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Armut ohne Hoffnung
Vor zwei Jahren ist Rumänien der Gewaltherrschaft Ceausescus entronnen, politische Instabilität und Armut der Bevölkerung sind geblieben. Umso wichtiger ist das soziale Engagement der Caritas.
Vor zwei Jahren ist Rumänien der Gewaltherrschaft Ceausescus entronnen, politische Instabilität und Armut der Bevölkerung sind geblieben. Umso wichtiger ist das soziale Engagement der Caritas.
„Wir glaubten, daß in der Freiheit alles schön und rein sein werde. Aber die Erkenntnis, daß sie noch immer arm sind, läßt die Menschen verzweifeln", meint der Bürgermeister einer siebenbürgischen Kleinstadt. Die Reformen des mittlerweile gestürzten Ministerpräsidenten Petre Roman führten zu enormen Preiserhöhungen, die Versorgungslage besserte sich kaum. Banale Dinge wie Glühbirnen sind nicht zu bekommen, lebenswichtige wie Zucker praktisch nur auf dem Schwarzmarkt. Zu 150 Lei das Kilo. Der rumänische Durchschnittsverdienst liegt bei 7.000 bis 8.000 Lei. Die neue rumänische Regierung ersucht indes das Ausland um rund drei Milliarden Dollar Unterstützung für Nahrungsmittel und Energie.
Die Menschen in Rumänien haben großes Mißtrauen gegen alle regierenden Politiker, weil die alte Garde der Kommunistischen Partei und der Securitate noch und wieder viele Ämter besetzt hält. Die Auflösung der alten Wirtschaftsstrukturen bringt große Unsicherheit. Wer übers Land fährt, sieht allerorten bereits aufgelöste landwirtschaftliche Kollektive. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird abmontiert. Die Produktivität der noch bestehenden Kollektive ist drastisch gesunken. Wenn man nicht weiß, wem das alles nächstes Jahr gehören wird, ist keiner motiviert, sich anzustrengen", meint ein
Einheimischer. Die Leute werden aufgefordert, initiativ zu sein, private Geschäfte zu eröffnen. „Aber keiner sagt uns, wie wir das machen sollen", klagen die Bürger.
Fast zweitausend Menschen drängen sich auf der Wiese vor einer großen Baugrube in der siebenbürgischen Kleinstadt Gheorgheni. Stundenlang harren sie aus, hören geduldig Rede um Rede, folgen Chor- und Tanzdarbietungen, obwohl hier nichts zu bekommen ist. Außer vielleicht einem Stückchen Hoffnung. In Gheorgheni wird an diesem sonnigen Herbsttag die Grundsteinlegung für ein neues Altenheim gefeiert. Bauherr ist die Caritas der Erzdiözese Alba Julia, Finanziers sind eine deutsche und eine belgische Hilfsorganisation und zur Hauptsache die Caritas der Diözese Linz. Das jetzt bestehende Gheorghe-nier Altenheim ist derartig desolat und eine Zumutung für die alten Menschen, daß sich eine Renovierung nicht mehr rentiert hätte.
Daß die Kirche ein Altenheim betreiben wird, ist für Rumänien völlig neu. Der Staat erhob bisher den Anspruch, alle sozialen Probleme bereits lOOprozentig gelöst zu haben. Caritas-Organisationen waren verboten. Die katholische Kirche Alba Julias, nach vierzig Jahren der Unterdrük-kung selbst erst auf dem Weg, ihre Organisation neu aufzubauen und ihren zeitgemäßen Platz in der Gesellschaft zu finden, bewegt sich mit dem Altenheimbau auf ihr gänzlich unbekanntem Terrain. \Jm auf dem Gebiet der sozialen Hilfe Fuß zu fassen, braucht sie noch vielfältige Hilfe.
Nicht einmal allen Pfarren ist selbstverständlich, daß Caritas zur pastora-len Arbeit gehört. „Bei den hauptamtlichen Caritas-Mitarbeitern festigt sich langsam eine Caritas-Spiritualität, bei den ehrenamtlichen ist es noch nicht so weit", erzählt Laszlo Venscer, in Rom ausgebildeter Theologe und erster Direktor der Caritas Alba Julia. Um die Caritas-Mitarbeiter in ihren Aufgaben schulen zu können, entsteht in Miercurea Ciuc ein Caritas-Bildungshaus. Auch Referenten der Caritas Linz sollen hier Wissen und Spiritualität weitergeben.
„Wir könnten rund um die Uhr geöffnet haben, so groß ist der Bedarf der Menschen nach guten Kleidern", berichtet Idelko Molnär. Seit kurzem ist sie Verkäuferin in einem „Carlia"-Laden. In diesen Geschäften werden Alttextilien und Schuhe aus den Beständen der Linzer Caritas günstig verkauft. „Die Leute wissen, daß dieses Geschäft mit der Pfarre zusammenhängt, aber in erster Linie sind sie froh, daß sie für sich und ihre Kinder überhaupt Kleider bekommen", sagt Idelko. Den Menschen ohne Ansehen von Rasse, Religion oder Volkszugehörigkeit zu helfen, ist Prinzip jeder Caritas-Arbeit. Die Realisierung dieses Grundsatzes stellt an die katholische Kirche Siebenbürgens hohe Anforderungen. Schließlich ist sie selbst als Kirche eine Minderheit und sind ihre Mitglieder, überwiegend Ungarn, eine Minderheit als Volk. Die Rolle der Kirchen in den zunehmenden Nationalitätenkonflikten in Rumänien gibt auch Anlaß zur Sorge.
Mit den „Carlia"-Läden (Carlia ist eine Abkürzung für Caritas Linz-Alba) soll die Caritas Alba Julia jene Gewinne erwirtschaften, mit denen sie ihre eigentliche Sozialarbeit finanzieren kann. Privaten Handel zu betreiben, zumal als Kirche, ist für Rumänien noch sehr neu. Aber Altkleider sind eine begehrte Ware, so-daß fast nichts schief gehen kann. Die Linzer Caritas schickt ihren rumänischen Freunden jeden Monat zwölf Tonnen Altkleider und darüber hinaus hauseigene Fachleute, die in betriebswirtschaftlichen Fragen beraten.
Für Friedrich Mayrhofer, Wirt-schaftlseiter der Linzer Caritas, sind die „Carlia"-Läden ein Modellfall: „Wir müssen in Ländern wie Rumänien echte Aufbauhilfe leisten. Wichtig ist, daß die Caritas-Organisationen im eigenen Land langfristig Geld erwirtschaften. Nur so können sie ihre Arbeit ohne dauernde Abhängigkeit vom Ausland leisten".
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