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Einmal aus anderer Sicht

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Letzten Sommer habe ich die „Randbemerkungen“ von Renata Erich gelesen. Einige Sätze daraus machten mich traurig, dann aber stellten sich mir auch wieder die Haare auf...

Ich kann nicht glauben, daß ausgerechnet ich immer das Glück haben soll, guten, verständnisvollen, weltoffenen Priestern zu begegnen, die sehr wohl Güte und Verstehen für unsere Probleme haben. Und ich habe solche Priester kennengelernt - jeden Alters, ich glaube, überall können wir sie finden.

Ich brauche sie nicht persönlich zu kennen. Wenn ich am Sonntag um 3/4 10 Uhr die „Glaubensgespräche“' im Radio anhöre, dann spüre ich, daß ein Mensch zu mir spricht - auch, wenn ich einen Aufsatz in der FURCHE oder im „präsent“ lese.

Ist es die Schuld der Kirche, daß wir ihr Wort in dem Berg von Information, der täglich an uns herangetragen wird, suchen müssen wie die Stecknadel im Heuhaufen? Suchen wir nicht auch zu wenig?

Apropos: Jammertal... Da stellen sich mir die Haare auf. Auf der einen Seite wirft man uns vor, daß wir zu wenig „erlöst“ aussehen, auf der anderen Seite sollen wir uns nicht faul auf unseren Kirchenbänken ausruhen und sollen wir mitleiden mit unseren verfolgten Brüdern, sollen wir gegen die Not der Unterentwickelten, der

Hungernden nicht gleichgültig sein.

Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich so glücklich bin, wenn ich mich so geborgen fühle in der „Gemeinschaft der Heiligen“. Wenn ich dann an das Elend in der Welt denke, dann könnte ich ja keine Minute mehr froh sein. Ich tröste mich halt doch mit dem Denken, daß Gott nun alles weiß, daß „keine Träne, kein Blutstropfen“ verloren ist, und ich tröste mich damit, daß Gottes Größe jedes Vorstellungsvermögen übersteigt, und daß er jeden Menschen liebt.

Und ich hoffe, daß ich nicht zu hart verurteilt werde, wenn ich mich nur bemühe, leider wirklich oft mehr schlecht als recht, meine Aufgaben zu erfüllen in meiner Familie. Ich bringe keine weltbewegenden Taten fertig, obwohl ich in mir sehr den Drang zum Weltverändern spürte. Wenn ich z. B. einen Artikel gelesen habe in der FURCHE, dann kann sich dieser Anstoß so auswirken, daß ich die Betten besonders schön mache und die Leintücher recht glatt strecke oder ein neues Rezept ausprobiere oder das Mittagessen mit recht viel Salaten und Gemüse bereichere oder einen Karottenkuchen backe oder den Keller zusammenräume.

Damit will ich aber nicht sagen, daß unsere Familie egoistisch nur auf einen kleinen Horizont beschränkt ist.

Aber ich denke, daß das Sich-wohl-, Sich-glücklich-Fühlen, schon auch durch solche Kleinigkeiten beeinflußt werden kann.

Und schließlich: Ich habe schon vor mehr als 40 Jahren Cich bin 54) gelernt, daß wir nach unserem Gewissen entscheiden müssen, und daß wir nicht auf dem Wissen, das uns die Volksschule über den Glauben vermittelt, stehen bleiben dürfen.

Ich persönlich meine, so leicht ist es nicht, im einzelnen Fall sich als mündiger Christ zu entscheiden, wenn man einmal nur zwischen Übeln das geringste wählen soll. Und ich gestehe, ich habe mich auch nicht immer genügend weitergebildet, um so ganz sicher zu sein, daß ich recht gehandelt habe im einzelnen Fall.

Dennoch glaube ich, oft ist es auch die Trägheit und Bequemlichkeit, die fordert, daß die Kirche „Prinzipien über Bord werfen müßte“. Weil wir uns scheuen, selbst die Verantwortung vor Gott zu tragen, und lieber hätten, daß uns die Kirche überall die Entscheidung abnimmt?

Ich glaube auch, daß die heutige Gesellschaft viel Schuld hat, daß die Familien auseinanderbrechen, weil sie vor lauter „Befreiung von Zwängen“ grundlegende Werte zerstört und notwendige Grundnormen auflöst. Muß denn das Pendel immer zu weit nach der anderen Seite ausschlagen?

Ich will noch mehr versuchen, mich im Rahmen der von der Kirche gewünschten Möglichkeiten zu engagieren. Ich glaube, ich bin von ihrem Einfluß auf mich geprägt, ich fühle mich sehr in der Welt stehen, aber je älter ich werde, desto mehr möchte ich auch mit der Kirche und durch sie mit Christus verbunden sein. Und desto mehr wünschte ich, dieses Glückahnen mitteilen zu können.

Hier bin ich wieder am Anfang meiner Überlegungen: Ich wünschte, daß die Kirche ihre Stimme in den Medien noch stärker in die Welt tragen könnte, und ich wünschte mir und der Welt, besser aufzuhorchen.

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