7122364-1996_42_07.jpg
Digital In Arbeit

Der Bischof trägt den Poncho

19451960198020002020

Straßenkinder in der Stadt, verarmte Bauern am Land ... Um die Ärmsten von Ecuador kümmert sich die Kirche.

19451960198020002020

Straßenkinder in der Stadt, verarmte Bauern am Land ... Um die Ärmsten von Ecuador kümmert sich die Kirche.

Werbung
Werbung
Werbung

Salitre war ein richtiger Wildwestort”, beschreibt Josef Heissenberger seinen ersten Einsatz in Ecuador in einem einfachen Dorf aus verstreuten Bambushütten, in das der gebürtige Niederösterreicher vor zwanzig Jahren als Pfarrer geschickt wurde. Die armen Campe-sinos dieser Gegend, entweder Kleinbauern oder Landarbeiter, fühlten sich lange Zeit von Staat und Kirche gleichermaßen vergessen. Die wenige Arbeit reichte kaum zum Überleben der Familien. Die Kirchen in den größeren Orten wurden nur zu Festen besucht. Trotz der über neunzigpro-zentigen Zugehörigkeit zur katholischen Kirche sind unter der Bevölkerung bis auf den heutigen Tag Toten kult, Ahnenverehrung und auch Dämonenglaube verbreitet. Dies wird besonders bei Kranken sichtbar: „Zuerst gehen die Leute zum Arzt und bekommen vielleicht ein paar Medikamente. Danach”, so Heissenberger, „gehen sie zum Cuandero, dem traditionellen Heiler. Das große Problem dabei ist aber, daß die Angst vor den Dämonen bestehen bleibt.”

Heute ist Josef Heissenberger in der Diözese Guayaquil im Küstentiefland Bischofsvikar in der Stadt Dau-le. Seine Pfarre ist die Wallfahrtskirche mit der berühmten Statue des „Schwarzen Christus”. Durch das Berühren der großen dunklen Holzfigur am Kreuz erhoffen sich viele Menschen Schutz vor Leiden und Heilung von Krankheiten. Die Legende erzählt, daß während der Kolonialzeit ein afrikanischer Sklave bei seinem Gebet um Hilfe die Statue berührte, wofür er ausgepeitscht werden sollte. Tags darauf sei die Christusstatue plötzlich schwarz gewesen. Hier drückt sich der tiefe Glaube der Nachfahren der Sklaven an den Christus der Armen und Unterdrückten aus. Zur Pfarre des Auslandsösterreichers zählen noch zwei Dutzend Dörfer im Umland von Daule, manche davon eine halbe Tagesreise entfernt.

Mit ein wenig Mais von den kargen Böden der Sierra, ein paar Hühnern und vielleicht einer Kuh fristen die Kleinbauern ihr Dasein. Viele Cam-pesinos zogen vom Hochland der Sierra in die Städte. Der Verkauf der wenigen Habseligkeiten reichte aber

Am „Sonntag der Wei.tktrche” am 20. Oktober geht es um die Hilfe für 1.000 der ärmsten Ortskirchen in der „Dritten Welt” und ihren Einsatz für die Ärmsten der Armen. Missio Austria bittet bei den Kirchensammlungen und mit einem Spendenaufruf (PSK Kto. Nr. 1835.951 Kennwort „Weltkirche”) um Ihre Unterstützung. Am Beispiel Ecuador wird der Erneuerungsprozeß der Kirche zu mehr Gemeinschaft und Partizipation sichtbar. meist nur für eine enge Hütte am Stadtrand. Es gibt kaum Arbeit, und auch die Kinder werden zum Geldverdienen auf die Straßen geschickt. Ein gefährlicher Kreislauf beginnt.

Sanft rüttelt der bärtige Mann ein am Boden kauerndes Kind aus dem Schlaf. „Hab keine Angst!”, flüstert der Salesianerpater beruhigend, als der Bub reflexartig aus Furcht vor Schlägen oder Fußtritten die Arme über seinen Kopf hält. Pater Eduardo Delegado Torres ist auf „Nachtstreife” in den dunklen Gassen der Hauptstadt Quito, auf der Suche nach den Schlupfwinkeln der Straßenkinder. Viele von ihnen sind Waisen oder kommen aus verarmten und oft zerrütteten Familien, mit arbeitslosen Vätern, häufig Alkoholikern, und Müttern, die ihren Unterhalt durch Prostitution verdienen. Als Schuhputzer, Zeitungsverkäufer und Lastenträger, aber auch mit Betteln, Diebstählen und Überfällen versuchen sie sich durchzuschlagen. Auf der Straße sind die Kinder durch Gewalttätigkeiten, Drogen, Banden, Polizei sowie

Ecuador;

Staatsform: Präsidiale Bepublik Fläche: 283.500 km2 Bevölkerung: ca. 12 Millionen, davon 43% indigene Völker, 35% Mestizen; Weiße, Mulatten, Schwarze Hauptstadt: Quito Sprachen: Spanisch, Quichua, Chibcha u. a.

Religion: 93% katholisch; Protestanten, indianische und afrikanische Beligionen

Katholische Kirche: 24 Diözesen, 1.041 Pfarren, 2.996 Missionsstationen; 36 Bischöfe, 1.719 Priester, 37 Diakone, 389 Ordensbrüder, 4.419 Ordensfrauen,

Hunger und Kälte gefährdet. Eine Nacht in Sicherheit und ein warmes Essen, Verständnis und Freundschaft sowie langfristig die Chance auf ein neues Leben finden die „chicos de la calle”, die „Kinder der Straße”, im Haus „Mi Caleta”. Die Salesianer Don Boscos bieten den Kindern schulische Betreuung und eine Berufsausbildung samt staatlich anerkanntem Abschluß für Mechaniker, Tischler, Elektriker oder Installateure. In Am-bato im Andenhochland führen die Patres sogar einen Bauernhof, wo Straßenkinder eine landwirtschaftliche Ausbildung erhalten.

Als im Jahr 1964 im Gebiet der Quellflüsse des Amazonas Erdöl gefunden wurde, war das Schicksal des Volkes der Tetete besiegelt. Keiner von ihnen lebt heute mehr in dem verwüsteten Waldgebiet. Die „Ölfeider” der internationalen Konzerne

3.171 Katechistinnen und Katechi-sten; 272 Kindergärten, 993 Volksschulen, 477 Sekundärschulen; 30 Spitäler, 230 Gesundheitsposten, 2 Leprastationen, 31 Alters- und Invalidenheime, 39 Waisenhäuser, 97 Familienberatungsstellen, 98 Sozialzentren

überziehen die tropischen BegenWälder im Amazonastiefland mit giftigen Ölseen, rußenden Erdgasflammen und rostigen Pipelines. Die Kirche hat seit der Machtergreifung des Militärs Anfang der sechziger Jahre Position auf Seiten der Armen und besonders der Indios bezogen. Einer der ersten war Bischof Leonidas Proano, der Begründer der „Indio-Pastoral”. In seiner Diözese Biobamba stellte er den Indios Boden zum Bebauen zur Verfügung, unterstützte alte Traditionen wie die Min-ga und gründete eine Badioschule in der Sprache Quichua. Er brachte die alten, mündlich überlieferten Traditionen mit dem Evangelium in Verbindung. Als Zeichen seiner Verbundenheit trug Bischof Proano den Poncho, das typische Kleidungsstück der Indios im Anden-hochland.

In Ecuador ist eine tiefgreifende Erneuerung der Kirche im Gange, die versucht, immer mehr Menschen aktiv als Träger der Evangelisierung zu beteiligen und auch durch ihren sozialen Einsatz glaubwürdig zu sein. Im Vikariat Daule läßt diese Lebendigkeit der Kirche übrigens auch die zahlreichen Sekten wenig Widerhall finden. Erneuerung wünscht Bischofsvikar Heissenberger gerade zum Sonntag der Weltkirche auch seiner alten Heimat: „Die Kirche in Österreich soll das neue Kirchenbild des Zweiten Vatikanischen Konzils annehmen und eine Umstrukturierung in Bichtung Gemeinschaft und Partizipation in Gang setzen. Dann gilt es, die wirklichen Nöte der Menschen zu untersuchen, die Grundprobleme zu erkennen und darauf eine Antwort zu finden.” Der Autor ist

Pressesprecher von „Missio Austria ”.

| ÖKUMENISCHES

Altkatholiken tagen

Die jährliche Internationale Altkatholische Bischofskonferenz der Utrechter Union versammelt sich in diesen Tagen in Tainach. Thema ist unter anderem die Stellung der altkatholischen Kirche in Tschechien.

*

Europa-Wallfahrt

„Christen bauen Europa” lautete das Motto der Festakademie, die im Bah-men einer Wallfahrt nach Mariazell stattfand. Vertreter Österreichs und seiner östlichen Nachbarländer, darunter Erhard Busek, Jan Carnogursky und Alojzej Peterle, berieten darüber, wie der Friede in der Mitte Europas zu gestalten sei. „Gottesdiensten der Nationen”, eine „Europa-Vesper” und Folklore der einzelnen Länder waren Teil des Programmes.

Johannes Paul ii.

Die Genesung des Papstes nach seiner Blinddarmoperation schreitet voran. Gerüchte, wonach Johannes Paul an Krebs leide, wurden von den Ärzten dementiert. Am 13. Oktober betete der Papst, der bald das „Goldene Priesterjubiläum” feiert, vom Fenster des Krankenzimmers das „Angelus” vor.

*

Neue Kirche in Paris

Paris bekommt zum ersten Mal seit 30 Jahren eine neue katholische Kirche. Der Genehmigung für den längst überfälligen Neubau im 15. Parister Gemeindebezirk ging ein rund zehn Jahre dauernder juristischer Streit voraus. Der Bau, dessen Grundstein vom Pariser Kardinal Jean-Marie Lustiger gesegnet wurde, soll in einem Jahr fertig sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung