7095863-1994_45_06.jpg
Digital In Arbeit

Eine Weichenstellung

19451960198020002020

Das Kardinalskollegium, der Senat der römisch- katholischen Kirche wird noch internationaler und trägt noch deutlicher die Handschrift des gegenwärtigen Papstes.

19451960198020002020

Das Kardinalskollegium, der Senat der römisch- katholischen Kirche wird noch internationaler und trägt noch deutlicher die Handschrift des gegenwärtigen Papstes.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Kreierung von 30 neuen Kardinalen, die mit der Überreichung der Kardinalsinsignien am 26. November wirksam wird, dürfte eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft der rö-misch-katholischen Kirche bedeuten. 24 dieser Purpurträger sind jünger als 80 Jahre, somit zur Teilnahme an einem Konklave berechtigt, und sie machen ein Fünftel jener insgesamt 120 Kardinale aus, die maximal an einer Papstwahl teilnehmen dürfen.

Wie wichtig diese jüngste personalpolitische Maßnahme von Papst Johannes Paul II. ist, geht schon daraus hervor, daß nur mehr 20 der 120 zur Papstwahl berechtigten Kardinale nicht vom derzeitigen Pontifex ernannt worden sind. Dabei steht aber außer Zweifel, daß einige dieser 20 Kardinale aus der Ära Pauls VI. - William Wakefield Baum, Bernar- din Gantin, Joseph Ratzinger und Eduardo Francisco Pironio - als Inhaber hoher Kurienämter sicher auch das besondere Vertrauen des heutigen Papstes genießen. Von allen lebenden Kardinalen, insgesamt 167, verdanken 123 ihren Kardinalshut Johannes Paul II., 39 Paul VI. und fünf Johannes XXIII.

Unter den Kardinalsernennungen 1994 fallen besonders jene auf, die nicht mehr zur Papstwahl berechtigte Männer betreffen. So zeichnete der Papst den bereits 92jährigen albanischen Priester Mikel Koliqi, einen wahren Bekenner seines Glam bens in einer atheistischen Umgebung, ebenso aus wie den 90jährigen Yves Congar, den renommierten französischen Konzilstheologen aus dem Dominikanerorden. Das Kardi- nalsbirett für den 84jährigen deutschen Jesuiten Alois Grillmeier bedeutet für diesen eine verdiente Ehre, ist aber auch ein - nach der Auseinandersetzung um die wiederverheirateten Geschiedenen - nicht unerwartetes Mißtrauensvotum für den Mainzer Bischof Karl Lehmann, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der schon längst für eine Kardinalsernennung fällig wäre.

Unzufrieden, weil mit relativ wenigen Ernennungen bedacht, dürften auch die Kurie und Italien sein. Das Kardinalskollegium ist jeden falls noch internationaler geworden. Von den 120 potentiellen Papstwählern kommen nur mehr 19 aus Italien, nur mehr 55 aus Europa, dafür schon 33 aus Amerika, 15 aus Afrika, 14 aus Asien und drei aus Ozeanien.

Da bestimmte Ortskirchen (wie zum Beispiel die Städte Prag, Barcelona, Kampala, Tananarive, Santiago de Chile, Guadalajara und Lima oder Länder wie Indonesien und Japan) traditionell einen Kardinal an ihrer Spitze haben, kommen die meisten Ernennungen nicht uner wartet, auch nicht jene der Oberhirten von Montreal, Baltimore und Detroit. Daß Vietnam, Kuba, Weißrußland, der Libanon und Bosnien - in Gestalt des nun mit Abstand jüngsten Kardinals, des 49jährigen Vinko Puljic aus Sarajewo - zum Zug kommen, hat aber nicht nur historische Gründe, son> dern auch Signalcharakter, einerseits gegenüber ehemals oder noch immer kommunistischen Regionen, anderseits gegenüber Gebieten, denen dringend innerer und äußerer Friede zu wünschen ist.

Zu kurz gekommen ist nicht nur einmal mehr der Laibacher Erzbischof Alojzij Sustar und damit der seit den letzten Kardinalserhebungen unabhängig gewordene Staat Slowenien, ganz leer läßt der Papst das bedeutendste Land Lateinamerikas, Brasilien, ausgehen. Es befremdet, daß zugleich der deutlich konservativere Episkopat Mexikos, der nur mit einem Kardinalshut rechnen durfte, zwei erhält und Erzbischof Carlo Furno, der als Nuntius in Brasilien sehr umstrittene Bischofsernennungen herbeiführte, in den Kardinalsrang erhoben wird.

Angesichts der - durch diverse Terminabsagen genährten - Spekulationen über den Gesundheitszustand des Papstes verdienen diese jüngsten Personalentscheidungen Johannes Pauls II. natürlich besondere Aufmerksamkeit. Sie lassen sein durchaus legitimes Bemühen um einen Nachfolger erkennen, der seine Kirchenpolitik fortsetzt und um eine Weichenstellung, die verhindert, daß Männer wie Karl Lehmann oder der hochangesehene brasilianische Erzbischof Luciano Mendes de Almeida, der langjährige Vorsitzende der dortigen Bischofskonferenz, in einem Konklave zu einer anderen, „ fortschrittlicheren “ W eichenstel - lung beitragen können.

Für das nächste Konklave kennt freilich noch niemand den Tag und die Stunde. Und letztlich stellt die Weichen für die weitere Entwicklung der römisch-katholischen Kirche doch der Geist, „der weht, wo er will“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung