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Voll emanzipiert von Subventionen

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Das auslaufende 19. Jahrhundert war von zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekennzeichnet; Wien als Metropole des Vielvölkerstaates gleichzeitig gesellschaftliches, geistiges, politisches und wirtschaftliches Zentrum der Doppelmonarchie.

Die im Ballungsraum Wien etablierte Wirtschaft wurde mit einer sich zusehends verschlechternden Handelsbilanz konfrontiert. Dieses Übel zu beseitigen war daher vordringliches Ziel aller Kräfte. Speziell ausgebildete Exportkaufleute sollten Österreich zu besseren Erfolgen verhelfen. 1

Somit bestand Grund genug, um ambitionierte kaufmännische Talente in einer 1898 gegründeten Exportakademie für das Anpreisen österreichischer Qualität auf den Weltmärkten zu rüsten. Das Palais Festetics (Berggasse, Wien IX) wurde der Treffpunkt zukünftiger Wirtschaftsbosse, womit bereits vor 8.1 Jahren der Grundstein für die heutige Wirtschaftsuniversität gelegt wurde.

Das Interesse der Unternehmer an einer gedeihlichen Heranbildung des Nachwuchses war übrigens so groß, daß sie weder Kosten noch Mühen scheuten, der frisch aus dem Ei entschlüpften Akademie zu Ansehen und materieller Sicherheit zu verhelfen. Aus der Exportakademie in der Berggasse wurde schließlich Wiens Wirtschaftsuniversität (WU) in der Franz-Klein-Gasse in Wien-Döbling; aus der Pioniertat der Gründerzeit wurde eine wohletablierte umfassend-ökonomische Ausbildungsstät-

te. Was geblieben ist, ist der Standort; zwar an die Peripherie entrückt, ergänzt die Wirtschaftsuniversität nach wie vor die Palette Wiener Universitäten.

Erhalten haben sich die Aufgaben und Ziele, obwohl die Bedeutung der Wirtschaftsuniversität zunimmt. Die Forschungstätigkeit wird immer detaillierter, die wachsende Wirtschaftsaktivität erfordert vermehrte Spezialisierung in der Theorie. 50 Professoren versuchen, den Anfofderungen gerecht zu werden; allein 15 betriebswirtschaftliche Institute bemühen sich, den betrieblichen Alltag zu reflektieren.

Von den 9200 Studenten kommen 5200 aus allen Bundesländern und 1044 aus dem Ausland nach Wien, um -an der beliebtesten sozial- und wirt-

„... aus der Pioniertat der Gründerzeit wurde eine wohletablierte umfassend-ökonomische Ausbildungsstätte.“

schaftswissenschaftlichen Ausbildungsstätte zu studieren. 60 Prozent aller angehenden Ökonomen Österreichs finden in Wien an der Wirtschaftsuniversität eine ihren Vorstellungen adäquate Berufsausbildung; das ist angesichts des vielschichtigen Angebots kein Wunder. Hat man doch hier die Gelegenheit, aus den vier Studienrichtungen Handelswissenschaften (für Österreich einzigartig), Betriebswirtschaft, Volkswirt-

schaft und Wirtschaftspädagogik auszuwählen.

Will einer als Lehrer an Österreichs Handelsakademien oder -schulen junge Leute in die Tiefen der Ökonomie einführen, kann er die WU nicht umgehen: sie hat das Monopol, Wirtschaftspädagogen zu graduieren. Spezialwissen erhalten auch ehrgeizige Berufstätige derzeit in fünf Universitätslehrgängen vermittelt. Sie müssen neben ihrem Eifer noch praktische Erfahrung und eine Reifeprüfung mitbringen.

Immer mehr Studenten finden an der Wirtschaftsuniversität beste fachliche Betreuung, doch zusehends weniger Raum. Lediglich 1,5 Quadratmeter Nutzfläche steht pro Studenten zur Verfügung. Mit der Ubersiedlung in das Gebäude über dem neuen Franz-Josefs-Bahnhof hoffen die 50 Professoren, 120 Assistenten, 111 Lektoren und 9200 Hörer auf größere Entfaltungsmöglichkeit.

Eine für Österreich einmalige Konstruktion sichert der Wirtschaftsuniversität diese Chance. Der Verein „Kuratorium der Förderer der Wirtschaftsuniversität“ ist Sammelplatz der finanzkräftigen Wirtschaft; er ist gleichzeitig Eigentümer der Hochschulkomplexe und Bauherr des neuen Universitätszentrums in der Althanstraße, öffentliche Stellen sind für den Augenblick entlastet, der Bund haftet lediglich auf dem indirekten Vertragsweg für den nahezu 2,2 Milliarden Schilling umfassenden Finanzrahmen.

Entgegen der früheren Planung besteht die Hoffnung, jetzt auch jene

Institute, die man in der Franz-Klein-Gasse in Döbling zurücklassen wollte, im Neubau in der Althanstraße unterzubringen, womit die alte

„Erstmals in Wien könnte damit eine Universität mit allen ihren Instituten in einem Gebäude untergebracht werden ...“

Hochschule anderen Forschungsund Lehraufgaben offensteht. Die geplante Bruttogeschoßfläche der neuen Wirtschaftsuniversität von 64.050 Quadratmetern wird 10.000 Studenten und 400 Universitätslehrern Platz bieten. Das drittgrößte Hochbauunternehmen Österreichs macht zügige Fortschritte; noch in diesem Jahr wird Dachgleiche gefeiert, die Fertigstellung wird 1981 erwartet 1

Erstmals in Wien könnte damit eine Universität mit allen ihren Instituten in einem Gebäude untergebracht werden, so daß das Schicksal ver-

gleichbarer Hochschulen, die bis jetzt mit bitter notwendigen Kapazitätserweiterungen nicht einmal ins Planungsstadium getreten sind, verhindert werden kann. Ein Verdienst, mit dem sich die Wirtschaftsuniversität wieder einmal voll von staatlicher Subventions- und Investitionsfreude emanzipieren konnte, wie es in der wechselvollen Geschichte dieser Hochschule zu einer bereits durchaus nachahmenswerten Tradition geworden ist.

Mit der Wirtschaftsuniversität hat sich eine der jüngsten, doch auch ohne Zweifel wichtigsten und größten Hochschulen Österreichs in Wien angesiedelt. Für die Absolventen bietet der Wiener Raum mit all feinen wirtschaftlichen Verflechtungen ein hervorragendes Wirkungsfeld. Wien selbst sieht in unserer Hochschule ein dynamische und initiative Vorkämpferin für zeitgemäße Forschung, die trotz der enormen Zunahme ihrer Aufgaben stets bemüht ist, qualitativen Maßstäben zu entsprechen. Eine Universität, die mit ihrem internationalen Ruf dem Image der Hochschulstadt Wien mehr als nur gerecht wird.

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