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Klostersuppen allein reichen nicht mehr
Notschlafstellen und Übergangswohnungen für Obdachlose in Linz reichen aus. Gebraucht werden aber mehr Betreuungseinrichtungen für physisch Kranke.
Notschlafstellen und Übergangswohnungen für Obdachlose in Linz reichen aus. Gebraucht werden aber mehr Betreuungseinrichtungen für physisch Kranke.
Es gibt sie auch im Stadtbild von Linz, vor den Kirchentüren, in windgeschützten Hauseinfahrten, im Rereich öffentlicher Toiletten, Baustellen und des Bahnhofs: Menschen, vor Kälte zitternd, schnapsblau, unausgeschlafen, im Plastiksackerl alles, was sie brauchen, um die Zeit zu überstehen, bis eine der Wärmestuben geöffnet wird oder sie in ihr Bett in einer Notschlafstelle können, oder ins „B37", das Sozilaheim in der Bethlehemstraße 37. ,
Obdachlose und Wohnungslose -Schattierungen eines gesellschaftlichen Problems, das in den Griff zu bekommen sich in Linz einige Stellen gemeinsam bemühen, weil es für die Betroffenen (geschätzte 1.200) oft viel mehr umfaßt, als kein Dach über dem Kopf zu haben. .
Zum „B37" gehört eine Notschlafstelle in Bahnhofnähe mit 45 Plätzen. Im selben Haus betreibt die Caritas eine Wärmestube. Dort hängt ein Zettel mit den Adressen der Vereine, die sich zur „Wohnplattform" zusammengeschlossen haben, und über ihre speziellen Aufgaben hinaus (Sachwalterschaft, ARGE für Obdachlose und davon Redrohte, Aidshilfe, Frauenhaus, Arbeitslosenprojekte et cetera) Hilfe für Obdachlose anbieten.
Im Linzer Bahnhofsbereich suchen zwei Streetworker Kontakt zu den Obdachlosen. Seit Oktober läuft hier ein auf ein Jahr befristetes Sozialprojekt, das vom Wissenschaftsladen dokumentarisch begleitet wird und an dessen Kosten sich auch die ÖBB-Direk-tion Linz beteiligt.
In Linz drückt das Bahnpersonal ein Auge zu, wenn Obdachlose, „die sich ordentlich benehmen", in abgestellten Waggons nächtigen. Das heißt, man holt nicht gleich die Polizei, sondern die Streetworker, die sich um die Bedürfnisse der Gestrandeten kümmern. Manche wollen nur einen Platz zum Ausschlafen, sich und ihre Wäsche waschen und in Ruhe gelassen werden. Andere brauchen Hilfe bei oft sehr komplexen Problemen.
Wer drei- oder viermal pro Nacht aus einem beheizten Waggon in die Kälte gescheucht wird, hat ein ständiges Schlafdefizit. Veronika Dietrich, die Leiterin der Caritas-Wärmestube „Haltestelle" hat dafür Verständnis und verweist auf den gern frequentierten Ruheraum. „Einmal hat ein ,Waggoner' seine ganze Barschaft ausgegeben und für eine Partie Fahrkarten nach Innsbruck gekauft, damit alle einmal durchschlafen konnten." Die Wärmestube bietet Waschgelegenheit, Platz zum Ausrahen, kostenlose Getränke und Brote sowie kleine Imbisse für wenig Geld oder die Möglichkeit, selbst zu kochen. Sie möchte aber auch emotionelle Wärme spüren lassen. Durch respektvollen Umgang mit den Gästen, der Frau Dietrich und ihren Mitarbeiter(innen) wichtig ist, und dem vorsichtigen Angbeot zu einer Aussprache. Im Sommer steht im kleinen Hof ein Tischtennistisch bereit, drei Monate kann kostenlos Gepäck untergestellt werden.
10.197 Besuche, zumeist von Männern (9.115), wurden von Jänner bis September in der Wärmestube gezählt. Im Durchschnitt kommen 37 Besucher pro Tag. Manche kommen mehr als 40 mal. Bei Frauen fällt Obdachlosigkeit später auf. Sie finden leichter „Unterschlupf". „Viele haben Furchtbares erlebt", weiß die Caritas-Sozialarbeiterin. Überwiegend geht es in der „Haltestelle" friedlich zu, die Anwesenden regeln aufkeimende Konflikte selbst.
Zwei weitere Angebote der Caritas für Obdachlose sind ein „Kleiner Mittagstisch", der, wie Caritas-Direktor Mayr sagt, „die nicht mehr zeitgemäße Klostersuppe ersetzen soll". In der Nähe von Linz betreibt die Caritas seit zehn Jahren ein Integrationsprojekt für arbeitslose und obdachlose Männer.
Allgemein läßt sich feststellen, daß die Obdachlosen in Linz immer jünger werden, immer öfter psychisch krank sind, und daß eine direkte Proportionalität zur Kurve der Arbeitslosigkeit besteht. In der Kälte des Winters wird ihre Not nur sichtbarer.
„Es gibt in Linz konstant zwischen 30 bis 50 Leute auf der Straße", sagt Ernst Achleitner der Leiter der Linzer Obdachlosenbetreuung, „davon sind etwa zehn ,wohnversorgt', das heißt, sie leben zwar auf der Straße, gehen aber abends irgendwohin schlafen. Der Best wird von Streetworkern, so gut es geht, erfaßt. Insgesamt haben wir 1994 in unseren Einrichtungen rund 500 Wohnungslose betreut."
Achleitner leitet das Sozialheim „B37", die größte Sozialeinrichtung für Obdachlose mit 42 Beschäftigten. Stadt Linz und Land Oberösterreich teilen sich die Kosten. Das „B37" bietet verschiedene Betreuungsformen: 135 bis 165 Notschlafstellen. in Ein-bis Dreibettzimmern, psychosoziale Beratung, Freizeitbetreuung für arbeitversorgte Menschen, Wohngruppen für entwöhnte Alkoholiker (Erfolgsquote: 50 Prozent, bezogen auf drei Jahre!) oder für Menschen, die es (noch) nicht schaffen, allein zu wohnen, sowie eine Alten- und Kranken-Pflege- Wohngrappe für 15 bis 20 Patienten, die sonst nirgendwo Betreuung fänden. Dazu kommen 45 bis 50 Übergangswohnplätze für Familien oder Teilfamilien mit Kindern, die ihre Probleme wieder geordnet und eine Wohnung in Aussicht haben.
Sorgen macht Achleitner die steigende Zahl der psychisch Kranken. Menschen, die auffällig und renitent sind, weil sie Alkohol- oder andere Suchtprobleme haben, werden vorübergehend in der Psychiatrie aufgenommen, hinterher stehen sie aber auf der Straße. „Mit 40 Betreuungsplätzen sind wir ständig am Limit, wir müssen dauernd Leute abweisen." Das aggressive Verhalten dieser Menschen, kann - wie Vorfälle zeigen - zu einem Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheitwerden. „Aber im nächsten Winter wird's besser". Die oberösterreichische Landesregierung hat Abhilfe zugesagt. Demnächst werden einige Objekte besichtigt, ob sie für eine Nachbetreuung Suchtentwöhnter geeignet sind.
„Es ist besser, wenn einer für alle den Wohnungsmarkt beackert und bei Genossenschaften und Institutionen vorspricht, als wenn sich die Vereine gegenseitig die wenigen Wohnungen,: wegschnappen," bringt Hubert Mit-termayr die Arbeit der Ifjffrrtolll form" auf den Punkt. „Wir konnten ein gutes Netz mit gemeinnützigen Bauvereinigungen knüpfen und haben derzeit etwa 100 Wohnplätze, einzeln oder in Wohngemeinschaften. Viele Menschen werden so vor dem endgültigen Absturz aufgefangen. Etwa 50 Prozent der von uns Betreuten schaffen es, innerhalb von ein, zwei Jahren wieder eine eigene Wohnung zu finden".
In Linz, Wels oder Vöcklabruck, meint Mittermayr, werde das Problem Obdachlosigkeit zumindest „gesehen" . In Steyr läßt der Magistrat die Rollbalken herunter. Ein Redarf an Notschlafstellen oder betreuten Übergangswohnungen sei nicht gegeben, heißt es beim Sozialamt, er würde durch derartige Einrichtungen nur gefördert. Die „Christkindlstadt" Steyr fürchtet um ihr Fremdenverkehrs-Image ...
Die Autorin ist
Journalistin in Linz,
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