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Weniger leere Kanzeln?

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Jährlich am Beginn des Frühjahrs pflegen sozialistische Abgeordnete dem Unterrichtsminister die Frage zu stellen, wie viele Lehrkanzeln an den österreichischen Universitäten und Hochschulen leerstehen und wie weit man mit den Berufungsverhandlungen sei. Diese Frage ist nicht nur das gute Recht der Mitglieder des Unterrichtsausschusses der Volksvertretung. Sie hat auch erreicht, daß mit der völlig überflüssigen Geheimnistuerei früherer Zeiten gebrochen wurde und jährlich die Bilanz des „Professorenmarktes“ vorgelegt wird — eine Bilanz, die nicht nur alle Beteiligten brennend interessiert, sondern die auch alle Schwierigkeiten des universitären Personalwesens offenbar werden läßt. In vielen, in den meisten Fächern ist der Bedarf an qualifizierten Kräften wesentlich höher als das Angebot. In manchen Disziplinen ist in Österreich überhaupt kein Nachwuchs vorhanden, der fähig wäre, eine Professur zu übernehmen. Nicht immer, weil die guten Kräfte abgewandert wären. In manchen Instituten hat es seit Jahrzehnten keine Habilitation mehr gegebeh.

Der starke Ausbau der deutschen Hochschulen hat in vergangenen Jahren einen starken Sog ausgeübt. Heute scheint die gegenläufige Bewegung schon stärker geworden zu sein. Nun sind die österreichischen an der Reihe ausgebaut zu werden — seit 1964 ist die Zahl der systemisierten Ordinariate um 229 oder mehr als 45 Prozent gestiegen. Salzburg und Linz sind daran stark beteiligt, diesmal auch die Baufakultät Innsbruck, die 1969 beginnen soll, aber auch die bestehenden Hochschulen erhielten zahlreiche neue Diehstposten.

Mit Stand vom 15. Februar standen im Dienstpostenplan 1968 insgesamt 136 Ordinariate leer, von ihnen waren jedoch 57 erst mit Jahresbeginn neu geschaffen worden, so daß es unmöglich war, schon konkrete Besetzungsvorschläge vorzulegen. Echt vakant waren daher nur 77 ordentliche Lehrkanzeln oder 11 Prozent des Standes von 1967 — ein Anteil, der weit tiefer liegt, als üblicherweise an deutschen Universitäten. Dort rechnet mah durchwegs mit 20 bis 22 Prozent Vakanzen.

Bestimmte Disziplinen sind ausgesprochene Mangelware — aber gerade sie werden durch die neuen Studienordnungen besonders stark ( erlangt. So waren am Stichtag Lehrkanzeln für Betriebswirtschaft in Wien an der Universität und an der Hochschule für Welthandel, in Graz und Linz zu besetzen. Volkswirte wurden gesucht von den Universitäten Graz, Innsbruck, Salzburg — hier gleich zwei — von der Technischen Hochschule Wien, der Hochschule für Welthandel und in Linz. Mathematische „Leerkanzeln“ gibt es in Graz, in Innsbruck — hier gleich zwei — in Salzburg und wieder zwei an der TH Graz. Die Neuordnung der Lehrerbildung erfordert eine Intensivierung der Pädagogik — Graz, Salzburg, die Hochschule für Welthandel und Innsbruck suchen nach Vertretern dieses Fachs.

Dieser Engpaß zwischen Angebot und Nachfrage führt dann dazu, daß etwa im Bereich der Volkswirtschaft e. i Name auf vier von fünf vorgelegten Vorschlägen aufscheint. Bei den Mathematikern sind auf vier Dreiervorschlägen drei Namen je zweimal vertreten, ein vierter erscheint sogar auf drei Listen. Er ist inzwischen auf die siebente in Frage kommende Lehrkanzel (die in der Bilanz nicht mehr aufschien) ernannt worden.

Österreich wieder attraktiv

Manche Listen zählen als gegenwärtige Standorte der Kandidaten ausschließlich ausländische Hochschulen auf, meist bundesdeutsche, aber auch holländische, schwedische oder solche in Übersee. Danh sind es meist Österreicher, die einst abgewandert sind, aber nun wieder zurückgeholt werden sollen — ein internationaler Blutkreislauf der Wissenschaft. Zwei aktive Minister scheinen auf: Prof. Koren folgte inzwischen dem Ruf der Hochschule für Welthandel. Prof. Klecatsky lehnte ab, von Innsbruck nach Salzburg überzuwechseln.

Ein eigenes Problem sind die Bemühungen der Universitäten, Gelehrte zu gewinnen, die bereits als Ordinarien an anderen österreichischen Hochschulen lehren — denn folgen sie dem Ruf, wird nur ein Loch aufgėrissen, um ein anderes zu füllen.

Jedenfalls erscheint es aber der Anerkennung wert, daß unter diesen Umständen nur ganz wenige Lehrkanzeln länger als ein Jahr leerstehen. Die meisten Posten, die in der Anfragebeantwortung aufscheinen, s?nd erst seit 1967 vakant. Das muß im Vergleich zum Ausland als äußerst günstig gewertet werden. Die vielen ausländischen Standorte beweisen, daß Österreichs Hochschulen wieder attraktiv geworden sind. Auch das wäre zu beachten, wenn man gegen Mißstände an ihnen demonstriert.

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