Mit Bildnerischer Erziehung Dämme gegen Kriegs-Bilderflut bauen
Im Ukraine-Krieg wird weltweit mit Bildern gekämpft, denen auch Kinder und Jugendliche nicht entkommen. Ein Forschungsprojekt am Mozarteum untersucht das Potenzial des Schulfachs Bildnerische Erziehung zur Entwicklung und Förderung kritischer Wahrnehmung.
Im Ukraine-Krieg wird weltweit mit Bildern gekämpft, denen auch Kinder und Jugendliche nicht entkommen. Ein Forschungsprojekt am Mozarteum untersucht das Potenzial des Schulfachs Bildnerische Erziehung zur Entwicklung und Förderung kritischer Wahrnehmung.
In der mit Bildern gefluteten Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche mit Fotos und Videos fraglicher Herkunft gleichsam überschüttet werden, sei es „wichtig zu lernen, sich ein Urteil zu bilden und eine Bewertung abgeben zu können“: Das ist die zentrale Botschaft von Iris Laner, Professorin am Department „Bildende Künste und Gestaltung“ der Universität Mozarteum in Salzburg. Als Leiterin des Forschungsprojekts „Ästhetische Praxis und Kritikfähigkeit“ will sie insbesondere die Rolle der bildnerischen Erziehung für die Ausbildung kritischer Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsfähigkeit untersuchen.
Eine solche Fähigkeit ist auch und gerade angesichts der momentanen Kriegs-Bilderflut wesentlich – konkret etwa hinsichtlich der unterschiedlichen „westlichen, ukrainischen, russischen oder chinesischen Blickwinkel“, sagt Laner im FURCHE-Gespräch. Und das Schulfach Bildnerische Erziehung biete eine gute Gelegenheit, die jeweilige Inszenierung dieser Perspektive zu untersuchen. Als weitere Möglichkeit, diesen Krieg in Europa im Schulunterricht zu behandeln, schlägt die Bildungs- und Kunstwissenschafterin vor, sich über die unterschiedliche Geschichten der vom Krieg betroffenen Menschen auszutauschen und „zu fragen, was uns verbindet, was uns trennt, wo uns das Verständnis fehlt“. Und dieser Austausch kann nicht nur mittels verbaler Kommunikation stattfinden, wie Laner am Beispiel von Picassos Anti-Kriegsbild „Guernica“ erläutert: Schulklassen könnten das Bild auch nachstellen und gestisch, mimisch interpretieren, „um zu beschreiben, was sie dabei empfinden – Chaos zum Beispiel; oder sie könnten selbst Bilder zum Thema Krieg zeichnen bzw. gemeinsam ein Bild dazu gestalten“.
Antwortmuster durchbrechen
Aufmerksamkeit, Geduld und das ständige Bemühen, pauschalierenden Antworten sowie vorgekauten Denkmodellen zu entkommen: Das sind für Laner die gleichermaßen wichtigen wie schwierigen Herausforderungen für das Fach Bildnerische Erziehung: „Der pädagogische Akt im Unterricht ist zentral, um die normalisierten Antwortmuster von Schülerinnen und Schülern gezielt zu durchbrechen.“ Dass diese Aufgabe anspruchsvoll ist, steht für Laner außer Zweifel. Ihre Forschung zielt darum auf die konkrete Umsetzbarkeit in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung ab. Bereits in ihrem Buch „Ästhetische Bildung. Zur Einführung“ (Junius Verlag 2018) thematisierte Laner ästhetische Bildung als Schulung der Sinne und als Schärfung der Urteilskraft: „Ich habe mir die Frage gestellt, was und wie wir lernen müssen, um ästhetische Artefakte und Bilder wahrzunehmen und über sie zu urteilen.“ Antworten fand die Mozarteum-Professorin in einer Systematisierung der einschlägigen Theorien – von der Griechischen Antike bis heute.
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