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Die Erziehung zum Zwiedenken

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Unter Berufung auf die Grazer „Südost-Tagespost“ berichtete die „österreichische Hochschulzeitung“ vom 15. Februar 1974, aus gutinformierten Kreisen habe man die Nachricht, Frau Bundesminister Dr. Herta Firnberg trage sich mit der Absicht, die einzelnen theologischen Fakultäten zu einer Theologischen Universität in Linz zusammenzulegen.

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Unter Berufung auf die Grazer „Südost-Tagespost“ berichtete die „österreichische Hochschulzeitung“ vom 15. Februar 1974, aus gutinformierten Kreisen habe man die Nachricht, Frau Bundesminister Dr. Herta Firnberg trage sich mit der Absicht, die einzelnen theologischen Fakultäten zu einer Theologischen Universität in Linz zusammenzulegen.

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Dieser Nachricht fehlt schon deshalb die Glaubwürdigkeit, weil eine so gewiegte Politikerin in der gegenwärtigen Lage nicht so sorglos mit Sprengstoff hantieren würde, selbst wenn es ein Fernziel wäre, zu dem man einen Versuchsballon aufsteigen lassen könnte. So wiesen denn auch vorläufig eingeholte Informationen in eine andere Richtung. Zwei Professoren der Grazer juridischen Fakultät wollten zugleich mit der Schaffung eines neuen Universitäts-Organisationsgesetzes — gleichsam in einem Aufwaschen — auch eine Flurbereinigung vornehmen und die theologischen Fakultäten ausgliedern. Dafür gab es zwei Begründungen: die theologischen Fakultäten sind durch ihre Bindung an das kirchliche Lehramt von der Lehr- und Lernfreiheit ausgeschlossen, und außerdem herrscht in Österreich die Trennung von Kirche und Staat.

Ganz so neu sind diese Probleme nicht, zumal der Gesetzgeber mit ihnen schon damals konfrontiert wurde, als 1864 die staatsbürgerlichen Rechte und mit ihnen Art. 17 über die Lehrfreiheit formuliert wurden. Es ist nicht anzunehmen, daß niemand bemerkt haben sollte, in welchem Ausmaß die Existenz von konfessionell gebundenen Fakultäten zu berücksichtigen war. Das Problem kehrte wieder, als es 1933 zum Abschluß eines Konkordats kam, und dennoch erhob kein Vertreter des Staates Einwände gegen das Weiterbestehen bekenntnismäßig ausgerichteter Fakultäten.

Was hingegen die Trennung von Kirche und Staat betrifft, so ist hier doch sehr oberflächlich mit einem Begriff gearbeitet worden, der in dieser Weise gar nicht zutrifft. Elemente der Trennung vermischen sich mit denen der Zusammenarbeit, so daß wir mit Recht von einem „hinkenden System“ sprechen können. Die oft schon plakatierte Trennung von „Thron und Altar“ ist juristisch unrichtig, politisch in der Gegenwartslage unrealistisch und gar als innerkirchliches Desiderat nichts anderes als dumm, auch wenn es Vertreter gewisser Kreise gibt, die von Zeit zu Zeit ihre Modernität beweisen wollen und undifferenziert in solche Schlachtrufe ausbrechen.

Als Kuriosität darf am Rande vermerkt werden, daß für die Nachricht, die eine Konzentration aller theologischen Kräfte ausgerechnet in Linz für angemessen hielt, ein der ÖVP angehörender Politiker verantwortlich zeichnet, der seinen Sachverstand doppelt beweisen wollte, einmal durch die Zusammenlegung von Fakultäten ohne Rücksicht auf historische, geographische und organisatorische Zentren, dann aber durch die Bevorzugung seines Landes, das nun durch die Wiege aller theologischen Wissenschaft eine neue Perle in der Krone erhalten sollte.

Es hätte auch gar keinen Sinn, im Gedanken an vorhandene oder potentielle Politiker, die das Ende der theologischen Fakultäten herbeiwünschen, in Panikstimmung zu geraten. Eher wäre zunächst einmal ein Anlaß, die gegenwärtige Situation zu überdenken. Dazu gehört vor allem die Tatsache, daß es in Österreich vier theologische Fakultäten gibt (die eine evangelische Fakultät möge hier ausgeklammert bleiben), die, gemessen an den anderen Fakultäten, eine geringe Hörerzahl aufweisen. Das gilt in analoger Weise für die theologischen Lehranstalten in Diözesen und Ordensgenossenschaften. Die Schließung der einen oder anderen Hauslehranstalt sowie des Seminars in Klagenfurt sind ein Zeichen, daß man angefangen hat, das Problem zu verstehen. Es wäre sicher odios, hier Zahlen anzugeben, die als unterstes Limit für das Fortbestehen einer Fakultät zu gelten hätten; etwas Überlegung und kritische Selbstprüfung, die in diese Richtung geht, täte hier jedoch not.

Wenn nur gar noch Wünsche ausgesprochen werden, zu den bestehenden Fakultäten weitere zu errichten, dann wäre damit kein guter Dienst geleistet. Nicht etwa, daß eine Konkurrenzsituation bestünde und es nur darum ginge, lästige Bewerber abzudrängen. Das kann schon deshalb nicht der Fall sein, da das Weiterbestehen einer bischöflichen Lehranstalt ohnedies vom Standpunkt der Fakultäten aus unbestritten ist. Vielmehr geht es darum, dem Staat noch weitere Verpflichtungen aufzubürden und ihm Leistungen abzuringen, die schließlich die berechtigte Frage aufkommen lassen müßten, ob nicht doch des Guten zu viel geschieht. Die Prüfung könnte dann ergeben, daß es eher sinnvoll wäre, alle Fakultäten zusammenzulegen, und wenn Linz schon im Gespräch war, in einem Zuge alle Theologen dort zu vereinigen.

Klimaveränderungen vollziehen sich langsam, und das gilt für geistige Umwandlungen um so mehr. Es ist nicht mehr zu übersehen, daß auch die theologischen Fakultäten, zumindest während der letzten zwei Jahrzehnte, den Anstoß zu einer kritischen Prüfung geben. Sie muß nicht so plump erfolgen, wie es eingangs erwähnt wurde; hintergründig besagt sie jedoch mehr und kann von ihrem juristischen Umhang nur mühsam verdeckt werden. Je universeller das Denken wird, um so mehr wird die historische Begründung verblassen und der Erkenntnis freie Bahn schaffen, daß staatliche Fakultäten der Theologie heute nur noch eine Ausnahme darstellen. Je öfter sich Konflikte zwischen Kirche und Fakultät, deutlicher gesagt, zwischen dem Bischof und seinen Professoren, unangenehm bemerkbar machen, um so mehr wird die Frage aufkommen, welche Rolle hier dem Staat zukommt. Hat er sich gar konkordatär verpflichtet, und das ist fast unabdingbar, einen Professor vom aktiven Dienst zu entfernen, der wegen seines Konflikts mit der kirchlichen Autorität als ungeeignet bezeichnet wurde, um so öfter wird der Zwiespalt Unbehagen verursachen. Der Staat wird nicht nur zum Vollzugsogran eines innerkirchlichen Geschehens, sondern zur Versorgungsquelle vorzeitig pensionierter akademischer Lehrer.

Das ist nicht Schuld des Konkordats, nicht die des Bischofs, noch weniger die Folge eines etwa sorglos handelnden Staates, der die Konsequenzen seiner Verpflichtungen nicht erkannt hätte, sondern ein nicht eingeplanter Schwund des Verantwortungsbewußtseins. Die Unklarheit und Inkonsequenz, die sich im Verhältnis zwischen kirchlicher Autorität und theologischen Fakultäten immer mehr zeigen, decken ein tieferliegendes Anliegen und eine kaum noch zu überbrückende Kluft auf. Je öfter die staatliche Gewalt zum Zeugen und Mitvollstrecker unliebsamer Vorgänge aufgerufen wird, um so anfechtbarer und gegen Kritik anfälliger wird der Weiterbestand theologischer Fakultäten.

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