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Gestrandet an der Insel der Seligen

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Daß die Caritas immer wieder zum Kampf gegen den Hunger in der Weit aufruft, ist bekannt - aber noch mehr leistet sie für die Notleidenden in Österreich.

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Daß die Caritas immer wieder zum Kampf gegen den Hunger in der Weit aufruft, ist bekannt - aber noch mehr leistet sie für die Notleidenden in Österreich.

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„Die Rechten schwören auf die freie Marktwirtschaft, die Linken erwarten die Lösung aller Probleme von einer Revolution — zum Glück gibt es dann noch die Leute, die ein Herz haben und Menschen in Not direkt helfen wollen." Und auf diese letztere Gruppe setzt Caritas-Präsident Leopold Ungar, der vorige Woche bei einem Pressegespräch zur „Elisabeth-Sammlung" der Caritas Stellung nahm.

Bei dieser Sammlung, heuer unter dem Motto „Einer trage des anderen Last", geht es ausschließlich um Inlandshilfe. Die Kirchensammlung am vergangenen Wochenende kam diesem Zweck zugute, weitere Spenden dafür können in den Pfarren abgegeben oder mittels der auf allen Postämtern aufliegenden Erlagscheine auf das PSK-Konto 7,700.004 überwiesen werden.

Wie aus dem Jahresbericht für 1983 hervorgeht, entfällt der weitaus größte Teil der 805 Millionen Schilling Gesamtaufwendung der Caritas auf Inlandsprojekte, „nur" rund 107 Millionen Schilling werden für die — oft auffälligeren — Auslandsaktivitäten ausgegeben. Die Inlandshilfe kam im Vorjahr rund 300.000 Menschen in Österreich direkt zugute. Besonders zugenommen, nämlich um 50 Prozent, haben die Aufwendungen für Gastarbeiter- und Flüchtlingshilfe.

Der Einsatz großer Mittel auf unserer „Insel der Seligen" ist auch bitter notwendig. Eine diese Woche (24. 11.) zu Ende gehende Ausstellung im Wiener Bildungshaus Neuwaldegg „Hilfe, die Sandler kommen", zeigt das zunehmende Problem der Obdachlosigkeit. Caritas-Pressereferen-tin Uta Krammer schätzt allein in Wien die Zahl der Obdachlosen auf 5000(!), das Durchschnittsalter dürfte bei 29 Jahren liegen.

Behinderte, Ausländer, Strafentlassene, arbeitslose und obdachlose Jugendliche sind jene, die, durch die heurige Elisabeth-Sammlung besonders unterstützt werden sollen. Daß die Probleme zunehmen, zeigt die Tatsache, daß immer mehr Menschen zu den Bahnhof sozialdiensten und SOS-Stellen der Caritas kommen, daß die Heime der Caritas durchwegs überfüllt sind.

Das gilt besonders für das Jugendhaus der Caritas (1080 Wien,

Blindengasse 44), das der Jesuit Pater Georg Sporschill seit drei Jahren leitet: „Wir nehmen jeden jungen Mann auf. Würden wir dabei nach einem bestimmten Schema vorgehen, hätten wir das Haus bald leer. Jeder einzelne hat seine spezifischen Probleme." War man zuerst auf die Altersgruppe 15 bis 20 eingestellt, so stellen nun die 19-bis 25jährigen den Hauptanteil, stets aus tristen Familienverhältnissen. Sporschill: „Mir ist noch niemand aus einer intakten Familie dort begegnet."

Die Beziehungslosigkeit der meisten jungen Männer im Jugendhaus sei so groß, sagt Sporschill, daß „auch Beziehungen zu Mädchen — leider — ein Randproblem sind". Die größeren Probleme sind Arbeitslosigkeit und Alkoholismus Sporschill und die meisten seiner Mitarbeiter (Studenten, Zivildiener) wohnen mit diesen jungen Männern unter einem Dach, was für den Erfolg sehr wichtig ist.

Ganz am Anfang wohnten in der Blindengasse auch Mädchen, was „eine Katastrophe" (Sporschill) war. Nun wird ein eigenes Mädchenhaus (1100 Wien, Van-der-Nüll-Gasse) eröffnet,

Ein Beispiel für die Behindertenhilfe der Caritas ist das Heim für weibliche Behinderte in Lanzendorf. Dafür, aber auch für das neu erworbene und nun zu adaptierende Behindertenheim „Am Himmel" (1190 Wien) bittet die Caritas um Hilfe.

Der Dritten Welt kommt der Caritas-Weihnachtsbasar im Wiener Messepalast (30. 11. - 20. 12.) zugute. Prälat Ungar warnt, was die Dritte Welt betrifft, vor „Schwindelvereinen", die mit seltsamen Werbemethoden (etwa zu Herzen gehenden Briefen eines Geistlichen aus Afrika, den es dort gar nicht gibt) Spendefreude ausnutzen.

Bei der Caritas, die der Bischof skonferenz beziehungsweise den einzelnen Diözesen untersteht und in ganz Österreich etwa 3000 hauptamtliche Mitarbeiter hat, weiß man, wer dahintersteht und was mit dem Geld geschieht. Auch öffentliche Stellen, denen' die Caritas einige soziale Aufgaben abnimmt, wissen die Caritas-Arbeit zu schätzen und subventionieren sie auch.

Die Existenz einer solchen Institution der Nächstenliebe sollte freilich nicht dazu führen, das Leid des Mitmenschen zu übersehen und Nächstenliebe nur mehr per Erlagschein an diese Institution zu üben.

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