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Fremdenverkehrspolitik

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In der österreichischen Öffentlichkeit mehren sich, je weiter wir der Hochsaison des Jahres 1950 näherrücken, kritische Stimmen zur Fremdenverkehrspolitik. Die großen Tageszeitungen beklagen in Leitartikeln und Glossen das Ansteigen der Hotel- und Pensionspreise und ergehen sich in der trüben Voraussage, daß die arbeitende Klasse auf ein so teures Urlaubsglück verzichten muß. Die Öffentlichkeit nimmt wohl mit Befriedigung zur Kenntnis, daß Österreich infolge der neuen Währungsrelation zum Dollar das billigste Reiseland für Ausländer geworden ist; denn es wird allgemein bekannt, wie sehr unsere Volkswirtschaft vom Anschwellen der ausländischen Besucherzahl in unseren Fremdenverkehrszentren devisenmäßig profitieren würde. Aber, so argumentiert man in der Öffentlichkeit, es geht nicht an, daß der ausländische Gast mit einem Dollar 26 Schilling einkauft und dementsprechend billig in Österreich lebt, während der dollarlose Inländer sich dasselbe Vergnügen keineswegs leisten kann.

Es ist zunächst bemerkenswert, welche Rückwirkungen die neue Währungsrelation bei den für unseren Fremdenverkehr in Frage kommenden Ausländern hat. Seit Dezember vorigen Jahres hat ein ausgesprochener Run auf unsere Verkehrs- und Werbebüros in London, Paris, New York und den anderen Weltstädten eingesetzt. Nach einem Inseratentag in der englischen Presse erhalten die dortigen Reisebüros zirka 10.000 schriftliche Anfragen über Urlaubsaufenthalte in Österreich. Ein speziell für Österreich arbeitendes Büro in London hatte im Februar bereits so viele Anmeldungen wie voriges Jahr im Juli zu verzeichnen. Aber auch in Österreich selbst zeigen sich schon die ersten Folgen der Ver-billigung für Ausländer. Zürs und viele andere internationale Fremdenverkehrsorte in Tirol und Salzburg sind von Angehörigen aus 30 Nationen fast voll besetzt und nur zu oft müssen Zimmerbestellungen aus der ganzen Welt abgelehnt werden, da der vorhandene Bettenraum nicht ausreicht. Österreich geht in diesem Jahr, wenn nicht alles trügt, einer von Ausländern so stark besuchten Hochsaison entgegen, daß der devisenmäßige Gewinn unseres Landes außerordentlich sein wird. Schon melden sich die ersten neiderfüllten Stimmen der Konkurrenz in den anderen europäischen Fremdenverkehrsgebieten. Man spricht von einem österreichischen Dumping in Fremdenverkehrsangelegenheiten und fürchtet, daß “die großen Luxusbetriebe in den außerösterreichischen Alpen leer stehen werden, während man hierzulande überfüllte Hotels vorfinden wird. .

Allerdings, der ferienhungrige Österreicher, der mit seinem enggeschnürten Geldbeutel rechnen muß, profitiert von den Deviseneinnahmen des Staates nur sehr indirekt. Ihm persönlich scheint oft ein erfrischender Aufenthalt in den Bergen wichtiger, als der Gewinn, den unsere Volkswirtschaft aus den Einnahmen in Fremdenwährung zieht. Aber ist es denn wirklich wahr, daß der Österreicher durch die Relation des Schillings zum Dollar und der daraus entstehenden Frequenz unseres Landes durch Ausländer von den Schönheiten der Heimat ausgeschlossen wird?

Beachten wir zuerst die geographischen Begleitumstände des internationalen Fremdenverkehrs in Österreich. Wenn Amerikaner, Engländer, Franzosen, Belgier oder Angehörige der skandinavischen Länder zu uns kommen, besuchen sie in der Regel die Orte am Arlberg, ein paar besonders bekannte Flecken in Tirol, ferner Kitzbühel, Bad-gastein oder Salzburg. Auch die Italiener sind in Velden am Wörther See oder sonst in einigen nicht sehr zahlreichen Badeorten Kärntens zu finden. Die meisten ausländischen Gäste unternehmen noch irgendeine Rundfahrt durch Österreich. Sie besuchen Wien und andere Kulturzentren und steigen dabei in jenen Hotels ab, die auf dieses Publikum spezialisiert sind. Neben diesen verhältnismäßig wenigen Plätzen, die von Ausländern überlaufen werden, gibt es eine ganze Reihe von Orten, die nur ein paar auswärtigen Feinschmeckern und dem landeseigenen Publikum bekannt sind. Diese Gegenden stehen den erstgenannten Punkten an Schönheit und Komfort um nichts nach; der einzige Unterschied ist, daß sie in London oder New York nicht allgemein in Mode sind. In knappem Abstand folgen schon die sogenannten gutbüigerlichen Sommerfrischen. Bis auf die reinen Ausländerzentren gehören die genannten Plätze seit jeher alle irgendwie zu den Sorgenkindern des österreichischen Fremdenverkehrs, das heißt man war von Saison zu Saison nie eines wirklich zahlreichen Besuches sicher. Von einer Verdrängung des österreichischen Publikums aus seinen Sommerfrischen kann also gar keine Rede sein.

Der Durchschnittsösterreicher konnte es sich niemals leisten, die Luxushotels unserer Spitzenorte aufzusuchen. Es kann nicht die soziale Aufgabe der Fremdenverkehrspolitik sein, der finanziellen Oberschicht Österreichs Quartiere in den teuersten Etablissements des Landes zu reservieren. Weite, landschaftlich mindestens ebenso reizvolle, wie jeden Komfort bietende Gegenden sind in nahezu allen Bundesländern von ausländischem Fremdenverkehr nahezu unberührt. In Montafon, im ötztal, im Zillertal, im Pinzgau und Pongau, an vielen Kärntner Seen, fast in den ganzen steirischen Bergen, in Teilen des Salzkammerguts und in Niederösterreich gibt es große Fremdenverkehrsorte, wo ausländische Gäste nur einen verschwindenden Bruchteil der Besucherzahl darstellen. Dementsprechend müssen sich auch die Preise, unbeeinflußt von der Zahlungskraft in Fremdenwährung, gestalten.

Der Ausländerfremdenverkehr, der für unsere Wirtschaft ein so großes Aktivum darstellt, kann also nicht für allfällige Preiserhöhungen im österreichischen Gast- und Beherbergungswesen zur Verantwortung gezogen werden, übrigens haben die niederösterreichischen und steirischen Hotelbetriebe bereits angekündigt, daß sie ihre Preise in tragbaren Grenzen zu halten gedenken. Es ist nur zu hoffen, daß noch ähnliche Erklärungen aus anderen Gebieten- Österreichs nachfolgen werden. Der ausländische Reiseverkehr wird dafür bestimmt kein Hindernis sein.

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