Abfahrtslohn nach Aufstiegsmühen - Ins freie Gelände sollten sich Skitourengeher nur mit ausreichender Expertise und Lawinenausrüstung wagen. - © Wolfgang Machreich

Skitouren: Ein Hoch der Plackerei!

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Der Boom beim Skitourengehen und Schneeschuhwandern braucht kein Virus. Der Trend weg von Aufstiegshilfen zurück zu eigener Müh verdankt sich dem dabei empfundenen Glücksgefühl.

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Der Boom beim Skitourengehen und Schneeschuhwandern braucht kein Virus. Der Trend weg von Aufstiegshilfen zurück zu eigener Müh verdankt sich dem dabei empfundenen Glücksgefühl.

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Im Tiefschnee zeigt sich nicht nur der wahre Skifahrer, sondern auch der echte Großschriftsteller. Obwohl aus dem Flachland kommend und am liebsten auf den Sanddünen der Kurischen Nehrung daheim, beschreibt Thomas Mann die Motivation fürs Skitourengehen, die Freude und Genugtuung, die dieser Sport immer mehr Bewegungs- und Natursuchenden bereitet, als wäre er selbst im Tiefschnee zu Hause. Übersättigt von den Promenaden im Kurort, lässt er seinen „Zauberberg“-Helden Hans Castorp Skier kaufen und lernen, „die Füße hübsch beieinander zu halten und gleichlaufende Spuren zu schaffen“. Genug geübt, schwänzt er die Liegekur und Vespermahlzeit, wagt sich in die hochwinterliche Schweizer Bergwelt. Mit „seinen langen, biegsamen Sohlen“ stapft und steigt und zieht er in die „wattierte Lautlosigkeit“, erlebt, was viele vor und noch viele mehr nach ihm mit dem Skitourengehen verbinden: „Was aber in Hans Castorps Seele vorging, war nur mit einem Wort zu bezeichnen: Herausforderung.“

Stimmt, Skitourengehen ist Herausforderung. Zunächst natürlich für diejenigen, die damit anfangen, aber auch danach bei jeder Tour aufs Neue. Dann für die Natur, die Bergflora, die Tierwelt, die damit in ihren Reservaten abseits der mit Liften und Seilbahnen erschlossenen Wintersportgebiete auch noch heimgesucht, gestört, bedrängt werden. Und nicht zuletzt fordert Skitourengehen den etablierten Wintersporttourismus heraus, wird von Seilbahnbetreibern mitunter immer noch als Konkurrenz und Störfaktor empfunden, Konflikte auf Parkplätzen und Pisten inklusive.

Bis zu 800.000 Aktive

Auch beim Skitourengehen ist Corona nicht der Auslöser des Trends, sondern bloß Turbo für eine alternative Bewegung im Skisport, die seit Jahren wächst und immer mehr Anhänger findet. Der im Sportartikelsektor arbeitende Skitourenexperte Harald Millgrammer sagt im Gespräch mit der FURCHE, die Verkaufszahlen in diesem Bereich hätten sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Millgrammer rechnet mit 600.000 Tourengehern im Land. Der Salzburger Standard-Korrespondent und Skitouren-Doyen Thomas Neuhold schreibt, „Schätzungen gehen von bis zu 800.000 Aktiven allein in Österreich aus, für den Corona-Winter 2020/21 werden weitere Steigerungsraten vorhergesagt“. Neuhold betont gleichzeitig, dass diese Schätzungen mit Vorsicht zu genießen seien, da sie auf Verkaufszahlen des Handels beruhen und nur begrenzt Aussagen über die Häufigkeit der Nutzung des Skitourenmaterials und der Routenauswahl ihrer Benützer zulassen: „Ein guter Teil der Tourenskier wird wohl nie mehr als präparierte Skipisten und ein paar Moderouten unter die Kanten bekommen.“

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