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Sie studieren von Innsbruck bis Neapel

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Das italienische Unterrichtsministerium hat in Durchführung der Vereinbarung zwischen Oesterreich und Italien über die Anerkennung der Titel den Südtirolern nun endlich die Möglichkeit zugesprochen, ihre Prüfungen an verschiedenen italienischen Universitäten auch in deutscher Sprache abzulegen, und zwar für Wirtschaftsberater und Architekten in Venedig, für Mediziner und Pharmazeuten in Padua, für Chemiker, Ingenieure und Tierärzte in Bologna, für Forstingenieure in Florenz und für Aktuare f mJ Statistiker in Rom. Die Mediziner, die in Oesterreich bereits praktiziert haben, werden zur Prüfung an italienischen Universitäten zugelassen, wenn sie mindestens sechs Monate Praxis an 'einer österreichischen Klinik oder in Spitälern nachweisen können. Damit ist ein Schritt zur Befriedung gegeben.

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Ueber die Situation in der Südtiroler Hochschülerschaft finden wir im „Mitteilungsblatt der Südtiroler Hochschülerschaft“ vom Dezember 1957 interessante Einzelheiten. Es gibt derzeit 302 Südtiroler Hochschüler, davon studieren 174 oder 57,6 Porzent im Ausland und 128 oder 42,4 Prozent in Italien. Von den 174 Im Ausland studierenden Südtiroler Hochschülern studieren 154, das sind fast 51 Prozent aller Südtiroler Hochschüler, in Oesterreich, und zwar 15 in Graz (alles Techniker), 78 in Innsbruck (hiervon 5 Theologie, 29 Philosophie und Philologie, 10 Rechtswissenschaft, 17 Medizin, 2 Pharmazie und 15 Naturwissenschaft), 3 auf der montanistischen Hochschule in Leoben, 57 in Wien (1 Philosophie, 8 Medizin, 1 Veterinär-

medizin, 1 Pharmazie, 2 Naturwissenschaft, 21 Land- und Forstwirtschaft, 6 Technik, 9 Wirtschaftswissenschaft und 8 Kunstakademiker), 4 in Marburg (1 Philosophie, 2 Medizin, 1 Naturwissenschaft). Ferner studieren in München 13 (1 Philosophie, 2 Rechtswissenschaft, 3 Staatswissenschaft, 1 Medizin, 2 Naturwissenschaft, 3 Chemie und 1 Kunstakademiker), 2 in Stuttgart (1 Land- und Forstwirtschaft und 1 Technik) und 1 in Basel (Rechtswissenschaft). In Italien sind insgesamt- 128 -Südtireler “■Hoch-schüler inskribiert, und zwar 36 Philosoprien und Philologen, 18 Rechtswissenschaftler, 15 Staatswissenschaftler, 9 Mediziner, 1 Veterinär, 10 Naturwissenschaftler, 16 Land-und Forstwirtschaftler, 10 Techniker und 23 Wirtschaftswissenschaftler (Handelshochschule). Man findet in Italien weder einen Südtiroler Kunstakademiker noch einen Theologen. Sämtliche Südtiroler Theologen studieren, soweit sie auf einer Universität sind, an der theologischen Fakultät in Innsbruck. Die meistfrequentierte Universität in Italien ist Padua mit 34, dann folgen Florenz mit 28, Mailand mit 25 und Bologna mit 19 Südtiroler Hochschülern, während auf die anderen Universitäten nur ganz geringe Frequenzen entfallen; hievon auf die römische Universität 4, Genua 1, Neapel 2, Venedig 9, Pisa 2, Parma, Piacenza und Urbino je 1. Erfreulich ist, daß sehr viele Philosophie studieren, aus denen ja dann die Mittelschullehrer und Direktoren an den deutschsprachigen Mittelschulen in Südtirol hervorgehen, das sind insgesamt 68 Studenten oder 22,5 Prozent sämtlicher Hochschüler. Von ihnen sind wieder 28,1 Prozent im Inland und 18,4 Prozent im Ausland. An zweiter Stelle kommen Land- und Forstwirtschaft und Technik mit je 38 Studenten oder 12,6 Prozent; dann folgt Medizin mit 37 Studenten oder 12,2 Prozent, von den Medizinern studieren 7 Prozent im Inland und 16,1 Prozent im Ausland, zum größten Teil in Oesterreich. Wirtschaftswissenschaften besuchen 32 Hochschüler oder 10,6 Prozent, davon 7,8 Prozent im Inland und 11,5 Prozent im Ausland, dann folgt die juridische Fakultät mit 31 Hochschülern oder 10,3 Prozent, davon 14,1 Prozent im Inland und 7,5 Prozent im Ausland, und die Naturwissenschaften mit 30 Studenten, davon 10 oder 7,8 Prozent in Italien und 20 oder 11,5 Prozent im Ausland. Es liegt auf der Hand, daß sich die Studenten der juridischen Fakultät (58,1 Prozent), Staatswissenschaften (62,5 Prozent), Philosophie und Philologie (52,9 Prozent) und Wirtschaftswissenschaft (71,9 Prozent) vorwiegend italienischen Universitäten zuwenden, da für Jus und Staatswissenschaften die Praxis ja ausschließlich italienisch ist und die italienischen Gisetze zur Anwendung kommen müssen. Bei den Philologen und Philosophen ist es ebenfalls selbstverständlich, daß der größere Teil an den Südtiroler Mittelschulen eine Anstellung sucht, während die übrigen an den italienischen Mittelschulen in den alten Provinzen und eventuell auch Hochschulen ihre Anstellung suchen müssen.

Interessant ist die Aufstellung nach der Her-

kunft der Studenten aus den einzelnen Südtiroler Gemeinden.

Die Stadt Bozen verzeichnet 72 Hochschüler, hievon 14 Philosophen und Philologen, 11 Rechtswissenschaftler, 2 Staatswissenschaftler, 10 Mediziner, 2 Pharmazeuten, 2 Naturwissenschaftler, 10 Forst- und Agrarwissen-schaftler, 9 Techniker und Architekten, 10 Wirtschaftswissenschaftler und 2 Kunstakademiker. An zweiter Stelle folgt das Pustertal (ohne Bruneck) mit 1 Theologen, 8 Philosophen und Philologen, 2 Rechtswissenschaftlern, 4 Medizinern, 1 Tierarzt, 6 Naturwissenschaftlern, 10 Forst- und Agrarwissenschaftlern, 10 Technikern und Architekten, 5 Wirtschaftswissenschaftlern und 2 Kunstakademikern.

An dritter Stelle rangiert das Eisacktal (ohne Brixen und Sterzing) mit 2 Theologen, 10 Philosophen und Philologen, 2 Rechtswissenschaftlern, 2 Staatswissenschaftlern, 3 Medizinern, 1 Veterinärmediziner, 4 Naturwissenschaftlern, 2 Forst- und Agrarwissenschaftlern, 2 Technikern und Architekten, 3 Wirtschaftswissenschaftlern und 1 Kunstakademiker.

An vierter Stelle folgt die Stadt M e r a n mit 8 Philosophen und Philologen, 4 Rechtswissenschaftlern, 4 Staatswissenschaftlern, 5 Medizinern, 1 Naturwissenschaftler, 2 Forst- und Agrarwissenschaftlern, 5 Technikern und Architekten und 2 Wirtschaftswissenschaftlern, das sind insgesamt 31 Hochschüler. Anschließt der V i n t s c h g a u mit 25 Hochschülern, die Stadt B r i x en mit 23 Hochschülern, das Etschtal und Burggrafenamt mit 16 Hochschülern,

Ueberetsch mit 14 Hochschülern, Unterland mit 10 Hochschülern und B r u n e c k mit 9 Hochschülern.

Die Zahl ist an sich erfreulich. Im Verhältnis zur deutschsprachigen Bevölkerung von Südtirol mit rund 220.000 Personen oder 66 Prozent der Bevölkerung ist jedoch der Anteil der Hochschüler viel zu gering — die Anzahl der italienischen Hochschüler erreicht fast das Doppelte. Diese betrübliche Feststellung ist auch schon bei den Mittelschulen zu treffen, und zwar stehen einer deutschsprachigen Bevölkerung von 220.000 und 15.000 Ladinern, also 66 Prozent der Bevölkerung, lediglich 3 8,6 Prozent Mittelschüler gegenüber, während die italienische Bevölkerungsgruppe mit rund 120.000 oder 34 Prozent der Bevölkerung 61,4 Prozent Mittelschüler aufweist. Es ist daher eine Ueberflutung der Intelligenzberufe auch schon in den Mittelschulen zu befürchten, so daß die Gefahr besteht, daß in absehbarer Zeit Südtirol ohne akademische Führung dasteht, wenn sich die Verhältnisse nicht bessern. Natürlich muß man dabei auch bedenken, daß über 60 Prozent der Südtiroler Bevölkerung dem Bauernstande angehören, der seine Söhne nur schwer von der Arbeit weggeben und ihr Studium auch nicht zahlen kann.

Der Erlaß des italienischen Unterrichtsministeriums ist zu begrüßen. Es ist nur zu wünschen, daß sich angesichts dieser Erleichterung die Zahl der Südtiroler Mittel- und Hochschüler bedeutend erhöht, damit die akademische Führung des Landes in den alten Händen bleibt.

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