareindustrie einerseits und lokalgebundene persönliche, wie Körper- und Gesundheitspflege andererseits. Bald mußten wir feststellen, daß auch in Indien, Taiwan und zunehmend China gute Software geschrieben und Forschungsarbeit auf dem neuesten Stand geleistet wird: Der Wettlauf von Hase und Igel verschärfte sich. Die Idee der reinen Dienstleistungsgesellschaft wurde plötzlich fragwürdig, sind doch viele dieser Dienstleistungen produktionsgebunden.

Ganz so einfach, wie es sich die Profi-Optimisten sich vorgestellt hatten (die in der Regel in geschützten Sektoren sitzen, wie Kammern, Ministerien, quasi-staatlichen Institutionen) war es wohl doch nicht.

In dieser Situation der Ratlosigkeit konnte das Prinzip Hoffnung dann doch wieder aktiviert werden: Es komme nun darauf an, alle produktiven und kreativen Kräfte der Heimat freizusetzen und zu entwickeln. Eine Qualifizierungsoffensive sei erforderlich. Der amerikanische Präsident hat sie für sein Land auch schon vor einigen Jahren offiziell ausgerufen.

Die Botschaft an das Individuum lautet - wenn auch weltlich akzentuiert - ganz ähnlich wie im Mittelalter: Vor dem Himmel steht der Schweiß. Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.

Wenn du dich nur ausreichend bildest, brauchst du Arbeitslosigkeit und geringe Bezahlung nicht zu fürchten - es kommt eben darauf an, schneller zu sein, cleverer und qualifizierter.

Die allgemeine Arbeitsmarktstatistik stützt diese Botschaft: Tatsächlich ist die Chance, arbeitslos zu werden und es auch auf Dauer zu bleiben, für Ungelernte um ein Vielfaches höher als für Personen mit Ausbildung.

Aber - und hier müssen mit einem aber operieren - Qualifizierung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, schon gar nicht ihre hier übliche und von den Institutionen als einzige wirklich beherrschte Form, nämlich jene der formalen Ausbildungsgänge und Studien.

Es hieße, junge Leute irrezuführen, wenn wir ihnen signalisieren, zwei Studienabschlüsse und vielleicht noch ein Doktorat dazu, seien eine Garantie für einen Arbeitsplatz. In Einzelfällen mag dies zutreffen, generell gilt jedoch folgendes: 1. Es geht nicht um irgendwelche Qualifikationen, sondern um solche, die der Markt verlangt. Diese liegen unter Umständen in keinem Ausbildungsgang maßgeschneidert vor, sondern müssen vom einzelnen in kreativer und kombinatorischer Anwendung von Gelerntem erst entwickelt werden. Mathematik zum Beispiel wird in vielen Tätigkeiten gebraucht, doch in der Form, wie sie im Lehrbuch aufscheint, ist sie selten unmittelbar nützlich.

2. Es geht nicht nur ums Kennen, sondern auch ums Können und Wollen. Formelle Ausbildungen decken meist nur das Kennen ab. Wenn sie nicht besonders gut überlegt sind, vermitteln sie zudem ein Kennen mit Verfallsdatum. Dieses ist manchmal abgelaufen, ehe der Ausgebildete es anwenden kann. Das wichtige Wollen, Selbstvertrauen, Lust an Initiative, Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, Fähigkeit, sich auf andere Menschen (Mitarbeiter, Geschäftspartner) einzulassen, bleiben ausgeblendet. Böse Zungen behaupten sogar, sie würden durch Schule & Co untergraben. Träfe ihr Verdacht zu, müßte die Botschaft verändert werden. Nicht so viel Ausbildung wie möglich, sondern die richtige Qualifizierung.

3. Die Rationalisierung schreitet weiter voran, in der Industrie wächst die Produktivität weit schneller als die Nachfrage, wir werden künftig also ein viel schnelleres Auf und Ab der nachgefragten Qualifikationen erleben. Informatikfachleute sind aktuell weltweit so knapp, daß Arbeitgeber im Silicon Valley nebst Gehalt und Beteiligung mit Optionen auf Designermöbel locken. Nach der Bewältigung der Jahrtausendwende, der Umstellung auf den Euro und einer weiteren Vereinfachung von Gestaltungsmöglichkeiten für den Nutzer wird sich dieses Blatt vermutlich wieder wenden.

Es geht also darum, sich von der Idee eines fixen Berufes, einer fixen Anstellung und einer lebenslangen Beschäftigung zu verabschieden. Vorübergehende Phasen der Arbeitslosigkeit werden heute allen Erwachsenen vorhergesagt, auch solchen, die hoch- und mehrfach qualifiziert sind.

Auch deshalb muß die Botschaft verändert werden: Formale Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit nicht. Qualifizierung ist umfassend zu verstehen: Als eine Mischung aus Schule im engeren Sinn (formale Bildung, Kennen), Erfahrungen in unterschiedlichen Kontexten und eigener Initiative der Anwendung.

Damit keine Mißverständnisse entstehen: Das Kennen ist unverzichtbar, insofern enthalten sowohl Qualifizierungsoffensive als auch simple Qualifizierungsbotschaft ein Körnchen Wahrheit.

Wird jedoch übersehen, daß es nicht auf eine leicht verbesserte Neuauflage der alten Bildungsgänge ankommt, sondern auf die radikale Orientierung an umfassender Qualifizierung, führen Qualifizierungsbeschwörungsformeln in die Irre.

Umfassende Qualifizierung zielt auf den ganzen Menschen. Der Mensch bildet sich nicht nur in Schulen: Reisen bildet. Experimentieren bildet, selber Initiativen setzen, einen Verein organisieren, eine Umweltoffensive starten, sich um Kriegswaisen kümmern, einen Teich anlegen, mit Menschen sprechen, die ein ganz anderes Leben leben, all das bildet ebenso wie es Schulen tun. Erst aus der Verbindung beider Elemente entsteht Qualifizierung.

Die Autorin ist Professorin am Institut für Managementberatung an der Universität Graz.

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