Arbeitslosigkeit: Die Eine-Million-Frage

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Derzeit sind eine Million Menschen in Österreich arbeitslos oder zur Kurzarbeit angemeldet. Nach drei Lockdowns muss unsere Arbeitsmarktpolitik endlich umdenken. Ein Gastkommentar.

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Derzeit sind eine Million Menschen in Österreich arbeitslos oder zur Kurzarbeit angemeldet. Nach drei Lockdowns muss unsere Arbeitsmarktpolitik endlich umdenken. Ein Gastkommentar.

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Es ist eine scheinbar simple Lösung: Distanz. Um dem Corona-Virus die Ausbreitung schwer zu machen, ist Social Distancing angesagt. Kontakte reduzieren, enge Räume meiden, digitale Meetings statt echte Treffen. Doch mit dieser Lösung können nicht alle arbeiten. In vielen Branchen entzieht die ­Distanz die Geschäftsgrundlage, zumindest teilweise, und Schließungen und Lock­downs erledigten den Rest. Und so sind nach den aktuellen Daten vom 26. Jänner wieder fast eine Million Menschen arbeitslos oder in Kurz­arbeit. Oder anders gesagt, fast jeder Vierte auf dem Arbeitsmarkt ist in einer Form betroffen.

Seit bald einem Jahr wird nun das Social Distancing beschworen und das solidarische Miteinander gelebt. Noch nie zuvor wurden in so kurzer Zeit so viele Ressourcen mobilisiert, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Im vergangenen Jahr hat der Bund (bis 15. Dezember) rund 5,3 Mrd. Euro für die Kurzarbeit ausgegeben und damit die Einkommen und Beschäftigungsverhältnisse ­hunderttausender Menschen gestützt. Nur zum Vergleich: Die Budgets für Wissenschaft und Forschung sowie Kunst und Kultur machen zusammen genommen weniger als fünf Mrd. Euro im Bundeshaushalt aus. Für 2021 sind nun weitere sieben Milliarden Euro maximal vorgesehen, um Kurzarbeit zu finanzieren.

Was tun mit „Zombie Jobs“?

So viel Geld auch für die Kurzarbeit als zentraler Baustein der Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung steht, so sehr nimmt aber auch der Nutzen jeder zusätzlichen Milliarde ab. Es ist zu hoffen, dass der neue Arbeitsminister Martin Kocher dabei den politischen Spielraum nutzen kann, um Vorschläge des Experten Martin Kocher umzusetzen. Denn als IHS-Direktor hat der Ökonom schon im vergangenen Jahr klar gesagt, dass Kurzarbeit vor allem kurzfristig ein tolles Instrument ist, um die Auswirkungen der Pandemie abzu­federn. Langfristig hingegen nehmen die unerwünschten Nebenwirkungen zu.

Nun muss man nicht das drastische Bild bemühen, das etwa der britische Economist oft verwendet, wenn es um die Kurzarbeit in ­Europa geht: Seit mehreren Monaten warnen das britische Magazin und viele Wirtschaftsforscher vor den Zombie Jobs, die durch Kurzarbeit entstehen. Denn Kurzarbeit ist eine konservierende, schützende Maßnahme, die bestehende Arbeitsplätze kurzfristig gegen die ökonomischen Verwerfungen der Pandemie schützt. Wenn aber nicht nur die Pandemie, sondern auch verändertes Verhalten der Konsumenten oder neue Konkurrenz am Geschäftsmodell, an der Auftragslage und damit den Arbeitsplätzen rütteln, ist die Kurzarbeit eine Subvention mit nur aufschiebender Wirkung.

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