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Theologen ins Ghetto?

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An Österreichs Katholisch-Theo- logischen Fakultäten tickt eine Bom- be, zu der unterschiedliche Grup- pen aus unterschiedlichen Motiven Zündschnüre gelegt haben.

Der Österreichische Gewerk- schaftsbund muß sich demnächst mit einem Antrag befassen, der 1989 von der Landessektion Hochschul- lehrer Oberösterreich initiiert und von der Bundessektion so formu- liert wurde: „Der ÖGB wird aufge- fordert, von der Bundesregierung umgehend die Aufnahme von Ver- handlungen über eine Änderung des Artikels V des Konkordats mit dem Heiligen Stuhl zu verlangen, die den theologischen Fakultäten mehr Autonomie und Forschungs- und Lehrfreiheit garantiert.

Begründung: Der Artikel V des Konkordats macht die Ernennung von Professoren und Dozenten an den vom Staat erhaltenen katho- lisch-theologischen Fakultäten von der Zustimmung der kirchlichen Behörden abhängig. Derselbe Arti- kel V sieht auch vor, daß ein nach dieser Prozedur bestellter Univer- sitätsdozent oder Professor von der Lehrtätigkeit enthoben wird, wenn er seitens der zuständigen Behörde als für die Lehre nicht mehr geeig- net bezeichnet wird. Dies ist grund- sätzlich eine Einengung der die Wis- senschaftsfreiheit garantierenden Regelungen der Bundesverfassung und des UOG. Dadurch kann es zu Konflikten mit den das Wissen- schaftssystem regelnden Prinzipien der Autonomie, Selbstverwaltung und Mitbestimmung kommen..."

Den (sicher nicht kirchennahen) Initiatoren dieses Textes muß klar sein, daß die römische Kirche nicht bereit ist, Theologen volle Freiheit vom kirchlichen Lehramt zu gewäh- ren, der Antrag ist also ein subtiler Versuch, die katholische Theologie (mit dem Hinweis, sie sei nicht frei, sondern von außeruniversitärer Seite beeinflußt) aus den staatli- chen Hochschulen zu verdrängen.

Das aber geht nur über eine Ände- rung des Konkordates zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl. Man sollte annehmen, daß beide Ver- tragspartner eine solche ablehnen, doch dem ist nicht so. Denn neuer- dings stellt auch Rom katholische Fakultäten an staatlichen Unis in Frage. Wissenschaftsminister Er- hard Busek ist deshalb zu Gesprä- chen in die römische Kongregation für das Bildungswesen geladen.

Im Ministerium und an den Fa- kultäten herrscht schon lange Un- behagen über kirchliche Verzöge- rungen von Berufungen und dadurch verursachte Probleme beim Studien- betrieb. In Wien ist seit acht Seme- stern der Lehrstuhl Kirchenge- schichte unbesetzt, in Graz gibt es seitSommer 1989 keine Vorlesungen in Fundamentaltheologie, in Salz- burg dauerte die Bestellung des neuen Moraltheologen drei Jahre.

„Das Maß ist voll" titelten jüngst die Studentenvertretungen an den Katholisch-Theologischen Fakul- täten der Universitäten Graz, Inns- bruck, Salzburg und Wien und an der Päpstlichen Hochschule Linz eine gemeinsame Presseinformati- on, die für 12. Juni einen „Aktions- tag" mit Warnstreiks ankündigte. Sie fordern eine schnelle Erledi- gung bei Berufungsverfahren und vor allem, daß bei einer Besetzung „qualifizierte Theologen (-innen) un- geachtet des Standes und des Ge- schlechtes" zum Zug kommen und Kandidaten nicht nur deshalb abge- lehnt werden, weil sie „Laien" sind.

Der Innsbrucker Politologe An- ton Pelinka hat jüngst auf das Un- ruhepotential der Massen kritischer Laientheologen hingewiesen. Sie und Denunzianten wie jener Stu- dent, der Salzburger Professoren in Rom als Marxisten, Häretiker und Gnostiker diffamiert hatte, ehe er per Ehrenerklärung alle Beschuldi- gungen zurücknahm, beunruhigen diekirchlicheHierarchie. Dazukom- men der Schock der „Kölner Er- klärung" und die Einsicht, daß sich Neubesetzungen totaler römischer Kontrolle - die auch durch Treueei- de und Lehrbeanstandungsverfah- ren nicht gesichert scheint - entzie- hen: Die Kirche kann vorgeschlagene Kandidaten ablehnen, aber keine eigenen Vorschläge durchsetzen.

Theologische Fakultäten an staat- lichen Universitäten sind eine mit- teleuropäische Errungenschaft, die der in der Bischofskonferenz zu- ständige Grazer Bischof Johann Weber durchaus schätzt: „Das ist ein Gut, das man verteidigen soll, eine Isolierung der Ausbildung würde keine gute Zukunft bringen", meinte er zur FURCHE. Der Wiener Kirchenrechtler Bruno Primetshof er hielte eine Herauslösung der Theo- logie für eine „Katastrophe": „Es bestünde die Gefahr, daß die übrige Universität die ethische Dimension und die Theologie den notwendigen Bezug zur Gegenwart verliert." Die uralte Idee der Universität mit der Theologie inmitten der mit ihr im Dialog befindlichen anderen Wis- senschaften wäre passe. Das gibt auch Busek, der sich eine reine Prie- sterausbildung aus Steuergeldern nicht vorstellen kann, zu bedenken.

Eine Entwicklung in der anvi- sierten Richtung hätte unabsehbare Folgen. Bliebe eine Österreichs staat- liche Universitäten verlassende, sich auf den Klerikernachwuchs kon- zentrierende Theologie dialogfähig, oder begäbe sie sich ins Ghetto? Ist in Österreich eine katholische Pri- vatuniversität ä la Löwen oder Lub- lin (die neben Theologie auch ande- re Wissenschaften pflegen) denk- und finanzierbar? Was geschähe mit den jetzigen Lehrkräften und Stu- denten? Was bedeutet ein Rütteln am Konkordat womöglich für an- dere Materien - Religionsunterricht, Militärseelsorge, Kirchenbeitrag...?

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