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Konklave, Kardinäle, Kombinationen

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Am 25. Oktober 1958, kurz vor dem feierlichen Einzug der 52 Kardinäle in das Konklave, aus dem dann Johannes XXIII. als gewählter Papst hervorgehen sollte, hat der inzwischen zum Kurienkardinal erhobene Hoflatinist Antonio Bacci in herrlichem Latein die traditionelle „Oratio de eligendo Pontifice“ gehalten, die an das Kardinalskollegium gerichtete Ermahnung, eine gute Wahl zu treffen. „Es genügt kein gelehrter Papst, es genügt kein Papst, der die göttlichen und menschlichen Wissenschaften kennt, der die feinen Vernunftgründe von Diplomatie und Politik erforscht und erprobt hat. Dies alles ist notwendig, gewiß, aber es genügt nicht. Was nottut .Eminentissimi Patres, ist vor allem ein heiligmäßiger Papst, der von Gott alles das erreicht, was durch natürliche Gaben allein nicht errungen wird.“ Rückschauend kann gesagt werden, daß Bacci eine gute Rede gehalten und die Kardinäle eine gute Wahl getroffen haben.

Am 19. Juni, um sechs Uhr abend, werden die Kardinäle wieder ins Konklave einziehen, aber es sind ihrer diesmal viel mehr, an die achtzig, und die ihnen gestellte Aufgabe ist voll schwerer, fürchterlicher Verantwortung. Das größte Konklave in der Geschichte der Kirche entscheidet über Fortsetzung oder Umkehrung einer von Johannes XXIII. ausgelösten Entwicklung. Je nach der Wahl der Kardinäle wird ein Mann auf den Thron kommen, der seinem einzigen, freien Willen nach die Initiativen Roncallis weiterführen, abändern oder fallenlassen kann. Es sind Initiativen von weltweiter Bedeutung: das Konzil etwa, auf dem der auch die katholischen Bischöfe beseelende ökumenische Geist geradezu eruptiv zum Vorschein kam und der zu einer sichtbaren Annäherung der anderen christlichen Gemeinschaften führte, aus dem auch die Autorität der Bischöfe gestärkt hervorging, Vorbedingung für die angestrebte Dezentralisierung der kirchlichen Verwaltung; o<|gr,die Friedensenzyklika „Pacem in tcrris“, in der zum erstenmal von einem Papst ausgesprochen wurde, was man der katholischen Kirche immer abverlangt hat, nämlich das Bekenntnis zu einem Toleranzprinzip. Denn dies ist die eigentliche und einzige Bedeutung jener Stelle, in die man die „Linksöffnung“ hineininterpretieren wollte, zum Kommunismus gar, obwohl das Wort nicht einmal in der Enzyklika vorkommt, weil sie allgemeine Grundsätze ausspricht, die ebenso für den Liberalismus oder Sozialismus gelten. Da sind dann auch jene sehr vorsichtigen Aktionen Johannes' XXIII.,

die mit großer Diskretion darauf hinzielten, einen Modus vivendi mit den kommunistischen Regierungen zu finden und mit seiner Hilfe das Schicksal der Millionen Katholiken zu erleichtern, die nach dem Krieg unter kommunistische Herrschaft gerieten. Nicht durch Schuld der Kirche sicherlich, sondern durch die jener Staaten, die sich heute am meisten über die angebliche „kommunistische Gefahr aus dem Vatikan“ aufgeregt zeigen und damit die Interessen der Staatsregierungen mit Jenen der Kirche verwechseln.

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