6904166-1980_38_15.jpg
Digital In Arbeit

In Österreich kaum Jugendarbeitslosigkeit"

19451960198020002020

Kürzlich gelang der FURCHE (Nr. 35/80) eine amüsante Kombination von Artikeln. Da berichtete Chefredakteur Feichtlbauer über eine medien wissenschaftliche Studie, worin von mannigfaltigen Aufgaben des Journalisten die Rede war. Nur eines mochte man vergeblich suchen - nämlich die Forderung, der Schreiber müsse irgendeine A hnung von dem Thema haben, worüber ersieh auslasse. Daß das tatsächlich eine veraltete Vorstellung sei, dokumentierte das Blatt sogleich durch einen Artikel auf der Seite .Jugend im Gespräch" mit dem Titel,, Unsichtbare Gegner-Phänomen Jugendarbeitslosigkeit".

19451960198020002020

Kürzlich gelang der FURCHE (Nr. 35/80) eine amüsante Kombination von Artikeln. Da berichtete Chefredakteur Feichtlbauer über eine medien wissenschaftliche Studie, worin von mannigfaltigen Aufgaben des Journalisten die Rede war. Nur eines mochte man vergeblich suchen - nämlich die Forderung, der Schreiber müsse irgendeine A hnung von dem Thema haben, worüber ersieh auslasse. Daß das tatsächlich eine veraltete Vorstellung sei, dokumentierte das Blatt sogleich durch einen Artikel auf der Seite .Jugend im Gespräch" mit dem Titel,, Unsichtbare Gegner-Phänomen Jugendarbeitslosigkeit".

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn der Autor in seiner stupenden Ahnungslosigkeit meint, auf die Arbeitsmarktprognose von Clement/Ka-luza/Ahammer seien „noch keine Großtaten gefolgt", so erklärt sich das zunächst einfach daraus, daß langfristige Prognosen der Arbeitsmarktpolitik bereits seit einem halben Jahrzehnt zur Verfügung stehen.

Die umfassendste präsentierte Bundesminister Weißenberg 1977 der Presse. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung ist auch heute noch liebend gerne bereit, Exemplare kostenloser Verfügung zu stellen. Diese Prognosen werden laufend auf den letzten Stand gebracht.

Nun haben sich die „gelassenen" Behörden keineswegs mit Informationen über die allgemeine Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt begnügt, sondern Analysen und Prognosen speziell über den Arbeitsmarkt für Jugendliche ausarbeiten lassen.

Der Arbeitsmarkt für Jugendliche wird natürlich auch in den Jahresberichten des Institutes für Wirtschaftsforschung untersucht, ebenso wie in den jährlichen Sitzungen des Beirats für Arbeitsmarktpolitik beim Bundesministerium für soziale Verwaltung, und er ist Inhalt des jährlich dort ausgearbeiteten arbeitsmarktpolitischen Konzepts. Es gibt kaum einen Bereich des Arbeitsmarktes, der aufmerksamer von den Behörden und Interessenvertretungen verfolgt wird, als jener für Jugendliche.

Doch zunächst die Zahlen: Im Sommer 1979 (Daten für 1980 liegen noch nicht vor, werden sich aber von jenen des Jahres 1979 nicht wesentlich unterscheiden) erreichte der Stand an jugendlichen Arbeitslosen von 15 bis unter 20 Jahren (einschließlich der Lehrstellensuchenden) rund 4.000. Das entsprach einer Arbeitslosenrate von 1,1% gegenüber einer durchschnittlichen von 1,2%. Die registrierte Arbeitslosigkeit Jugendlicher hat sich in Österreich seit 1974 kaum geändert. Die geringfügige1 Zunahme bei Mädchen hält sich in derart engen Grenzen, daß man nicht von einem Problem der Jugendarbeitslosigkeit sprechen kann. Österreich weist aber mit Abstand die geringste Arbeitslosenrate Jugendlicher der ganzen OECD aus.

Allerdings ist damit nur etwas über die registrierte Arbeitslosigkeit ausgesagt. Gerade unter Jugendlichen könnte die versteckte eine Rolle spielen - und das wird in dem Artikel implizit behauptet - weil es sich hier in der Regel um Arbeitskräfte handelt, die erst in das Berufsleben eintreten. Sieht man von den Lehrstellensuchenden ab, deren Erfassung ziemlich vollständig sein dürfte, werden sich arbeitsuchende Jugendliche nicht immer beim Arbeitsamt anmelden.

Die Genauigkeit der Arbeitslosenstatistik hängt eng mit dem Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zusammen. Ein solcher besteht aber für Jugendliche im allgemeinen nicht.

Die Berechnung der versteckten Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen ist aus mehreren Gründen außerordentlich schwierig. Versteckte Arbeitslosigkeit kann sich nur darin niederschlagen, daß die Zahl der Erwerbspersonen in dieser Altersgruppe sinkt. Tatsächlich ist die Erwerbsbeteiligung Jugendlicher beiderlei Geschlechts nach 1974 zurückgegangen.

Einer Untersuchung des Institutes für Wirtschaftsforschung zufolge, dürfte die Zahl der betroffenen Jugendlichen 5.000 nie überschritten haben. Das hätte zwar die altersspezifische Arbeitslosenrate beträchtlich erhöht, wäre aber weit von „Arbeitslosigkeit" geblieben.

Sicherlich ist die Wahlmöglichkeit für Jugendliche auf dem Arbeitsplatz erheblich geringer geworden als in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, zu Zeiten schwersten Arbeitskräftemangels. Aber letztlich gelingt es den Jugendlichen in der Regel doch, einen Arbeitsplatz zu finden. Freilich wird es nicht immer der sein, den sich der junge Mensch vorgestellt hat. Das kann auch gar nicht erwartet werden, denn dazu sind häufig die Vorstellungen der Arbeitsuchenden zu unbestimmt.

Auch zu Zeiten höchster Arbeitsmarktanspannung kommt es in der Gruppe jüngerer Arbeitnehmer relativ häufig zu Stellenwechsel, eben weil sie sich in der Phase eines Suchprozesses befinden, der oft ein Jahrzehnt umfassen kann.

Darüber hinaus aber besteht prinzipiell das Problem, daß die Ausbildung der Jugendlichen nicht immer für ihren zukünftigen Beruf geeignet ist. Das ergibt sich daraus, daß eine Reihe von Gewerbebetrieben zahlreiche Lehrlinge ausbildet (z. B. Bäcker, Schuster, Tischler), diese aber oft nicht über die Lehre hinaus behält. Solche jugendliche Arbeitskräfte müssen dann versuchen, in anderen Berufen unterzukommen.

Diese strukturelle Disparität zwischen Angebot und Nachfrage ist aber aus mehreren Gründen schwer zu ändern. Zunächst war es gerade die duale Lehrausbildung (praktische Lehre und Berufsschule), welche einiges dazu beigetragen hat, daß es in Österreich keine Jugendarbeitslosigkeit gibt - die relativ billigen Lehrlinge finden stets ausreichende Nachfrage.

Umgekehrt hieße eine prinzipielle Umstellung der Lehrlingsausbildung, einer relativ großen Zahl von Betrieben Arbeitskräfte zu entziehen und mit hohen Steuermitteln Lehrwerkstätten einzurichten.

Aber ebenso findet auch nicht jeder Absolvent der mittleren Lehranstalten und der Universitäten immer den erwünschten Arbeitsplatz. Hier kann die Arbeitsmarktverwaltung nur sanierend ex post durch Vermittlung oder Umschulung eingreifen. Wer freilich ein System weiß, in dem bei freier Wahl der Ausbildung und der Berufsvorbereitung, die nur wenig von Marktsignalen beeinflußt werden, jedem der passende Arbeitsplatz angeboten wird, ist herzlich eingeladen, dieses System zu präsentieren. Weltruhm ist ihm sicher.

Ähnlich verhält es sich mit den regionalen Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt. Selbst in den Zeiten der Arbeitskräfteknappheit fanden manche Jugendliche nicht die gewünschte Lehrstelle oder den angestrebten Arbeitsplatz an ihrem ländlichen Wohnort. Dieser Umstand erklärt sich nicht aus einer Tücke der Politiker, sondern einfach daraus, daß es in der Neuzeit Städte gibt und die Betriebe nicht gleichmäßig über das Staatsgebiet verteilt sind.

Dies wissend, hat der Gesetzgeber im Arbeitsmarktförderungsgesetz Möglichkeiten geschaffen, um Jugendliche, die ihre Lehre an einem anderen als ihrem Wohnort antreten müssen, zu unterstützen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung