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Die Saison der leeren Betten

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Was ist mit.dem Fremdenverkehr los; nicht nur dem österreichischen — der freilich, soweit bisher zu überblicken ist, zusammen mit dem italienischen am stärksten betroffen zu sein scheint — sondern mit dem internationalen? Über die eigentlichen Motive dieser unerwarteten Touristenflaute rätseln noch die Exper^u,; Sind sie psychologisch oder ökonomisch, sind schlechte Wirtschaftslage und Inflation oder ist einfach Urlaubsmüdigkeit oder die Hinwendung zu neuen Zielgebieten schuld? Handelt es sich um eine vorübergehende Konjunkturbaisse oder um eine Strukturkrise?

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Was ist mit.dem Fremdenverkehr los; nicht nur dem österreichischen — der freilich, soweit bisher zu überblicken ist, zusammen mit dem italienischen am stärksten betroffen zu sein scheint — sondern mit dem internationalen? Über die eigentlichen Motive dieser unerwarteten Touristenflaute rätseln noch die Exper^u,; Sind sie psychologisch oder ökonomisch, sind schlechte Wirtschaftslage und Inflation oder ist einfach Urlaubsmüdigkeit oder die Hinwendung zu neuen Zielgebieten schuld? Handelt es sich um eine vorübergehende Konjunkturbaisse oder um eine Strukturkrise?

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Noch läßt sich nichts mit Gewißheit sagen, zum Teil, weil die internationalen Vergleichszahlen fehlen, zum Teil auch, weil der Beobachtungszeitraum noch zu kurz ist und wir erst sehen müssen, wie es weitergeht.

Es wäre aber zu bequem, sich nach bewährten Vorbildern auf eine „importierte“ Flaute ausreden zu wollen. Die Gründe sind nicht zuletzt auch lim eigenen Land zu suchen. Wenn in der diesjährigen Sommersaiison bisher angeblich — genaue Zahlen fehlen noch — Rückgänge bis zu 30 Prozent zu beobachten waren, so ist das ein Alarmsignal, das zu gründlicher Gewis-senserforschung Anlaß geben sollte.

Vorläufig ist man noch im Stadium gegenseitiger Beschuldigungen: Die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft beschuldigt die Bundesregierung, die Preise durch Mehrwertsteuer und Aufwertung hinaufgetrieben, die internationale Konkurrenzfähigkeit der. österreichischen Betriebe verschlechtert zu haben. Die Bundesregierung kontert damit, daß sich der Fremdenverkehr selbst krankgejammert, daß er so lange von Verschlechterung der Konkurrenzbedingungen geredet habe, bis es auch die Ausländer geglaubt haben und ausgeblieben sind.

Nun ist es aicher richtig, daß die diversen Aufwertungen den Fremdenverkehr besonders getroffen haben, daß die Steuerbelastung in (Österreich extrem hoch ist und das Gastgewerbe sie speziell zu fühlen bekommt. Dennoch läßt sich die Misere damit allein nicht erklären, und mit gezielten Steuersenkungen für die Fremdenverkehrswirtschaft wäre das Problem noch lange nicht gelöst.

Wenn beispielsweise in den Erholungszentren manche Gaststätten für eine Portion Bis 60 Schilling verlangen und die anderen Preise entsprechend aussehen, dann ist daran nicht allein die Steuer schuld. Sollte da nicht vielleicht auch die Kalkulation mancher Betriebe revisionsbedürftig sein, beziehungsweise wird nicht gelegentlich gegenüber international vergleichbaren Betrieben zuwenig geboten? Ist nicht manchmal die Ausstattung der Zimmer ungenügend, das Service schlecht und vor aEem unfreundlich, die Küche nicht so, wie es gerade in Österreich erwartet wird, kommen nicht zuviel Extras auf die Rechnung und. wird in puncto Alkohol und Trinkgeld nicht allzuviel moralische Nötigung betrieben?

Allzusehr wurden die Betriebe in den klassischen Fremdenverkehrsgegenden in den letzten Dezennien durch die unverdrossen herbeiströmenden Touristen verwöhnt, welche froh waren, untergekommen zu sein. Wenn ihnen etwas nicht paßte, konnten sie gehen. Es gab genug Quartiersuchende, welche gerne ihren Platz eingenommen hätten.

Es galt beinahe schon als Naturgesetz, daß immer mehr Fremde als Quartiere da waren, und daß alle geforderten Preise auch bezahlt wurden. Niemand wollte es wahr-haben, daß es eines Tages auch wieder anders kommen könnte.

Aus dieser Mentalität heraus haben sich viele Betriebe auf allzu riskante finanzielle Engagements eingelassen. Dies gilt sowohl für die großen Hoteliers als auch für die kleinen Privaten in Fremden Verkehrsgebieten, die beim fetten und relativ mühelosen Touristengeschäft mitnaschen wollten. Es wurden Kredite aufgenommen, deren Rückzahlung auf die konstante Vollauslas tang in den Hauptsaisonen und auf alljährlich kräftig steigende Preise, die der allgemeinen Teuerung voraneilten, berechnet waren. Ein paar leere Betten drohen daher unter solchen Voraussetzungen sofort zur finanziellen Katastrophe zu werden.

Allerdings wurde die Fremdenverkehrswirtschaft auch teilweise zum Opfer einer generellen Entwicklung. Es liegt nicht an ihr, wenn durch eine übermäßige Bautätigkeit, speziell seitens der öffentlichen Hand, die Baupreise extrem anstiegen und zu überhöhten Kalkulationen zwangen. Bestimmt wäre auch so manche Investition unterblieben, wenn Steuerpolitik und Inflation nicht riskante Engagements geradezu provoziert hätten, weil dadurch eine hohe Verschuldung zum besten Geschäft wurde — freilich nur, solange marktfertig keine Probleme bestanden haben.

Dies führte aber auch zur extremen kommerziellen Ausnutzung der österreichischen Erholungsland-schaft — und somit zu ihrer Abwertung. Nicht ohne Grund sind heute die Luxusquartiere stärker betroffen als die billigen: Wenn der zahlungskräftige Tourist mitten hinein in den Massenbetrieb (gesetzt wird, unmittelbar neben dem „exklusiven“ Hotel der Campingplatz liegt, so ist es nicht weiter erstaunlich, wenn eines Tages di Zahlungskräftigen sich in noch weniger erschlossene Gebiete begeben und für Österreich das Publikum für die billigen Quartiere, das aus der Konservenbüchse ißt, übrig bleibt — wie dies in diesem Jahr vielfach geschehen ist. Angesichts der Begrenztheit des österreichischen Erholungsgebietes; aber auch angesichts der hohen Investitionsund Personalkosten ist der „billige“ Tourist aber ein fraglicher wirtschaftlicher Aktivposten. Ihn hätte Österreich lieber den Niedriglohnstaaten überlassen sollen.

Allen Warnungen zum Trotz wurde die österreichische Erholungslandschaft in dem allzueifrigen Bestreben, möglichst viel Geld aus ihr herauszuholen, weit unter ihrem Wert verramscht — nicht zuletzt auch noch durch den Bau der fatalen Apartmenthäuser. Mag sein, daß die momentane Krise quantitativ wieder überwunden wird. Das Qualitätsproblem durch Überlastung gerade der schönsten Erholungslandschaften Österreichs wird bestehen bleiben — und die Kalkulationen erschweren. Steuernachlässe, Kreditverbilligungen oder gar Subventionen sind da nur Symptomkuren, welche den eigentlichen Mangel nicht gutmachen können.

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