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Die studierende Frau

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Neben der berufstätigen Frau ist die weibliche Akademikerin in zunehmendem Maße eine auffallende gesellschaftliche Erscheinung.

Über das stetige Anwachsen des Frauenstudiums an den österreichischen Hochschulen gibt die jüngste ,, österreichische Hochschulstatistik” des Statistischen Zentralamtes interessanten Aufschluß. Das Material umfaßt das Wintersemester 1963/64 und gibt Auskunft über den hohen Anteil weiblicher Hörerinnen an der Gesamtzahl der Studierenden, über ihre spezifischen Eignungen und Neigungen für bestimmte Fächer, über die Anzahl der ausländischen Hörerinnen und anderes mehr.

Im Wintersemester 1963/64 haben die zehn wissenschaftlichen Hochschulen und fünf Kunstakademien in Österreich mehr als 50.000 Hörer und Hörerinnen besucht. Davon entfallen über 29.000 auf die Universitäten, rund 11.000 auf die technischen Hochschulen, 7500 auf die sonstigen wissenschaftlichen Hochschulen und etwas mehr als 2400 auf die Kunstakademien. Rund ein Viertel aller Hörer sind Frauen. Den größten weiblichen Höreranteil mit 45 Prozent weisen die Kunstakademien aus. Mit einem Frequenzanteil von rund 32 Prozent folgen die Hörerinnen an den Universitäten. An den sonstigen wissenschaftlichen Hochschulen wurde der weibliche Höreranteil mit 17 Prozent festgestellt. Die geringste Frequenzquote mit nur fünf Prozent wurde an der Technischen Hochschule beobachtet.

Philosophinnen und Medizinerinnen voran!

Welche Fakultäten und Studienfächer werden heute von den weiblichen Hörem bevorzugt?

An der Wiener Universität waren Im Wintersemester 1963/64 etwas mehr als 6400 weibliche Hörer inskribiert, davon etwas mehr als 6000 ordentliche Hörerinnen. Den größten weiblichen Anteil mit rund 4500 Hörerinnen hatte die philosophische Fakultät. In weitem Abstand mit rund 1000 Hörerinnen folgen die medizinische, und mit mehr als 800 die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät. Sieben Hörerinnen besuchten die katho- lisch-theologische und 18 die evangelisch-theologische Fakultät.

Ähnliche Frequenzen weisen, mit geringeren absoluten Zahlen, die übrigen österreichischen Universitäten auf. Rund 1700 Hörerinnen besuchten die Universität in Graz und mehr als 1200 in Innsbruck. An der Universität in Salzburg mit vorläufig nur zwei Fakultäten waren nur 45 Hörerinnen inskribiert.

Innerhalb der philosophischen Fakultät sind die Frequenzanteile der weiblichen Hörerschaft bei den Studienfächern deutsche und nordische Philologie, englische Philologie, Pharmazie, mittlere und neue Geschichte, Mathematik, Naturgeschichte, Geographie und Chemie die höchsten. Auf dem Gebiet der skademischen Übersetzer- und Diplomdolmetschausbildung ist der Frequenzanteil der Frauen mehr als sechsmal größer als der der Männer!

Gleichartige Erscheinungen wie an der Universiät Wien zeigen sich mit unwesentlichen örtlichen Abweichungen auch an den Universitäten in Graz und in Innsbruck. An allen diesen Universitäten sind die absoluten Zahlen der weiblichen Hörer mehr oder weniger gleich groß, wie die der männlichen Hörer.

Für exotische Studienrichtungen ist die Frau von heute anscheinend nicht zu haben: An der Wiener Universität gab es in den Fächern Allgemeine indogermanische Sprachwissenschaft, Indologie und Altiranistik keine einzige Hörerin. Ebenso verwaist blieb die „Astronomie”! Das gleiche gilt auch für Graz und Innsbruck.

Das Bild ändert sich

Ein ganz anderes Bild ergibt ein Blick auf das Frauenstudium an Österreichs technischen Hochschulen. An ihnen ist der weibliche Anteil der Studierenden unverhältnismäßig geringer als an den Universitäten. So stehen beispielsweise an der Technischen Hochschule in Wien rund 5600 männlichen Hörern nur etwas mehr als 300 weibliche Hörer gegenüber. An der Technischen Hochschule in Graz waren 1963/1964 rund 2100 männliche und nur rund 120 weibliche Personen inskribiert. Von ihnen werden besonders folgende Fächer bevorzugt: Bauingenieurwesen und Architektur, Arohitektur allein und schließlich Naturwissenschaften.

An der Montanistischen Hochschule in Leoben waren 1963/1964 nur vier weibliche Hörer inskribiert (gegenüber 700 männlichen). Alle vier Hörerinnen haben die Fachrichtung „Hüttenwesen” gewählt.

An der Hochschule für Bodenkultur in Wien ist der Anteil der weiblichen Hörer rund zehn Prozent. Den rund 1100 Männern stehen 110 Frauen gegenüber. Die beiden Fachgebiete Landwirtschaft und Gärungstechnik werden von den Frauen in annähernd gleich hoher Frequenz bevorzugt. Mit nur je drei Vertreterinnen ist das Faohgebiet Forstwirtschaft und Kulturtechnik besetzt.

An der Tierärztlichen Hochschule in Wien ist der Anteil der weiblichen Hörer weniger als zehn Prozent. An der Hochschule für Welthandel in Wien hingegen ist die Quote auf rund 23 Prozent angestiegen: Denn mehr als 3200 Studenten stehen dort etwas mehr als 900 Studentinnen gegenüber.

Inflation an den Kunstakademien

Erwartungsgemäß hoch ist der Anteil der weiblichen Hörer an den Kunsthochschulen und Kunstakademien: An der Akademie der bildenden Künste in Wien gleich 40 Prozent! Der Großteil wählt Malerei und Kunsterziehung. Bildhauerei und Medailleurkunst haben nur zwei beziehungsweise drei Studierende gewählt. Interessant ist, daß von 35 Studierenden 20 Frauen Konservierung und Technologie bevorzugen. An der Akademie für angewandte Kunst in Wien übersteigt die Frequenz der weiblichen Studie renden die der männlichen: rund 57 Prozent der dortigen Hörer sind Frauen. Sie bevorzugen die Fachrichtungen Gebrauchsgraphik, Schrift und Buchgestaltung, Mode und Textilwaren. Rund ein Viertel aller weiblichen Studierenden haben sich der Malerei und Graphik verschrieben; etwas weniger als die Hälfte aller Hörer der Fachrichtung Raumgestaltung sind Frauen.

An der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien ist der Anteil der Studierenden rund 40 Prozent. Unter ihnen haben fünf Frauen Blasinstrumente und Schlagwerk gewählt! Für den Nachwuchs an Bläserinnen und Künstlerinnen am Schlagwerk ist auch am „Mozarteum” in Salzburg und an der Akademie in Graz gesorgt. An der erstgenannten Anstalt finden wir sogar eine Frau im Fachgebiet „Kapellmeisterausbildung”.

An den Akademien für Musik und darstellende Kunst werden von den Studentinnen insbesondere Tasteninstrumente (Klavier, Orgel, Cembalo) und mit etwas geringerer Frequenz Saiteninstrumente (Streichinstrumente, Harfe, Gitarre) gewählt. In Solo- und Chorgesang weist das Mozarteum in Salzburg mit rund zwei Drittel weiblichen Anteil die größte Frequenz aus. In Graz ist der Anteil knapp die Hälfte, in Wien über 40 Prozent. In ähnlichen Stärken wird in Salzburg, Graz und Wien von den Frauen die Fachrichtung Schauspiel und Regie studiert. An der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien haben von den weiblichen Studierenden der Fachrichtung Schauspiel und Regie elf Frauen das besondere Fach „Film und Fernsehen” gewählt.

1000 Hörerinnen aus dem Ausland

An den österreichischen Universitäten studieren etwas weniger als 1000 Frauen aus dem Ausland. Knapp die Hälfte entfällt auf die Universität Wien. Die Verteilung auf die einzelnen Fakultäten der Universitäten ergibt eine Frequenz von mehr als 500 Frauen an der philosophischen, rund 300 an der medizinischen und rund 120 an der rechts- und staats wissenschaftlichen; zwölf Ausländerinnen besuchen die theologische Fakultät. Etwas weniger als 100 Hörerinnen haben zusammen die Technische Hochschule in Wien und Graz. Uber 30 Frauen besuchen die Hochschule für Welthandel und zehn die Tierärztliche Hochschule in Wien.

Von allen europäischen ordentlichen Hörerinnen haben die aus Deutschland den größten prozentuellen Anteil. Unter Berücksichtigung der fachlichen Zugehörigkeit sind unter den deutschen Hörerinnen an erster Stelle die Studentinnen der philosophischen Fakultät mit rund 340 Personen und an zweiter Stelle die medizinische Fakultät mit 220. An allen Hochschulen studieren Hörerinnen aus europäischen Ost- und Weststaaten, vereinzelt aber auch aus Afrika, Asien, Amerika und Australien.

An allen österreichischen Universitäten haben im Studienjahr 1962/1963 insgesamt 53 Ausländerinnen promoviert, an der Hochschule für Welthandel zwei und an der Tierärztlichen Hochschule nur eine Frau. In der gleichen Zeit haben insgesamt zwölf Ausländerinnen an wissenschaftlichen Hochschulen das Diplom erreicht.

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