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Jugend ohne Bewegung

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Etwas ist. tief bedauerlich: diese spanische Jugend lernt nie eine richtige Jugendbewegung kennen. Die „Flechas" und die Jugendgruppen der Partei bilden keinen Ersatz. Überdies übt ein großer Prozentsatz der Jugend nie eine aktive Mitgliedschaft in ihnen aus. Die Jugendgruppen der Falange tragen Karabiner auf ihren Fahrten, einen oder zwei je Gruppe, je Lagerzelt, und manchmal ist ihre Herberge eine Kaserne. Wer sein Studium ernst nimmt, findet auch keine Zeit für diese Art von Jugendbewegung; wer es nicht ernst nimmt oder als lästig und aussichtslos von sich warf, flaniert abends auf dem „paseo", dem Bummel, im Neonlicht der Schaufenster und Lichtreklamen, füllt die Tabernen und jene dunklen schändlichen Stadtteile . I.

Und die Mädchen? Die Mädchen aus vornehmem Haus und die wohlbehüteten Töchter der wohlhabenden Bürgerfamilien? Das Heim oder das Internat ist ihre Burg, aus der sie jeden Tag ihre kleinen, unschuldigen Ausflüge unternehmen, zur Freundin, auf den Bummel, in die vornehme Bar, zum Tanz im Klub, auf den Tennisplatz und tagtäglich ins Kino, Es scheint, daß diese Mädchen, die ohne ihren Namen, das Geld und die Position ihrer Eltern schutzloses Freiwild einer Männerwelt wären, deren Vorrechte noch Überreste aus der Mauren epoche Spa niens zu sein scheinen, von einer unstillbaren Sucht befallen sind, von der Flimmerleinwand das Leben in sich einzuschlürfen, vor dem ihre Beschützer sie bewahren wollen und dessen Rauheit und Bitternis sie höchstens dann in Wirklichkeit kennenlernen, wenn eine unglückliche Ehe sie zur Rolle stiller und wehrloser Märtyrerinnen verdammt. Und die Mädchen des kleinen Mittelstandes, der armen, aber ehrbaren Arbeiterfamilien? Im Beruf, in der Nähstube, im Haushalt, in der Kirche und natürlich im Kino.

In der „Reportage für Christus" des Pater de Llanos steht: „Du (Christus) wirst uns etwas sagen zu dieser Frivolität, dieser Sucht nach der Schau, die Geist und Körper schwächt in der geschenkten Passivität der Schauspiele, Schauspiele ohne den rigorosen, harten Gegenwert einer glühend handelnden Jugend. Daher das Ausbleiben der sportlichen Erfolge und das Ausverkauft der Eintrittskartenschalter. Daher das Laster, gebrandmarkt mit der Niederlage auf dem Sportplatz der Welt. Das ist deine Strafe. Denn wir kümmern uns nur um Geld und Schaustellungen. Was wir wollen, das ist nur, „gut zu leben ... hier, und dann ... die Seele zu retten ... Die Niederlage von Helsinki ist die Warnung vor einer anderen, schwereren Niederlage...“

Die spanische Jugend lebt in einer Atmosphäre vollkommener Abgeschlossenheit. Was weiß sie von internationalen Jugendlagern, von Pfadfindertreffen, von den Europaträumen der Jugend zwischen Pyrenäen und Eisernem Vorhang? Nichts. Zu den internationalen Studentenlagern werden offizielle Repräsentationen des SEU „abgeordnet", aber eine Gruppe von Arbeiterjungen, die in eigener Regie im Heiligen Jahre mit dem Fahrrad nach Rom fahren wollten, erhielt keine Ausreiseerlaubnis.

Jetzt, da die Grenzen offenstehen, kommen alljährlich Angehörige der Jugendbewegungen aus Frankreich, Deutschland oder anderswoher nach Spanien. Die spanischen Jungen stehen, man möchte sagen mit offenen Mäulern, staunend über die Fahrtenkluft der jungen Ausländer. O ja, es gibt auch spanische Avantgardisten eines gesünderen Jugend- und Lebensstils: die langsam, aber Gott sei Dank stetig wachsenden Bergsteigervereinigungen, die sich bezeichnenderweise gern noch „Klubs" nennen. Aber mit welchen vorsintflutlichen „Beratern" haben sie es zu tun! Da diskutiert man ernsthaft über die Länge der kurzen Hosen und über das Lebensalter, bis zu dem der junge Bursch shorts tragen darf! Die Mädchen werden vor dieser und jener Sportart als ihnen „nicht gemäß" gewarnt. Wie soll diese Jugend gesund und kräftig sein, wenn sich Presse und Ärzte darüber ereifern, daß das Baden im Meer Gesundheitsschäden zur Folge haben kann — während man nie eine Kritik am Aufenthalt von Jugendlichen in stickigen, unhygienischen Lichtspieltheatern liest?

Hier wächst eine Jugend heran, die auf allen Seiten auf Mauern und Verbots-

tafeln stößt, eine Jugend, der man systematisch jede eigene Initiative vergällt, eine Jugend, die sich fürchtet. Doch halt, ich übertreibe! Auch hier gibt es eine freie, moderne und unbehinderte Jugend, für die keine Verbote, keine vorsintflutlichen Unkenrufe gelten. Sie wächst in den wohlumzäunten Parks der Wohlhabenden, sie reitet auf den Feldern der andalusischen Großgrundbesitzer, sie ficht, spielt Tennis und Golf auf dem Gelände der Feudalkhibs, sie badet und tollt ohne Polizeiaufsicht am Privatstrand des elterlichen Grundstücks am Meer, Sie jagt und angelt im Reservat, sie läuft Ski auf den Hängen neben den Luxushotels von Candanchü und La Molina, aber sie tut das alles in dem ihr eigenen Nobelstil. Und sie sieht, daß sie die Jugend einer privilegierten Kaste ist, hoch erhaben über der Jugend aus den Massen des Volkes. Sie lernt, ihr eigenes Volk zu verachten.

„Niemand hat sich für die sportliche Niederlage- verantwortlich gefühlt, nicht eine Stimme hat sich erhoben in einer Anwandlung von Reue", sagt Pater de Llanos.

Aus den kleinen Dingen erwachsen die großen Auswirkungen. Die sportliche Niederlage von Helsinki ist kein Unglück. Aber die anderen Niederlagen, die Niederlagen der an Passivität, an gieriges Schauen an dunklen Orten, an frenetisches Schreien vor dem Tor der bezahlten Fußballstars, an stupides Gröh- len in den Tabernen, an zielloses Vagabundieren in nächtlichen Straßen, an mondäne Diversionen in exklusiven Klubs gewöhnten Herzen — diese Niederlagen sind schlimmer und drohen, wenn nicht gründliche Einkehr gehalten wird, das Mark eines ganzen Volkes zu zerstören.

ten Besitzes, dessen Geschichte stichhaltig nur bis ins Jahr 1709 zu verfolgen ist, wenn er auch länger besteht, sind Namen wie Ritter von Mack (1796), unter dem der letzte Umbau stattfand, und Freiherr von Liebig zu finden. Ein alter Adelsbesitz also.

Was tut nun die Gemeinde Mauer von sich aus, und ohne daß ihr eine Verpflichtung auferlegt werden müßte? Sie erwirbt Grund und Haus, renoviert tadellos und verwendet das Gebäude als Schule, weil das eigentliche Schulhaus zu klein geworden ist und einer Dependance bedarf. Seither ist der Bau mustergültig in Ordnung. Keine Einsturzgefahr. Nichts von Radikalmaßnahmen. Besichtigt man das Haus, so staunt man über den Zustand, über den ganz und gar erhaltenen Charakter, über Ampeln und Stakets, Aufgänge und Ausgänge, ja, über den hinter dem heutigen Schulgebäude unabgezäunt liegenden Park. Welch idealer Rahmen für die Erziehung unserer Jugend! Bald nach Erwerb des Grundstücks wird eine Seitenmauer durchbrochen, ein Tor eingefügt und der Park, nun Rathauspark genannt, der Bevölkerung Mauers zur Verfügung gestellt.

Ahorne, Akazien, Birken, Buchen, Eichen, Eschen, Kastanien, Linden, Pyramidenpappeln und Nadelbäume aller Arten stehen darin. Der Park ist eine kleine Kostbarkeit, das Haus nicht minder. Und beides wurde der Bevölkerung erhalten bis auf den heutigen Tag. Es geht also! An den im englischen Stil gehaltenen Garten grenzte die Gärtnerei an. Auch sie wurde von der Gemeinde Mauer übernommen und lieferte weiter Blumen und Gemüse für den Markt.

Dann fand die Eingemeindung statt. Aus Mauer wurde Wien-Mauer, ein Vorort, der Bezirksbürgermeisterei Liesing unterstellt. In der Nachkriegszeit litt der Garten schwer. Wo früher Mauer verantwortlich war, hat heute Wien zu sorgen; denn Wien gehört nun der Grund. Und Wien sorgte. Es richtete den Park mustergültig wieder her.

Die Blumengärtnerei, mit großen Glashäusern ausgestattet, behielt der Magistrat bei. Den Boden der Gemüsegärtnerei aber — befruchtete er rasch mit dem Samen für zwei Gemeindebauten, erreichbar durch die Freisingerstraße, mitten zwischen Einfamilienhäusern. Der Boden ist gut. Häßlich schossen die Häuser empor, anzuschauen wie Gesindehäuser eines Gutsbetriebes, mit unglücklicher Fensteranordnung und viel nackter Wand daneben, von oben bis unten, uniform und in Reih und Glied. Als hätten die Bauherren unter dem unwiderstehlichen Zwang gehandelt, sich gleich wieder holen zu müssen, was so wenig einträglich beim Park investiert worden war... Ja, es gibt nichts umsonst in der Welt!

Schräg gegenüber eine Wiese auf einem ansteigenden Hang. Was wird geschehen? Es ist ziemlich sicher: Gebaut wird werden. Recht so! Aber wie? Wieder in der Manier, die bereits Pötzleins- dorf, die Hohe Warte und Lainz entstellt hat? Wieder so, wie man in Mauer begann? Bewußt aus der Art? Eben so: Wer die Macht hat, setzt sich über alles hinweg? Nebenbei, bitte sehr: Steht solches im Grundbuch der Demokratie? Wir müßten nachschlagen. Es könnte sich lohnen.

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